Justo Takayama

Der christliche Glauben hat sich in den letzten Jahrzehnten zumindest in Europa bis auf einige Ausnahmen nicht wirklich mit Ruhm bekleckert, und mit dem Begriff des „Heroismus“ würde ihn wohl kaum ein durchschnittlicher Zeitgenosse bezeichnen wollen. Da auch der historische Horizont der meisten Europäer kaum weiter als bis 1945 zurückreicht, wird diese wenig vorteilhafte Interpretation des Christentums, versehen mit ein bißchen Nietzscheanismus, nur allzu gerne in die letzten Jahrhunderte, ja sogar die letzten zwei Jahrtausende zurückprojiziert. Der entsprechend verzerrte Glauben wird dann üblicherweise in Kontrast mit allerlei anderen Überzeugungen gebracht, die ebenso naiv verherrlicht wie das Christentum verächtlich gemacht wird, allen voran der „naturkräftige“ Neopaganismus oder die ach-so-aufgeklärte griechische Philosophie: 2000 Jahre Spätantike und Abendland scheinen dann allen Ernstes wie ein „Irrweg“, von dem man sich schnellstens verabschieden müsse.

Daß aber der christliche Glaube seine Anziehungskraft eben nicht nur jenen heute nur noch verzerrt rezipierten und mißverstandenen sozialen Elementen wie der „Nächstenliebe“ verdankte, sondern vielmehr Aspekten wie seiner philosophisch überaus überzeugenden Ontologie, der (heute weitgehend verschütteten) ästhetischen Kraft der (Alten) Messe und vor allem seinem heroischen Charakter, ist den meisten Menschen nicht mehr begreiflich. Umso überraschter werden daher einige meiner Leser sein, wenn sie von Figuren wie dem japanischen Samurai Justo Takayama erfahren, der nicht nur als hochdekorierter Kriegsheld und japanischer Patriot der großen Einigungskriege des 16. Jahrhunderts bekannt ist, sondern eben auch für seinen katholischen Glauben bereit war, seine gesamte soziale Existenz aufzugeben und dafür von der Kirche als De-facto-Märtyrer seliggesprochen wurde.

Konflikte des Geistes

Im Japan des 15. und 16. Jahrhunderts war das Christentum zunächst eine relativ neue und fremde Religion, die mit den ersten westlichen Missionaren und Händlern in das Land kam. Die erste christliche Präsenz in Japan begann um 1549 mit der Ankunft des Jesuitenmissionars Franz Xaver, der das Christentum unter den Japanern verbreiten wollte. 

Zunächst wurde die Religion von einigen lokalen Fürsten, den Daimyos, unterstützt, insbesondere in Regionen wie Kyushu, da sie von den portugiesischen Händlern und deren Technologie und Handel profitierten. Das Christentum erlebte dann einen raschen Aufschwung: Bis Ende des 16. Jahrhunderts waren schätzungsweise 300.000 bis 500.000 Japaner Christen geworden – bei ca. 12 Millionen Einwohnern eine keineswegs geringzuschätzende Zahl –, und es entstanden zahlreiche Kirchen und christliche Gemeinschaften.

Die anfängliche Akzeptanz des Christentums war jedoch nicht von Dauer. Im frühen 17. Jahrhundert änderte sich die politische Lage mit der Errichtung des Tokugawa-Shogunats, welches die Zeit der „Kämpfenden Staaten“ überwand und das Reich erneut auch innenpolitisch einte. Die neue Regierung, die nach der Festigung der inneren Macht eine strikte Kontrolle und Isolation Japans anstrebte, betrachtete das Christentum zunehmend als Bedrohung; eine Entwicklung, die aus kulturmorphologischer Perspektive durchaus in Analogie zum römischen Kaiserreich zu sehen ist, das ebenso gegen „exotische“ Religionen wie das Christentum einschritt und die mittelmeerische Reichseinigung durch eine Politik des Mauerbaus und der weitgehenden Abschließung nach außen zu festigen suchte. 

1614 erließ das Tokugawa-Regime schließlich ein definitives Verbot des Christentums, und es folgten brutale Verfolgungen von Christen, die sogar oft genug öffentlich gekreuzigt wurden, so daß es zur Entstehung der sogenannten „Kakure Kirishitan“-Bewegung kam, in der verfolgte Christen heimlich ihren Glauben praktizierten.

Das Tokugawa-Shogunat verfolgte das Christentum aus mehreren Gründen, die tief in der politischen und sozialen Struktur Japans verwurzelt waren. Zunächst einmal sah das Shogunat in der Ausbreitung des Christentums eine Bedrohung für die eigene Macht und Autorität. Die christlichen Missionare und ihre Anhänger, insbesondere die Jesuiten, schufen Netzwerke, die potenziell die Loyalität der Bevölkerung gegenüber dem Shogunat untergraben konnten. Darüber hinaus fürchtete das Tokugawa-Regime, daß die Einführung einer ausländischen Religion die traditionellen japanischen Werte und die soziale Ordnung gefährden könnte, die auf dem Konfuzianismus und dem Shintoismus basierten. Und schließlich wurde das soziale und karitative Engagement des Christentums mit großem Argwohn gesehen, da man befürchtete, die Christen könnten darauf aus sein, wie vor nicht allzu langer Zeit die buddhistische Ikko-Ikki-Schule, die Grundlagen für einen Bauernaufstand zu bilden. 

Weltliche Macht versus Glaube

Ukon Takayama (1552–1615) war ein japanischer Samurai und christlicher Konvertit, der eine bedeutende Rolle in der frühen Geschichte des Christentums in Japan spielte. Sein Vater Tomoteru trat 1564 zum Christentum über und ließ auch seinen Sohn taufen, nachdem er den Katholizismus, den er zunächst bekämpfte, durch Jesuitenmissionare kennengelernt hatte, deren Argumente anläßlich eines öffentlichen Disputs ihn zutiefst beeindruckt hatten. 

Dies war eine durchaus ungewöhnliche Entscheidung, da das Christentum zu dieser Zeit in Japan noch eine ganz neue und fremde Religion war. Ukon Takayama nahm den Namen „Justo“ (also „Justus“) an und wurde rasch wie sein Vater zu einem überzeugten Christ; und wenn ihn seine Religion auch nicht daran hinderte, die kriegerischen Pflichten wahrzunehmen, die mit seinem Status als Daimyo einhergingen, ist doch belegt, daß ein Duell, daß er im Jahre 1571 im Rahmen eines „rite de passage“ zum Erwachsenenalter bestritt und bei dem er schwer verwundet wurde, ihn zu einer grundlegenden geistigen Auseinandersetzung mit der Verbindung von Standesideal und Christenglauben führte.

Takayama spielte in der Folge eine wichtige Rolle bei der Unterstützung und Verbreitung des Christentums, insbesondere in seiner Heimatregion, wo er aktiv an der Verbreitung der christlichen Botschaft unter anderen Samurais und auch unter den Bauern teilnahm und etwa die Kirchen in Takatsuki, Azuchi, Kyōto oder Ōsaka unterstützte. Auf seiner eigenen Domäne errichtete er sogar ein Priesterseminar, während er gleichzeitig mehrere buddhistische Tempel und Shinto-Schreine zerstören ließ.

Trotzdem blieb Justo ein treuer Diener des mächtigen Daimyo Oda Nobunaga, einem der einflußreichsten Kriegsherren des 16. Jahrhunderts, und schloß sich nach dessen Tod 1582 Toyotomi Hideyoshi an und kämpfte etwa in der Schlacht von Yamazaki, dem Feldzug gegen die Shimazu auf Kyushu und der Belagerung von Kagoshima für diesen. 

Als aber seit 1587 ausländische Missionare ausgewiesen wurden und auch den Daimyos die Ausübung des Christentums verboten wurde, brach für Justo eine Zeit der Verfolgung an, die ihn zur Aufgabe seiner Besitzungen, der völligen Verarmung und einem langen Exil am Hof des Fürsten Maeda Toshiie führte, wo er täglich lange Stunden im Gebet verbrachte.

Verfolgung, Tod und Seligsprechung

Im Jahr 1614 erließ schließlich der japanische „Augustus“, Shogun Tokugawa Ieyasu, der gerade erst das Reich neu vereinigt hatte, ein definitives Verbot des Christentums unter allen seinen Formen. Am 8. November 1614 bestieg Takayama daher zusammen mit einer Gruppe von 300 anderen verfolgten japanischen Katholiken in Nagasaki ein Schiff, um zu den Philippinen zu gelangen. 

Am 11. Dezember erreichten die Flüchtlinge Manila, wo sie freundlich durch die spanische Verwaltung aufgenommen wurden. Der dortige Gouverneur Juan de Silva bot Takayama sogar seine Unterstützung bei einer eventuellen Invasion Japans zum Schutz der dortigen Katholiken an; Takayama allerdings, der seinem Kaiser treu bleiben wollte, weigerte sich, an einer solchen Aktion teilzunehmen. Auch das Angebot einer ehrenvollen Pension durch den spanischen Staat verweigerte er, da er sich nicht imstande sehe, eine solche Großzügigkeit aktiv zu vergelten. 

Das Interesse der Spanier an der Unterstützung Takayamas kam nicht von ungefähr: Auf den Philippinen waren schon seit langem japanische Piraten aktiv, deren Kampfkraft die Spanier sowohl als Gegner als auch als Söldner gut kennengelernt hatten, und auch die mehrfach geäußerten und gut belegten Projekte Toyotomi Hideyoshis, die Philippinen anzugreifen und zu besetzen, müssen trotz ihrer Undurchführbarkeit auch den Spaniern bekannt gewesen sein.

Nur etwas mehr als ein Monat nach seiner Ankunft auf den Philippinen verstarb Takayama am 3. oder 5. Februar 1615 an einem Fieber, das auf die Erschöpfung des 63jährigen durch die langen Verfolgungen zurückgeführt wurde. Er wurde von der spanischen Verwaltung unter allen militärischen Ehren in der Jesuitenkirche von Manila bestattet. Tayakama ist der erste Daimyo, der auf den Philippinen beerdigt ist; und noch heute ist in Manila im einstigen alten Japanerviertel eine Statue von „Dom Justo Takayama“ zu sehen, die ihn in Kriegerkleidung und mit nach oben geknotetem Haar zeigt, wie er ein mit der Spitze nach unten gerichtetes Schwert trägt, an dem eine Figur des gekreuzigten Christus hängt.

Schon rasch wurde Takayama ein Vorbild für katholisch gewordene Japaner, und bereits 1630 gab es erste Versuche, eine Heiligsprechung zu lancieren, die jedoch daran scheiterte, daß Japan zu dieser Zeit völlig abgeschlossen war und die entsprechende Dokumentation zur Rekonstruktion seiner Lebensführung nicht erhältlich war. 

Auch ein zweiter Versuch vom Jahr 1965 scheiterte; erst 2013 unter Benedikt XVI. kam es zur Aufnahme der Prozedur. Grundlage war die Tatsache, daß Takayama zwar nicht de iure als Märtyrer hingerichtet worden war, de facto aber aufgrund seines Glaubens sämtliche Besitzungen und Würden aufgegeben hatte, freiwillig ins Exil gegangen war und unmittelbar nach der Ankunft in Manila auch an den Folgen seiner Entscheidung gestorben war. 

2016 wurde die Kanonisierung unter Papst Franziskus abgeschlossen, so daß Kardinal Amato am 7.2.2017 in Osaka die Seligsprechung Takayamas verkünden konnte. Im Dezember 2023 wurde dann bekannt, daß ein mögliches Wunder, das auf seine Fürsprache zurückgeführt wurde, untersucht wird – die conditio sine qua non einer späteren Heiligsprechung.

Ukon „Justo“ Takayama – ein leuchtendes Beispiel dafür, daß Christentum, Heroismus, Vaterlandsliebe und Kaisertreue einander eben nicht unbedingt widersprechen müssen, daß letzten Endes aber nur der Glaube die absolute Priorität beanspruchen darf, sollte es zum Konflikt zwischen den verschiedenen Loyalitäten kommen. 

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