Kattascha und die Verschwörer

Katharina Nocun hat als Co-Autorin mit der Sozialpsychologin Pia Lamberty seit 2020 drei Bücher zum Thema „Verschwörungstheorien” veröffentlicht. Sie war von 2013 bis 2016 bei der Piratenpartei politisch tätig und engagierte sich in Digitalthemen. Richtig Fahrt nahm ihre Karriere in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings erst durch die Kooperation mit Lamberty auf. 

Wer oder was steckt dahinter? Spoiler: Auch diesmal führt die Spur wieder zu einer NGO und den dahinter stehenden Milliardären, wie diese hervorragende Recherche meines Freundes Tim aufzeigt:

Anfang 2021 macht Lamberty aus ihrer Expertise ein Geschäft und gründet mit Gleichgesinnten CeMAS. Zitat:“CeMAS bündelt als gemeinnützige Organisation interdisziplinäre Expertise zu Themen wie Verschwörungsideologien, Antisemitismus und Rechtsextremismus.“ CeMAS wird von der Alfred Landecker Foundation finanziert, einer Philanthropen-Stiftung, mit der die deutsche Milliardärsfamilie Reimann ihre antisemitische Vergangenheit weißwäscht.

Zitat Lamberty:„Bei den Anti-Corona-Protesten hat die AfD immer eine Rolle gespielt – sichtbar oder als Mitorganisatoren im Hintergrund.“

Pia Lamberty bezeichnet (nach der Razzia vom 07.12.2022) die angeblichen Umstürzler aus der Reichsbürgerszene als militanten Arm von Coronakritikern und Montagsspaziergängen. Regierungskritiker werden hier zu Terroristen umgelabelt. Eine Strategie, die in Diktaturen beliebt ist.”

Da ich demzufolge selbst zur Verschwörungsszene gehöre, nahm ich die auf BlueSky, dem „rechtsfreien” Twitter-Klon, verbreitete Einladung von Kattascha (so nennt sich Nocun in sozialen Netzwerken) zu ihrem Vortrag im „PZ-Forum” der Pforzheimer Zeitung an. Nocun hat auf dem noch recht jungfräulichen BlueSky bereits 14.000 Follower, auf Twitter sind es fast 90.000. Und doch finden sich nur etwa 70 zumeist ergraute Zuhörer ein, die in dem 180 Plätze umfassenden Raum etwas verloren wirken. 

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Nocun startet mit einer Zahl, die die Bedeutung des Themas unterstreichen soll: „Ein Viertel bis ein Drittel der Deutschen“ seien laut einer Studie offen für „Verschwörungstheorien, etwa daß hinter den großen Medien irgendwelche Drahtzieher stecken würden.“ 

Danach geht es ohne Umschweife in den Paulanergarten im Prenzlauer Berg, wo wir Paula kennenlernen. Paula ist Mitte 30, aus dem Osten gebürtig und kommt mit dem Fahrrad. Ihre Schwester war schon immer etwas Esoterik-angehaucht, und im Laufe der Zeit hat sie sich immer mehr der Homöopathie zugewandt. Es geschieht das Unvermeidliche: Paulas Schwester wird schwer krank, lehnt aber pharmazeutische Medikamente ab und besteht auf Selbsttherapie. Ein Glück, daß sie trotzdem überlebt. Was bleibt, ist jedoch ein Misstrauen gegen alles, Ärzte, Freunde, Verwandte. Stattdessen wendet sie sich Pegida zu, klagt über angebliche Überfremdung.

Wir lernen am Beispiel von Paulas Schwester, daß Opfer von Verschwörungstheorien fast ausnahmslos rechtsoffen oder gar rechtsextrem werden. Sie gehen finanzielle Risiken ein, da sie ihr Geld für dubiose Heilsbringer wie Babymützen mit Silberfäden zum Schutz der Kleinen vor 5G-Strahlung ausgeben. Sie kaufen angebliche Wundermittel wie CDL auf Telegram und trinken Desinfektionsmittel. Berufliche Folgen drohen, etwa wenn die Strahlenangst zur Kündigung führt. Verschwörungstheoretiker leiden aber auch unter Ängsten durch Horrorszenarien, wie Panzer, die durch Berlin fahren, und Psychopharmaka im Trinkwasser. Die Grenzen würden überschritten, wenn sie Kindern Angst vor Chemtrails machen. Kaum überraschend verlieren sie dann auch Freunde, Verwandte oder gar den Partner. 

Montagsspaziergänge als Vorhof des Terrorismus

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Das Buch Fake Facts mit Paulas Geschichte wurde bereits 2019 geschrieben und Anfang 2020 veröffentlicht. Für Lamberty und Nocun war das eine Art Sechser im Lotto. Der Rest des Abends dreht sich um Querdenker, Reichsbürger, Impfgegner und Antisemiten, was aber für Nocun, wie sie gebetsmühlenhaft wiederholt, ohnehin das Gleiche ist. Mit Differenzierungen hält sie sich nicht lange auf, der eigene Standort wird folgendermaßen verortet: „Ich bin mehrfach geimpft, aber lebe noch.“

Sie zitiert ausführlich aus einer Cosmo-Studie der gleichgesinnten Verschwörungsforscherin Cornelia Betsch aus Erfurt, nach der Teilnehmer (oder Sympathisanten) der Corona-Montagsspaziergänge im Winter 2021/2022 um ein Vielfaches häufiger als der Durchschnitt der Bevölkerung Thesen zustimmten wie „Das Virus wird absichtlich als gefährlich dargestellt, um die Öffentlichkeit in die Irre zu führen“. Das ist in etwa so überraschend, als wenn man bei einer Antifa-Demo eine knappe Mehrheit für ein AfD-Verbot bekommen würde. 

Dann folgt eine bemerkenswerte Passage: Von dem unsinnigen Sophie-Scholl-Vergleich einer Jana aus Kassel bei einer frühen Querdenken-Demo in Hannover und der ebenso unsinnigen symbolischen Benutzung von Davidsternen leitet sie nun ansatzlos zu mittelalterlichen Brunnenvergiftungs-Erzählungen aus Zeiten der Pest über. Einerseits sei Esoterik, Querdenken und Corona-Kritik stets mit Antisemitismus verbunden, gleichzeitig würde man sich aber gerne selbst zum Opfer stilisieren, indem man, die Relativierung der Nazi-Verbrechen verharmlosend, Corona-Maßnahmen mit der Judenverfolgung gleichsetze (was allerdings auf israelischen Anti-Maßnahmen-Demonstrationen gang und gäbe war). Sich selbst stilisiert sie nur kurz darauf aber auch zum Opfer. Pia Lamberty und sie seien häufig mit dem Tod bedroht worden und stünden auf der Abschussliste. Was an diesem eher langweiligen Abend in Pforzheim besonders grotesk wirkt, da weit und breit keine Security oder überhaupt irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen zu erkennen waren. Und das zumeist ältere Publikum machte nicht den Eindruck von eingestreuten Undercover-Personenschützern.

Das dunkle Geheimnis brauner Esoterik-Codes

Eine weitere Studie habe allerdings herausgefunden, daß Verschwörungstheoretiker nicht häufiger als der Durchschnitt an psychischen Erkrankungen litten. Es folgt die Bitte, psychisch Erkrankte nicht mit ihnen in einen Topf zu werfen, denn während diese tatsächlich krank seien, habe der esoterische Querdenker noch volle Einsicht in sein Tun und könne qua Willensakt jederzeit umkehren – was, wie sie später mehrfach betont, aber auch mit gut zureden schwer zu erreichen sei.

Wir befinden uns an dieser Stelle des Vortrags nun im völkischen Milieu, wo zum Teil über Generationen hinweg rechtsnationales Gedankengut an die Kinder weitergegeben werde. Nocun erzählt vom Kontrollverlust in persönlichen und gesellschaftlichen Krisen, der durch die Annahme eines Plans kompensiert werden soll, um nicht dem Chaos ausgeliefert zu sein. Verschwörungstheoretiker hätten ein übertriebenes Bedürfnis nach Einzigartigkeit, eine „Wir gegen den Rest der Welt”-Attitüde, welche in Telegram-Gruppen und durch Anmeldung von Demonstrationen ausgelebt wird. Der Anführer (als Beispiel wurde Donald Trump genannt!) sei die höchste Instanz der Wahrheit und biete die Legitimierung für Gewalt, was erfolgreiche Anschläge wie der Tankstellen-Mord von Idar-Oberstein und die vereitelten Plots bewiesen.

So geht es in einem fort mit einem schier endlosen Bullshit-Bingo von Heilsteinen gegen Krebs, Michael Ballweg, der um einen Kristall tanzt, Pastel-QAnons, republikanischen Abgeordneten die die „Save the Children”-Bewegung unterstützen (ein versteckter Code), dem sog.”Reichstagssturm”, wo man an der Kleidung voller weiterer versteckter Codes klar die Identität der Angreifer als Reichsbürger habe erkennen können. Von der damaligen Anstifterin und Heilpraktikerin Tamara K. geht es dann zum Ex-Querdenken-Pressesprecher Stephan Bergmann, der nun Online-Seminare für Germanische Neue Medizin nach Ryke Geerd Hamer anbiete und dem König von Deutschland Peter Fitzek. 

Der Zuhörer bleibt nach dieser Buzzword-Tournee erschöpft zurück und fragt sich, was das alles mit seinem Leben zu tun hat, und inwiefern irgendwas davon unsere Gesellschaft bedroht.

Die braune Esoterik ist ohnehin voll von versteckten Codes, insbesondere zum Antisemitismus. Wenn etwa scheinbar harmlos von Bankern die Rede sei, ginge es immer um die Rothschilds, was schlüssig die antisemitische Konnotation beweise. Was vermeintlich apolitisch daherkomme, sei in Wahrheit oft Verächtlichmachung der Demokratie (womit sie, ohne es zu erwähnen, Frank-Walter Steinmeier zitiert). In den von ihr häufig erwähnten Telegram-Gruppen, wo sie offensichtlich ausgiebig unterwegs ist, sei dies besonders stark verbreitet. 

Was man dagegen tun kann? Die Mechanismen kennen, Medienkompetenz erwerben und über die Psychologie von Verschwörungstheorien aufklären, am besten, in dem man die Bücher von Lamberty und Nocun erwirbt. So gestählt kann man dann in Familie, unter Verwandten und Kollegen den argumentativen Kampf mit dem Bösen aufnehmen. Denn nicht vergessen, bis zu einem Drittel der Menschen, die um sie herum sind, könnten heimliche Nazis sein! 

Was man nicht tun soll? Mit Nazis reden. Sie nicht in die eigene TV-Show einladen wie etwa Markus Lanz, ihnen nicht in der Lokalpresse eine Plattform bieten, und schon gar nicht im engsten Kreis mit ihnen zusammen sein: „Ich will nicht mit einem Reichsbürger beim Weihnachtsessen sitzen.” Der Vortrag endet nach einer guten Stunde mit dem Aufruf zur Cancel Culture: Beachten Sie die roten Linien der Gesellschaft! 

Höflicher, kurzer Beifall.

Keine Fragen mehr

Auf die Aufforderung des Moderators zu Fragen kam leider keine Reaktion aus dem ermatteten Publikum, weshalb er selbst etwas überbrücken musste. Bis sich schließlich ein älterer Mann erbarmte und von Nocun wissen wollte, ob es ihr bei ihren Kontakten schon einmal gelungen sei, jemanden vom falschen Weg abzubringen? Die Antwort war aufschlussreich: Die Erfolgschancen seien ohne persönliche Bindung gering, sie würde in dem Fall empfehlen, Fragen zu stellen.

Dies war der Moment, in dem das Kartenhaus geschickt überspielt einstürzte. Der Eindruck, der sich während des Abends immer mehr verstärkt hatte, wird nun zur Gewissheit: Katharina Nocun simuliert Expertise. Außer Paulanergarten-Paula und den auffallend häufig erwähnten Telegram-Gruppen war kein Nachweis irgendeines Kontakts zur Szene erkennbar. Kennt sie überhaupt das Objekt ihrer angeblichen Studien? Kein einziges Mal berichtet sie davon. Stammen ihre Erkenntnisse also nur aus dritter Hand? Alles bleibt seltsam nebulös, oberflächlich, unauthentisch. Im Duktus eines Oberstufen-Referats fordert sie immer wieder zum Abstand, zur Kontaktpause auf, man könne ohnehin wenig machen.

Am Büchertisch herrscht Stille. Ein einziger Besucher redet kurz mit Nocun am Pult. Das Publikum verlässt ratlos den Saal Richtung regnerische Pforzheimer Nacht.

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