Klimawandel und die verlorene Ästhetik der Natur

Kaum ein Thema bewegt die Menschen aktuell mehr als die täglich heraufbeschworene düstere, auf sämtliche Bildschirme gemalte Dystopie vom Klimawandel. Die Bewohner dieses Planeten werden gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen. 

Besonders die modernen Deutschen fühlen sich offenbar dazu berufen und befähigt, durch ihr Wesen und Wirken den Klimawandel zu bekämpfen, der Welt ihre Lösungen aufzudrängen und dabei unter heroischen Selbstzwängen mit bestem Beispiel voranzugehen. Ist aus einem Volk der Dichter und Denker ein Volk der Humanisten und Klimaaktivisten geworden? – So wirkt es in der Darstellung der einstmals vierten Gewalt im demokratischen Staate. Die Medien hämmern es den Menschen im Stakkato in die Hirne.

Darf man hinterfragen, warum gerade die Deutschen sich bei diesem Thema so hervortun und mit ihrem guten Beispiel der Welt vorangehen wollen, ist ihr Anteil an der Klimaschuld auch noch so gering und koste es die eigenen Bürger was es wolle? – Ich halte es mit Erich Kästner, der einmal schrieb: „Es sind die Fragen, aus denen das, was bleibt, entsteht.“

Die Deutschen und ihr Wald

Ein Apfelbaum ist für mich ein Sinnbild für die Fragen, die Erkenntnis, die Verführungen, den Genuss, das Licht und den Schatten. Man kann sich unter ihn legen und einfach nur sein Dasein genießen, man kann ihn aber auch als Selbstzweck betrachten. Die Natur dient nur sich selbst. Oder? Man kann einen Apfelbaum natürlich auch konsumieren, seine Früchte essen, sein Holz verfeuern. Dann gebraucht man ihn zum eigenen Zweck. Dann macht sich der Mensch die Natur zum Untertan. Aus der Natur wird ein Konsumgut. 

Der Baum ist besonders für die Deutschen ein wichtiges Symbol. Dass begründet sich nicht zuletzt wohl durch ihre Geschichte. Hier könnte bereits eine Wurzel liegen, die die besondere Affinität der Deutschen zum Umwelt- und Klimaschutz erklärt: Die Deutschen waren und sind immer noch ein Waldvolk. Der Wald ist für viele von uns auch heute noch ein Identitätssymbol und etwas, dass Heimat stiftet. Der Waldgang, der Waldspaziergang am Sonntag, die Waldnutzung, die politische Waldmythologie und die Epoche der Romantik kommen nicht von irgendwo her.

So verwunderte es in den Achtziger Jahren hierzulande kaum einen, als das Waldsterben die Seele zutiefst traf. Der Wald ist eben ein Mythos der Deutschen. Er ist das Sinnbild für die Natur und den Naturschutz schlechthin. Schon der altrömische Historiker und Ethnograf Tacitus wusste über die Germanen und ihre flächendeckenden, für ihn schaurigen Wälder und die barbarischen Stämme zu berichten. Die Gebrüder Grimm und andere Romantiker versuchten über ein Jahrtausend später aus den Mythen und Sagen die verborgene Geschichte der Deutschen zu rekonstruieren.

Solche Mythen sagen viel über den geistigen und emotionalen Zustand einer Gesellschaft aus. Auch für die nationale Überhöhung müssen Mythen herhalten. So wurde der deutsche Waldmythos auf fatale Art und Weise über die historischen Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts mit den alten Germanen verwoben. Die mythischen Bilder romantischer Germanenforscher wurden politisch ausgeschlachtet und wirkungsvoll von den Nationalsozialisten instrumentalisiert. Das Waldvolk mit seinen heiligen Bäumen wurde als rassisch überlegen dargestellt und es wurde allerhand Unsinn hinzugedichtet.

Dass der Wald der Land- und Forstwirte alles andere als romantisch war, wurde geschickt ausgeblendet. Er wurde primär als Wertstofflager für Brenn- und Bauholz oder Nebennutzungen wie Imkerei, Schweinetrieb oder für das Sammeln von Nahrung genutzt.

Dennoch hat sich das romantische Bild vom Wald bis heute in großen Teilen der Bevölkerung gehalten. Im Sinne des Naturerlebens und der Freizeitgestaltung nimmt er zu Recht eine herausragende Stellung ein.

Waldsterben

So wie die Liebe zum Wald zu etwas typisch Deutschem wurde, so könnte es heute auch der Klimaschutz werden. Die Natur, in diesem Fall das Klima, wird zum Mythos und zu einem politischen Symbol und Haltungsträger. Dieser neuen politischen Klimaideologie im Zeitalter der Globalisierung liegt die Vorstellung zugrunde, dass nur Kollektive eine Rettung des Weltklimas erreichen können. 

Was vor kurzem noch das Waldsterben war, das ist heute die Metapher vom Klimawandel. So mag es zwar heute nicht mehr die Angst vor dem Verlust kultureller Tradition sein, welche die Menschen hierzulande antreibt, sich aktiv für den Klimaschutz und dessen Überhöhung einzusetzen, aber eine romantische Liebe scheint fraglos zu existieren. – „Erst stirbt der Baum, dann stirbt der Mensch” war noch ein typisch deutscher Spruch. Heute ist hingegen alles internationalisiert. 

Damals, als es noch um das Waldsterben und den sauren Regen ging, haben fast alle erwachsene Menschen an die drastisch geschilderten Schreckensszenarien geglaubt. Ich selbst war als Kind fest davon überzeugt, dass ich mit meinen eigenen Kindern keine Waldspaziergänge mehr würde machen können. Gott sei Dank kann ich jedoch auch heute noch viel Zeit mit meinen Kindern im Wald und auf Wanderungen in der Natur verbringen. Gott sei Dank. Die Katastrophe war eben doch nur eine Frage des Glaubens. Sie trat in Wirklichkeit nicht ein.

Wir brauchen den Wald. Und zwar solange es auf diesem Planeten Leben geben soll. Bäume produzieren Sauerstoff und verarbeiten Kohlenstoffdioxid, also das, was selbst in Chemie wenig bewanderte Menschen als CO₂ kennen. Ein Leben ohne CO₂ ist nicht vorstellbar. Ohne CO₂ könnten höchstens Mikroben, Pilzsporen oder Bakterien auf der Erde überleben. Es gäbe keine Pflanzen, keine Nahrung für Menschen und Tiere. 

Das CO₂ macht es uns nicht leicht. Einerseits ist es Stoff zum Leben, andererseits Abgas unserer industrialisierten Gesellschaft. Beim alten Waldsterben ging es darum, dass schwefelhaltige Abgase und Stickoxide aus Verbrennungsprozessen in die Luft stiegen, sich mit der Luftfeuchtigkeit zu Schwefelsäure und Salpetersäure verbanden und als saurer Regen vom Himmel fielen. – Auch heute sterben wieder Wälder.

Klimaschutz als Politik

Ja, wir erleben gerade ein neues Waldsterben. Speziell und deutlich sichtbar ein Fichtensterben. Allerdings aus anderen Gründen. Nämlich, weil große Teile unserer Wälder von Menschen angelegte Monokulturen sind. Baumplantagen sind keine Wälder. 

Die CO₂-Abgase von heute führt zu einem vor allem politischen Treibhauseffekt. Das für Pflanzen so lebensnotwendige Gas ist zum Schadstoff erklärt worden. All die anderen zu unserer Atemluft gehörenden Substanzen sind ins Hintertreffen geraten. Der für den sauren Regen verantwortliche Schwefel ist heute auf der klimapolitischen Bühne kaum noch ein Thema.

Aber es ist ja alles noch viel komplizierter. Ausgelaugte, nährstoffarme Böden schaden dem gesunden Pflanzenwachstum. Bäume, Sträucher und Gräser profitieren nicht vom Kohlendioxidangebot. Die Böden enthalten zudem so viel Schadstoffe und so wenig Mikroorganismen, dass die Nährstoffaufnahme der Pflanzen mancherorts erheblich gestört ist. Dazu Temperatur- und Niederschlagsschwankungen, der Borkenkäfer …

Handelt es sich nun um ein Klimaproblem oder ein Umweltproblem? – Beides!

Naturschützer und Klimaschützer diskutieren diese Frage durchaus. Der historisch ältere Naturschutz ist der Vater der Umweltbewegung. In Sachen Spendenaufkommen und Mitgliederzahl ist der Natur- und Umweltschutz auch heute noch größer als die Organisationen der Klimaschützer. 

Naturschutz heißt im Englischen übrigens „Conservation“. Hieraus lässt sich sehr schön ableiten, dass Naturschutz kein originär grünes Thema ist, sondern immer schon Bestandteil einer konservativen Politik war und ist. Naturschutz ist konservativ. 

Die Klimaschützer setzen hingegen sehr viel stärker auf Verbote als auf Gebote und Erhaltung. Sie beschäftigen sich überwiegend mit Energiepolitik, Verkehrspolitik und Industriekritik. Daraus folgt, dass sie letztlich auch Kultur- und Zivilisationskritik betreiben und sich ihre Ziele stark mit denen der politischen Linken überschneiden. Naturschutz ist Lebensschutz. Klimaschutz ist Politik.

Diese Unterschiede führen bisweilen zu Konflikten zwischen Naturschützern und Klimaschützern. Ob es dabei um den Ausbau erneuerbarer Energien, wie z.B. Windkraft, geht oder auch bei Themen wie Wasserkraft und Biogas. Was für den Klimaschutz gut ist, ist eben noch lange nicht gut für den Umwelt- und Naturschutz. Hier dürfte es in Zukunft noch richtig Streit geben. Aber schon jetzt sollte man den Streithähnen zurufen: Naturschutz gibt es nicht ohne Klimaschutz! Klimaschutz gibt es nicht ohne Naturschutz!

Entweder, oder!

Klimaschutz wird heutzutage vom Umweltschutz herausgelöst betrachtet und zu einem Konsumevent und Wirtschaftsfaktor verdreht. Hehre moralische Ziele verkommen zu verlogenem Zeitgeist, der in schönen Selfiebildern und grüner Hybris festgehalten wird. Auf allen Kanälen. 

Geht es den Klimaschützern denn überhaupt noch um unseren Planeten oder doch eher um den Konsum von Moral und dem Gefühl moralischer Überlegenheit? Oder geht es nur um knallharte wirtschaftliche Interessen, weil inzwischen Billionen auf die Klimakarte gesetzt und investiert wurden. Die Investoren müssen schließlich auch etwas herausbekommen.

Oder handelt es sich einfach nur um eine neumodische Form des moralischen Ablasshandels? 

Die Kindheitswälder oder das Heimatliche einer Landschaft verschwinden jedenfalls immer mehr aus den Köpfen unserer Jugend. Was eigentlich erstaunen sollte, denn angeblich sind die Kids ja so stark am Thema Klimaschutz und Wald interessiert. Geradezu in Panik. 

Das ist aber wohl alles nur ein trügerischer Schein, den die Medien uns vormachen wollen. Was ich bei meinen Kindern und aus ihrer Schule so mitbekomme, „juckt“ die das alles gar nicht. Nicht einmal 5 Prozent der Jugendlichen, so mein Sohn, hat mit dem Thema was am Hut. Die haben überwiegend ganz andere Sorgen. Sorgen, um die man sich auch mal kümmern sollte, indem man ihnen zuhört und nicht „die Jugend” für seine eigenen Ideologien instrumentalisiert und missbraucht. 

Viele Kinder können heute eine Eiche nicht mehr von einer Buche unterscheiden und erkennen Birken nur noch im geschändeten, verrotteten Zustand an städtischen Straßenlaternen im Mai und seinen Folgemonaten.

Verlernte Langeweile halte ich übrigens für eines der größten Probleme der jungen Generation. Smartphone und Internet dominieren den Tagesablauf. Ich fürchte, viel zu viele Kinder haben die Langeweile nicht nur verlernt, sondern sie nie wirklich kennengelernt. Sie entwickeln nur noch digitale Kreativität, aber keine natürliche mehr. Sie konsumieren lieber. Sie klettern nicht mehr auf Bäume. Sie basteln nicht mehr Pfeil und Bogen. Sie tollen nicht mehr auf frisch gemähten Feldern herum und reißen keine Kräuter am Wegesrand aus, um an ihnen zu riechen. Selbst wenn die Natur direkt vor der Haustüre liegt. Sie erfinden keine eigenen Spiele mehr, sie lassen sich nur noch bespielen, bespaßen und konsumieren die Kreativität Anderer oder heischen nach Likes und Zustimmung für digitale Inhalte. Die heutige Art der Vermittlung von Naturbewusstsein führt immer häufiger zu einem Naturbewusstsein aus zweiter Hand.

Erfahrungsschätze

Wenn der heranwachsenden Generation irgendwann die Erinnerungen an das Spielen in der Natur, die Erinnerungen an die Beobachtung von Tieren außerhalb eines Zoos oder die Erinnerung an das Gefühl von nackten Füßen in einem Bach fehlen, dann fehlt ihnen irgendwann auch die lebensgeschichtliche Bedeutung des Naturerlebnisses. 

Doch schon jetzt fehlen die Vorbilder. Denn immer weniger Eltern vermitteln ihren Kindern regelmäßig den Aufenthalt in der Natur und können ihren Blick selbst kaum noch vom Smartphone, mit all seinen seltenen Erden heben. – Hauptsache, wir reden über den Klimaschutz. Die Natur selbst darf sich hinten anstellen!

Waren für die Generation der Großeltern noch Not und Einschränkung ein Grund, Pilze, Kräuter und Bucheckern zu sammeln, so lockten die Generation heutiger Eltern bereits nur noch Erholung und Freizeitgestaltung in die Natur. Zum Glück merken immer noch viele Menschen intuitiv, dass ihnen der Aufenthalt in der Natur einfach nur gut tut, entspannend ist und sie raus holt aus dem digitalen, immer schneller werdenden Alltag. Hektik und Stress können durch den Aufenthalt in der Natur ausgeglichen werden. 

Wer im Wald gespielt hat, der sieht ihn anders als eine Jugend, die ihn inzwischen viel zu oft nur mehr aus belehrenden Filmen kennt als aus dem Alltag. Die älteren Generationen kennen sich in der Natur in der Regel entsprechend besser aus und verstehen die Zusammenhänge anders. Aber geben sie ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter? Wollen junge Klimaschützer diese Erfahrungsschätze überhaupt annehmen?

Das gesellschaftliche Klima ist vergiftet. Vor allem dann, wenn linksradikale Organisationen den Klimaschutz als willfähriges Trittbrett missbrauchen und das Thema für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren.

Es wird Zeit sich wieder mehr direkt mit und in der Natur auseinanderzusetzen als nur indirekt für sie zu kämpfen. Nur wer die Natur lebt, der versteht sie und nur wer sich in ihr bewegt, kann sich glaubwürdig für sie stark machen.

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1 Kommentar. Leave new

  • Es ist bitter, aber: In 100 oder auch schon 50 Jahren werden von den meisten Windanlagen nur noch die Sockel vorhanden und die geschlagenen Schneisen werden von Buschwerk überwuchert sein. Und bald sind es wieder Wälder.

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