Aktuell tut sich in den Medien eine relativ interessante Diskussion angesichts des Milliardendefizits bei den gesetzlichen Krankenkassen auf. Von Selbstbeteiligung an Behandlungskosten ist die Rede. Beiträge sollen sich nach den Lebensgewohnheiten richten.
Was das in der Praxis heißt? – Nicht ganz klar. Diskutiert wird über höhere Beiträge für Übergewichtige, für Raucher, für Sportler, die ein hohes Verletzungsrisiko tragen. Außerdem soll die Rechnung beim Arztbesuch erst mal selbst beglichen werden, so dass zuerst seinen Eigenanteil bezahlt, bevor er die Versicherungsleistung in Anspruch nehmen kann. Liberale könnten jetzt durchaus hurra schreien, zeugt doch eine Versicherung anhand der eigenen Lebensgewohnheiten vom Prinzip Eigenverantwortung. Doch das Ganze ist eine riesige Mogelpackung und wie immer, wenn der Staat etwas anfasst, am Ende nur teuer für alle.
Tote brauchen keine Rente
Zum einen geht es bei der Diskussion überhaupt nicht um Eigenverantwortung für das eigene Leben. Es geht um das Stopfen von Finanzlöchern und da sucht man halt einen Doofen, der die ganze Party bezahlt. Ähnlich wie bei Corona, wo man bereits die Idee hatte, dass die Ungeimpften für ihre Behandlung selbst aufkommen sollen und wo man sogar so weit gegangen ist, Infizierte ohne passenden Impfstatus von der Lohnfortzahlung auszuschließen, sucht man sich hier den, der an seinem eigenen Schicksal vermeintlich selbst Schuld hat.
Aber lassen Sie uns einmal die einzelnen Punkte, die am häufigsten genannt werden, analysieren.
Fangen wir mit dem Rauchen an. Natürlich entscheidet jeder selbst, ob er raucht oder nicht. Soweit ist das Prinzip Eigenverantwortung klar und es sollte erst einmal nichts dagegensprechen, dass ein Raucher mehr zahlt als ein Nichtraucher. In der Gesamtschau sieht das allerdings etwas anders aus. Wer regelmäßig zur Zigarette greift, verkürzt sein Leben deutlich. Nun stirbt er nicht an Altersschwäche, sondern an einer der unzähligen Krankheiten, die das Rauchen verursacht, und erzeugt somit Behandlungskosten. Durch die kürzere Lebenserwartung entstehen die höheren Kosten jedoch nur temporär. Nichtraucher laufen auch dann noch zum Arzt, wenn der Raucher längst unter der Erde liegt. Somit wäre es dann angebracht, will man denn der Argumentationslogik folgen, dass Raucher einen geringeren Beitrag in die Rentenkasse einzahlen. Denn da sind es die langlebigen, die die Verantwortung für die hohen Kosten tragen und somit das Portemonnaie aufmachen müssten.
Zu dick oder zu sportlich?
Besonders interessant finde ich die Forderung, Sportler mehr zahlen zu lassen, weil sie sich Sportverletzungen zuziehen. Das ist nahezu absurd. Natürlich ist ein Kreuzbandriss bei einem Fußballer kostenintensiv, genau wie das knatschende Knie, welches sich der Jogger über die Jahre zuzieht. Aber wohin soll das führen? Sport ist neben einer guten Ernährung der effektivste Weg, Krankheiten vorzubeugen und lange fit (und schlank!) zu bleiben. Menschen für körperliche Ertüchtigung zu bestrafen, ist so ziemlich das Bekloppteste, was einem in den Sinn kommen kann.
Bleiben noch die Übergewichtigen. Auch das Thema ist ziemlich widersprüchlich. Nun ist unsere Gesellschaft aktuell auf einem Wir-tolerieren-alles-und-jeden-Trip. Wer Dicke kritisiert, ist fettphob. Der ÖRR startet regelmäßig bodypositive Kampagnen, wo Menschen weit jenseits der 150-kg-Grenze versichern, wie toll und gesund man sich als Dicker fühlen kann. Alleine hier besteht schon ein Widerspruch: Ich kann dem Volk nicht erzählen, dass dick sein toll ist und dann für jedes Kilo mehr die Hand aufhalten.
Aber selbst, wenn man diesen Widerspruch beiseite wischt, stellen sich weitere Fragen. Übergewicht ist aus medizinischer Sicht ab einem bestimmten Level krankhaft, genau wie das in der Regel damit verbundene Essen. Nicht umsonst spricht man von der Fettsucht. Will man ernsthaft kranke Menschen stärker zur Kasse bitten, wenn sie ihre Essgewohnheiten eigentlich gar nicht mehr selbst kontrollieren können (gilt übrigens auch für das Rauchen)?
Ein weiterer Punkt, der vor allem beim Übergewicht zum Tragen kommt, ist die praktische Umsetzbarkeit. Wie will man überhaupt ermitteln, wer zu dick ist? Muss dann jeder Beitragszahler zum staatlich verordneten Wiegen antreten? Und was dann? Welcher Wert bestimmt, ob jemand zu dick ist? Naheliegend wäre der Body-Mass-Index, der das Verhältnis von Körpergröße zu Gewicht beschreibt. Allerdings wäre der völlig ungeeignet, würde er doch Menschen mit viel Muskelmasse bestrafen oder noch viel absurder, übergewichtige, die mit Sport anfangen, um ihr Gewicht in den Griff zu kriegen und so phasenweise nicht nur dick, sondern zugleich muskulös sind. Oder wird jeder in einen Wassertank gesperrt, um den Körperfettanteil zu ermitteln? Wie oft passiert sowas dann? Man muss ja immer damit rechnen, dass der Bürger beim Weihnachtsbraten einmal zu oft zuschlägt und was ist mit denen, die ihr Gewicht reduzieren?
Staatliche Entsolidarisierung
Es zeigt sich, wie absurd die Diskussion ist, zumindest dann, wenn die Akteure staatlicher Natur sind. Niemand hat die Chance, aus diesem System auszubrechen und am Ende wird es immer wildere Gründe geben, warum jemand mehr zahlen soll. Sie essen salzreich? Das erhöht den Blutdruck. Sie trinken am Wochenende gerne Bier? Lebererkrankungen gehen ab sofort auf Ihren Nacken. Mit dem Auto zur Arbeit? Das Unfallrisiko steigt, macht dann fünfzig Euro extra.
Die gesetzlichen Krankenkassen orientieren sich am Solidarprinzip und das sollten sie auch weiterhin tun. Wenn Millionen von Nichtbeitragszahlern von der gesetzlichen Krankenkasse profitieren, dann müssen es auch die Raucher, die Dicken und die Sportler tun.