Das letzte Kapitel der letzten Generation

Die Geschichte der letzten Generation ist nicht nur eine Geschichte der Radikalisierung, sondern auch eine des politischen sowie medialen Versagens. Aber es ist eben auch eine Geschichte, die sich dem Ende neigt.

Sollten Sie jetzt den Impuls verspüren, mir zu widersprechen, kann ich das durchaus verstehen. Doch ich bitte Sie, mir einen Augenblick Ihrer Zeit zu schenken. Sollten Sie dann immer noch anderer Meinung sein, Teer und Federn gibt es in jedem gut organisierten Baumarkt und Bettenfachgeschäft.

Das erste Kapitel dieser Geschichte dürfte wohl nur interessierten Social-Media-Nutzern bekannt sein. Damals trat die Organisation noch unter dem Motto „Essen retten – Leben retten“ auf. Eine Gruppe idealistischer Aktivisten hatte sich zum gemeinsamen Containern zusammengeschlossen. In den Abendstunden machte man sich an Supermarktcontainern zu schaffen und rettete Lebensmittel, die den Anforderungen für den Einzelhandel nicht mehr genügten. Diese wurden in Videos, aber auch an öffentlichen Infoständen präsentiert und man richtete sich primär über die Social-Media-Plattform Twitter an die Bundesregierung und forderte eine nachhaltigere Landwirtschaft sowie einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln.

Die Medien nahmen von den Aktionen wenig Notiz. Auf Twitter wurde die Gruppierung von einigen belächelt, von anderen ermutigt. Soweit, so harmlos. Als Zuschauer vom Seitenrand war das manchmal unterhaltsam, in der Regel aber ziemlich unspektakulär, und das haben wohl auch die Aktivisten erkannt.

Vom Essen zum Hungern

Erste größere Popularität erntete die Gruppe im Sommer 2021. Am 30. August traten sieben Menschen in einen Hungerstreik. Dafür errichteten sie ein Zeltlager im Berliner Regierungsviertel. Man forderte ein sofortiges Gespräch mit den damaligen Kanzlerkandidaten Baerbock, Scholz und Laschet sowie das Versprechen, dass die neue Bundesregierung einen Bürgerrat, der sich die Klimakrise zum Thema macht, ins Leben rufen würde.

Während vereinzelte Medien den Hungerstreik aufgriffen, machte die Politik erste Fehler. An Tag neun des Hungerstreiks rief Annalena Baerbock bei den Streikenden an und bat um Beendigung desselbigen. Die Büchse der Pandora war geöffnet. Medien griffen die Reaktion der damals noch möglichen Bundeskanzlerin in spe auf und das Medieninteresse stieg. 

Zwei Tage zuvor hatte bereits die damalige Vizepräsidentin des Bundestages Petra Pau (Linke) mit MdB Friedrich Straetmanns (Linke) die Hungernden besucht. Es folgten Beendigungsforderungen der anderen beiden Kanzlerkandidaten, ein Besuch von Robert Habeck und schließlich ein Telefonat mit Olaf Scholz, der den Streikenden ein öffentliches Treffen nach seiner Wahl versprach.

Die Gruppierung hatte gelernt, dass ihr radikales Vorgehen Aufmerksamkeit bringt und es kam zur Podiumsdiskussion mit dem Bundeskanzler. Für den objektiven Zuschauer war klar, dass es sich bei Scholz’ Offerte um ein vergiftetes Angebot handelte, ging es doch nur darum, den Streik zu beenden, um unkalkulierbare Risiken im Wahlkampf zu vermeiden. Die Mitglieder des Hungerstreiks hatten das Manöver jedoch nicht erkannt und waren sichtlich enttäuscht.

Radikaler werden!

Aus dieser Bewegung wuchs die letzte Generation und man tat das, was man gelernt hatte: Sei radikal und du bekommst Aufmerksamkeit. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine stellte sich die Bewegung gegen den Verbrauch fossiler Brennstoffe. Die Mitglieder der wachsenden Gruppe begann Autobahnen zu blockieren. Nur passierte etwas, womit niemand gerechnet hatte: Niemand interessierte sich dafür. Die Wahlen waren vorbei, die Bundesregierung längst gebildet und die Aktionen von der Polizei meist schnell beendet.

Die Antwort? – Radikaler werden! Statt sich nur auf Autobahnen zu fokussieren, nahm man Zufahrtsstraßen des Hamburger Hafens und von Flughäfen ins Visier. Auf Twitter kündigte man das Eindringen in die Sicherheitszone von Flughäfen an, um dort Ballons steigen zu lassen und den Flugverkehr zu stören. Die Polizei vereitelte diese Aktion.

Weil die Straßenblockaden ach zu schnell beendet werden konnten, ging man dazu über, sich mit Sekundenkleber auf die Straßen zu kleben, was aufwendige Einsätze nötig machte und die Blockaden verlängerte. Man kippte Öl auf die Straßen und im Rahmen einer solchen Aktion kam es zum ersten Mal zu Personenschaden. Vier Radfahrer stürzten und verletzten sich.

Aber auch das brachte nicht die gewünschte Aufmerksamkeit. Zwar stiegen die Followerzahlen auf Twitter und die Berliner Justiz zeigte sich bei sämtlichen Aktionen mehr als nachsichtig, doch unterm Strich blieb außer dem Frust der Blockierten und der Social-Media-Häme nicht viel übrig.

Die Antwort? – Radikaler werden! Man begann, Livestreams zu produzieren, wie man sich an Notabschaltanlagen von Öl-Pipelines zu schaffen machte und ab Sommer 2022 ging man dazu über, sich an der Kunst zu vergehen. So klebte man sich an den Rahmen der Sixtinischen Madonna oder während eines laufenden Konzerts an den Dirigentenpult in der Elbphilharmonie.

Fluchtpunkt Terrorismus

Die Gruppe hatte beträchtlich an Größe gewonnen und die Aktionen breiteten sich über das gesamte Bundesgebiet aus. Es kam zu hybriden Aktionen unterschiedlichster Art. Am 31. Oktober 2022 starb eine Frau im Rahmen der Proteste. Ein Rettungsfahrzeug konnte durch die blockierten Straßen nicht schnell genug zum Unfallort gelangen. Unbeeindruckt vom Tod eines Menschen machte die Gruppe weiter, indem sie mit Sitzblockaden und Farbanschlägen auf Parteizentralen von sich reden machte. Am 24. November 2022 drangen einige Mitglieder auf das Rollfeld des Hauptstadtflughafens ein und legten den gesamten Flugverkehr für mehrere Stunden lahm. Am 08. Dezember 2022 gab es eine zeitgleiche Aktion auf den Rollfeldern des BER und des Münchener Flughafens.

Soweit zur Historie. Haben Sie schon Teer und Federn besorgt? Wenn ja, geben Sie mir noch einen Moment. Ich versuche mich kurz zu halten. Versprochen.

Also, wie komme ich auf die Idee, dass das letzte Kapitel der letzten Generation längst eingeläutet ist, während auf Social Media, aber auch in den Medien Begriffe wie „Grüne Armee Fraktion“, „Klimaterroristen“ und dergleichen laut werden? – Na, genau deswegen! Auch ich habe mich schon mehrfach hinreißen lassen, diese Gruppierung als Terroristen zu bezeichnen und ob sie das jetzt sind oder nicht, spielt eigentlich keine wirkliche Rolle. Viel wichtiger ist die Geschichte der letzten Generation. Es ist eine Geschichte ständiger Radikalisierung. 

Am Scheideweg

Jede Aktion verblasst gegenüber ihrer vorgehenden und es ist zwingend nötig, sich weiter zu radikalisieren, um überhaupt noch medial präsent zu sein. Das geht nur über Größe oder über extremes Handeln. Da aber nach dem Eindringen auf eine Flughafenrollbahn selbst die ansonsten wohlgesonnenen Medien vom öffentlichen Rundfunk sich nicht mehr hinter Relativierungen wie zivilem Ungehorsam verstecken können und auch die Innenministerin wie auch Berliner Politiker immer weiter unter Zugzwang kommen, wird es eine Reaktion geben müssen. Und es wird sie geben.

Wenn die Ablehnung der Bevölkerung steigt und die Medien beginnen, ins gleiche Horn zu stoßen, hat kein Politiker mehr die Möglichkeit, sich vor der Lebensrealität zu verstecken, egal wie sehr er mit der letzten Generation sympathisieren mag. Es wird zu einem kollektiven Umdenken kommen, Gesetze werden verschärft, die Töne werden rauer und die letzte Generation wird bekämpft werden.

Hieraus resultieren zwei Möglichkeiten: Die Gruppe macht einfach so weiter und wird nach und nach mit längeren Gefängnisaufenthalten gestraft. Und was auch klar ist: Es werden die Radikalsten sein, die im Gefängnis landen, was zwangsläufig zu einer Entkernung der Gruppe führen wird.

Möglichkeit zwei: Die Radikalisierung schreitet voran. Ich halte das nicht für sonderlich wahrscheinlich, aber man kann auch nicht ausschließen, dass einzelne Mitglieder der Gruppe den Versuch einer grünen RAF unternehmen. Aber auch das ist zum Scheitern verurteilt. Während die Mitglieder der RAF in Zeiten ohne Internet noch die Möglichkeiten hatten, sich zu verstecken, kann der Staat heute auf ganz andere Möglichkeiten zugreifen, um Terroristen zu verfolgen. Zum einen sind die Mitglieder allesamt bekannt, zum anderen sind Barzahlungen von Mieten heute kaum noch möglich und es dürfte auch nicht sonderlich wahrscheinlich sein, dass Mitglieder der Gruppe über die Fähigkeiten verfügen, eine Untergrundarmee aufzubauen.

So oder so, das letzte Kapitel der letzten Generation ist eingeläutet. Lehnen Sie sich zurück, greifen Sie in die Popcorntüte neben sich und genießen Sie die Show.

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13 Kommentare. Leave new

  • Für mich sind das nur verzogene Wohlstandsgören,bei denen die gut verdienenden Eltern bei der Erziehung alles falsch gemacht haben und/oder ehemalige Mobbing Opfer die endlich mal Aufmerksamkeit erhaschen! So größer der Stress der Bevölkerung umso extremer fallen die Gegenreaktionen aus! Es ist nur ein Frage der Zeit wann ein Autofahrer die Nerven verliert und einen von denen über den Haufen fährt! Was haben die sich dabei gedacht? Etwa,dass wir in einer Demokratie leben? Daran kann man die Unreife und die mangelnde Lebenserfahrung erkennen! Das mit der Demokratie ist ein Etiketten Schwindel und das hättet ihr spätestens bei den Corona Protesten erkennen müssen, wo ganz normale Bürger zum Teil Rentner von der Polizei übelst weggeknüppelt wurde! Das nennt man Diktatur und da gibt’s keinen Dialog mit ein paar unreifen Fuzzis,die meinen im Kurzwaschgang die Welt retten zu können! Da sind schon ganz Andere gescheitert! Euren ersten Toten habt ihr ja auf eurer to do Liste, also was wollt ihr noch? Euch wird keiner zuhören, denn so wie euch das vorstellt,ist das gar nicht umsetzbar! Millionen Arbeitsplätze hängen daran und letztendlich haben uns die Fossilien Brennstoffe den Wohlstand gebracht, den auch ihr genießen dürft, aber das ist ja bald vorbei, da sorgen die Grünen schon für, die ihr so fleißig gewählt habt und die gerade unser Land an die Wand fahren! Geht nach Hause und macht was Vernünftiges,da habt ihr mehr von und die Welt auch

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  • Vielen Dank für den schönen Artikel.
    Eine schöne Zusammenfassung und Ausblick.
    Das Kopfkissen bleibt heil.

    Vielleicht sollte man auf den religösen, sektenartigen Aspekt der Bewegung noch eingehen.
    Ich denke die glauben zutiefst, was sie sagen.
    Die Emotionen sind echt.
    Und damit auch die Verzweifelung, wenn weder hier, noch global die Gesellschaft nach ihren Wünschen tanzt.

    Und so lange die Politik eher wohlwollend mit ihnen umgeht, da sie den gesellschaftl.Druck für den stattfindenden Gesellschaftsumbau liefern, wird es neue Teilnehmer und Aktionen geben.
    Es ist für viele ein Ausweg aus der Sinnkrise und Leere des Alltags.
    Zumal sie jetzt Mittel und Wege gefunden haben sich ausreichend zu finanzieren.

    Und wie man auch sieht, sind sie nicht auf ein Thema fixiert, sondern auch dem Gesellschaftsumbau Richtung Sozialismus nicht abgeneigt und haben direkte Überschneidungen zu XR und anderen Gruppen.

    Nun, wir werden sehen.

    Danke für den Text.

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    • Ich bin da vollkommen bei Ihnen. Die glauben, was sie sagen und sie handeln entsprechend. Überzeugungstäter sind leider immer gefährlich.

      Der Raucher

      Antworten
    • Ich sehe das genau so.
      In Gesprächen mit Jugendlichen wird klar, dass diese Klimajünger wirklich daran glauben, dass die Welt kurzfristig untergeht. Schon in der Schule wird die Gefahr gepredigt und als wissenschaftlich bewiesen dargestellt. Auch die Medien mit ihren sogenannten “Umweltredaktionen” leisten ihren Beitrag zur bevorstehenden Apokalypse.
      Diese Klima-Jünger haben wirklich Angst.
      Und diese Emotionen machen sie gefährlich.
      Schuld ist ihrer Meinung nach der Mensch mit seinem kapitalistischen Streben zur Ausbeutung der Umwelt, der Meere und der Tiere. Hier wird der Weg zum Sozialismus geebnet.
      Viel zu lange hat die Politik wohlwollend zugeschaut. Diese Bewegung ist eine Büchse der Pandora.

      Antworten
  • Kaspar Hecker
    12. Dezember 2022 11:23

    Unpopular Opinion: Ich begrüße jede, wirklich JEDE Aktion dieser “Letzten Generation”; von mir aus kann das noch ein Jahr so weiter gehen. Warum? Weil mit jeder dieser Aktionen bei hundert, vielleicht auch tausend Leuten mehr der Groschen fällt: Mit was für hysterischen und hysterisierten Hohlköpfen wir es hier zu tun haben, und zwar nicht nur bei diesen Leuten selbst, sondern eben auch bei den ganzen FFF-Hüpfern, Neubauers, Reemtsmas und letztlich eben auch Grünen(u.a.)-Politikern. Denn die Zielvorstellung teilen diese ja, nolens volens, das können sie nicht verleugnen; nur, daß die Klimakleber das viel offener, zu offen, austragen. Und genau deshalb, wegen dieser Offenheit, werden sie ja auch von den Politikern abgelehnt: Weil sie die Idiotie, aber auch das Ziel der ganzen Bewegung so offen demonstrieren.
    Deshalb: Ein Hurra für jede Aktion, es kann nicht genug davon geben. Sicher: Die wirklich Klimareligiösen wird das nicht erreichen, die finden das gut. Aber, so meine Hoffnung, eben doch den berühmten „Normalbürger“, der vielleicht doch überlegt, ob es das ist, was er will.

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    • Eine wachsende Dynamik halte ich für gefährlich. Ohne Grenzen ist eine Radikalisierung vorprogrammiert, was die Geschichte der Organisation ja zeigt. Bei Ideologen greift keine Vernunft und selbst extreme Gruppierungen wie die RAF hatten einen großen Unterstützerkreis.

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  • Option 3: Die instrumentalisierten Aktivist:innen bemerken irgendwann, dass sie nur von profitorientierten NGOs oder doppelzüngigen Politiker:innen, insbesondere der friedliebenden und umweltverbundenen Grünen missbraucht werden. Schließlich ist Deutschland Dank der Politik eben dieser Partei auf dem besten Weg, die Umweltziele nicht nur zu verfehlen, sondern krachend mit dem Versuch einer Energiewende zu scheitern. Dann hilft nur noch eine grüne Armbinde als Demonstration der moralischen Überlegenheit gegenüber dem Rest der Welt!

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  • Das klingt tatsächlich sehr einleuchtend. Wieder ein sehr guter Artikel, der Sandwirt macht sich gut 👍

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  • Nicht-Raucher
    13. Dezember 2022 23:49

    Was mir hier fehlt, sind die finanziellen und organisatorischen Hintergründe. So hat a) der Aktivistenopa aus der Chemsex-Ecke im Spiegel neulich gemeint, die L.G. ziehe enorme Summen aus “Anti-Repressions-Fonds” an (wenn man dieses merkwürdige Wort googelt, kommt man zu XR und einen ominösen “Umwelt-Treuhandfonds”, der Rechts- und Nebenkosten trägt – woher kommt dessen Geld?). Und b) sind die Proteste Europa- bzw. weltweit koordiniert (Deutschland, UK, Schweden, Spanien, Frankreich, AUS sogar USA), eine Art Franchise-Betrieb unterschiedlicher Namensgebung (“Just Stop Oil” z.B. in UK und AUS) mit sehr ähnlicher Mittelwahl. Wie wird hier koordiniert, wer steuert, wer finanziert?

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  • Rainer Kaufmann
    14. Dezember 2022 4:29

    Bin nicht ganz so optimistisch. Ich denke, die werden den Marsch durch die Institutionen machen, durch den Zeitdruck ziemlich schnell. Dabei werden die die Institutionen nicht langsam durchdringen, die Institutuionen öffnen bereitwillig die Tür. Zu den “Institutionen” zähle ich nicht nur Medien, Parteien, Kultur, Justiz…, sondern auch die Industrie. Die ist so opportunistisch, dass es einem übel werden könnte. Unvergessen, das Angebot von Siemens-Kaeser an Neubauer für einen Sitz im Aufsichtsrat.

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