Beginnen wir mit einem Blick auf den Protagonisten dieses Textes: Tucker Carlson. Wikipedia fasst ihn so zusammen:
„Tucker Swanson McNear Carlson (16. Mai 1969 in San Francisco) ist ein US-amerikanischer Fernsehmoderator und politischer Kommentator. Bekannt wurde er als Gastgeber der CNN-Debattensendung „Crossfire“ und der MSNBC-Show „Tucker“. Von 2016 bis 2023 moderierte er die politische Abendsendung „Tucker Carlson Tonight“ beim konservativen Fox News Channel. Während Carlson zu Beginn seiner Karriere noch liberale Positionen vertrat, rückte er mit den Jahren deutlich nach rechts. Zuletzt machte er durch die Verbreitung verschiedenster Verschwörungstheorien von sich reden – zu Einwanderung, zur Corona-Pandemie, zum Kapitol-Sturm und nicht zuletzt zum Ukraine-Krieg, wobei er Narrative der russischen Propaganda übernahm.
Das Urteil scheint eindeutig, ein Hardcore-Conservative, zumindest aus Perspektive der Liberals. Doch unabhängig davon, wie man ihn bewertet: Carlson ist längst mehr als nur ein Fernsehmoderator. Er ist zur politischen Kraft geworden – zur Medienfigur, die über parteipolitische Grenzen hinaus Wirkung entfaltet. Sein Einfluss auf Donald Trumps politische Kommunikation und seine Rückkehr auf die Bühne ist kaum zu überschätzen. Neben Elon Musk – dessen Plattform X als Sprachrohr der neuen Rechten dient – war Carlson wohl die lauteste mediale Stimme im Trump-Lager.
Er ist dabei alles andere als ein stumpfer Lautsprecher. Carlson versteht es meisterhaft, seine Gäste zum Reden zu bringen. Selbst politische Gegner öffnen sich in seiner Gegenwart, weil die Gesprächsatmosphäre locker, fast intim wirkt – ein seltener Ton in der überhitzten Medienlandschaft der USA.
Jüngstes Beispiel: sein Interview mit Steve Bannon, dem Chefideologen der Alt-Right und langjährigen Schattenmann im Trump-Imperium. In dem Gespräch, das auf tuckercarlson.com zu finden ist, ging es – vordergründig – um den drohenden Krieg gegen den Iran und Trumps Bereitschaft, sich vorbehaltlos an die Seite Israels zu stellen. Doch das Interview war viel mehr: ein Frontalangriff auf die amerikanische Außenpolitik, auf die Medien, auf Fox News – und letztlich auf Trump selbst.
Carlson sprach Klartext: „Ich will mit diesem Krieg nichts zu tun haben,“ sagte er mit Blick auf die eskalierenden Spannungen mit dem Iran. Seine Sorgen gelten nicht Teheran, sondern dem amerikanischen Alltag: Menschen in ländlichen Regionen, die Kredite aufnehmen müssen, um Lebensmittel zu kaufen. Der Fentanyl-Tod ganzer Generationen. Die sinkende Lebenserwartung: „Ich will darüber reden, wie wir die Dollar Stores in Kleinstädten offenhalten – halb ironisch, aber vollkommen ernst gemeint.“
Steve Bannon – nie verlegen um Provokation – hakte nach: Warum werde Kriegsskepsis in den USA sofort als Schwäche oder Feigheit abgetan? Carlson zögerte nicht: Die Schuld trügen die Medien, insbesondere Fox News, wo er selbst zwei Jahrzehnte verbrachte. Dieselben Stimmen, die einst die Invasionen im Irak und in Afghanistan bejubelten, seien nun wieder da – nur lauter und aggressiver.
„Es ist das gleiche Drehbuch“, warnte Carlson und nannte die neuerliche Kriegshetze schlicht „beschämend“.
Was wie eine Fundamentalkritik an der US-Politik klang, war auch ein spürbarer Seitenhieb auf Donald Trump. Der einstige Bannerträger des „America First“-Gedankens habe, so Carlson, seine Grundprinzipien verraten. Statt Isolationismus dominiere nun blinder Schulterschluss mit Tel Aviv – und das auf Kosten der eigenen Nation.
Spätestens seit dem mysteriösen Irkutsk-Zwischenfall, bei dem russische Bomber vermutlich auch mit westlicher Geheimdienstüberstützung angegriffen wurden, ist die innerkonservative Unruhe nicht mehr zu übersehen. Die Frage, ob Trump in die Aktion eingeweiht war oder nicht, steht im Raum. Beide Möglichkeiten sind politisch toxisch.
In der Hoffnung auf außenpolitische Vernunft wandten sich viele Republikaner moderater Prägung der ehemaligen Kongressabgeordneten und Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard zu. Sie gilt als integer, als Stimme der Vernunft – und sie warnte: Der Iran sei weit davon entfernt, eine Atombombe zu bauen. Trump aber ignorierte ihre Mahnungen, wie so viele zuvor.
Carlson, Bannon – aber auch militärnahe Kommentatoren wie Scott Ritter, Douglas Macgregor oder Lawrence Wilkerson – wenden sich zunehmend ab. Sie werfen Trump vor, die Macht des US-Militärs nicht im Sinne amerikanischer Interessen einzusetzen, sondern ausschließlich im Dienste der Regierung Netanjahu: „Letzte Woche warf Carlson Trump öffentlich vor, das Prinzip ‚America First‘ zu verraten, indem er einen neuen Krieg anheizt.“
Trumps Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. In einem Interview mit The Atlantic stellte er klar: „Ich bin derjenige, der das entscheidet.“
Ein bemerkenswerter Satz – und ein einsamer. Denn das Lager der Getreuen bröckelt. Trump verliert nicht nur Stimmen aus der Mitte, sondern auch jene aus der konservativen Intelligenzija, die ihn 2016 mit an die Macht gebracht haben. Die MAGA-Bewegung ist im Umbruch. Und mit ihr: Tucker Carlson.
Carlsons Zweifel sind nicht bloß strategischer Natur, sondern fundamental. Im Hintergrund steht die Frage: Für wen spricht der Konservatismus des 21. Jahrhunderts? Für Israel oder für Idaho? Für das Pentagon oder für die Arbeiterklasse? Für Musk – oder für Main Street?
Amerika ist gespaltener denn je. Und selbst seine Populisten beginnen zu ahnen, dass das Spiel neu gemischt wird.