Mehr Weise in die Politik!

Der politpsychologische Frühstückssmoothie #7

Der aktuelle Zustand unserer Demokratie ist besorgniserregend. Mehr als ein Drittel sind damit unzufrieden, fast 70 Prozent wünschen sich mehr Mitwirkungsmöglichkeiten. Was die Menschen beschäftigt und oft auch wütend macht, ist die Abgehobenheit und Realitätsferne vieler Politiker. 

Dieses Phänomen wird durch die Leichtigkeit einer Politikkarriere von der Uni – oft sogar noch ohne Abschluss – über die Jugendorganisationen der Parteien hin zu schnellen Abgeordnetenjobs erleichtert. Solche Turbokarrieren bestimmter realitäts- und lebenserfahrungsbefreiter Jungpolitiker werden zunehmend zum Problem für die ganze Gesellschaft und die Qualität des politischen Handelns. 

Wenn diese Turbokarrierepolitiker nämlich in Verantwortungspositionen geraten – und das sind sie in der Ampelkoalition massenhaft – zeigt sich der Nachteil eines zu schnellen und wenig fundierten Aufstiegs in die entsprechenden Positionen. Selbstdarstellungsfähigkeiten und rhetorisches Geschick – und wenn es nur die Fähigkeit zum Dauerreden ist – ersetzen keine kognitiven und psychologischen Fähigkeiten zur Politikgestaltung. Erfahrung bei Parteiversammlungen und in Talk-Shows ist keine Garantie für qualitativ hochwertiges, kluges politisches Handeln. Zum guten politischen Handeln braucht es neben interaktiven Basisfertigkeiten, kognitiver Brillanz und Empathie auch Lebenserfahrung. Dahingehend gibt es zunehmend Probleme.

Die Jungen sind überrepräsentiert 

Dass in den letzten Bundestag sehr viele junge Abgeordnete gewählt wurden, ist nicht unbedingt ein Hurra-Ereignis, da eine ähnlich starke Vertretung der vielen Menschen über 70 weder gewünscht noch vorhanden ist. Der Anteil der 18- bis 39-Jährigen in der Gesamtbevölkerung beträgt 22,2 Prozent und wird im aktuellen Bundestag mit 26,4 Prozent der Abgeordneten überrepräsentiert. Der Anteil der Menschen von 70 Jahren und älter beträgt 17,5 Prozent, wird aber von nur 1,4 Prozent der Abgeordneten repräsentiert. 

Es gibt also kein Problem der Überrepräsentation alter, sondern eine eklatante Unterrepräsentation älterer Menschen. Sie haben 12-mal weniger Abgeordnete, als ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. 

Dies widerspricht völlig den medial immer wieder vermittelten Eindrücken, dass in der Politik eine Gerontokratie herrsche. Vielmehr sind es die jungen und „mittelalterlichen“ Jahrgänge (zwischen 45 und 65), die eine zu starke Dominanz aufweisen. 

Vielleicht ist die schiefe Altersverteilung im Parlament mit ihrem Hype für Jugend, dem latenten Jugendwahn, und der Ablehnung des Alters, der latenten Altersdiskriminierung, eine entscheidende Mitursache für die mangelnde Qualität in der Praxis der Politik.

Dass dieses krasse Missverhältnis nicht kritisiert wird (andersherum wäre dies längst der Fall), kann nur an dem negativen Bild des Alters und der Alten liegen, das in weiten Teilen der Bevölkerung – und noch mehr in den Medien – vorherrscht. Dem Alter wird automatisch ein negatives Attribut, der Jugend ein positives angeheftet. 

Durch Leistungen oder Qualifikation erworbene Kompetenz sollte gerade in der Politik mehr zählen als der vordergründige Glanz der Jugend. Gerecht wäre eine geschickte Balance zwischen den Altersgruppen, ohne dass ich einer Quotierung das Wort reden will. So etwas wäre das Ende einer jeden lebendigen Demokratie und würde zurück in eine tribalistische Ständegesellschaft führen. Aber eine stärkere Repräsentation der älteren Menschen aus der Bevölkerung würde mit höchster Wahrscheinlichkeit zu mehr Weisheit in der Politik führen. 

Nun korreliert Weisheit zwar nur schwach mit Alter, aber bei der Auswahl der richtigen würde sich der Effekt verstärken. Dies war übrigens eines der Erfolgsmerkmale der athenischen und frühen römischen Demokratie, die Herrschaft der Weisheit. 

Mehr Weise, weniger Showtalente!

Die Parteien sollten mehr kompetente Personen in die Politik bringen, wenn sie nicht noch mehr Staats- und Demokratieverdruss erzeugen wollen. Es braucht mehr weise und zivilcouragierte Menschen in den Parlamenten und weniger Selbstdarsteller und Showtalente. 

Die Politik ist ohnehin schon ein Tummelplatz für narzisstische Persönlichkeiten. Wenn dies einigermaßen unter Kontrolle bleibt, ist es oft noch vorteilhaft. Der Narzissmus darf aber keineswegs die dominante Persönlichkeitseigenschaft eines Politikers sein. Eine politische Person muss nicht unbedingt Tanzvideos produzieren können, sondern sollte die Zukunft des Landes verantwortlich mitgestalten können. Dafür braucht sie die schon erwähnten Fähigkeiten rund um Kognition, Interaktion, Mut und Empathie. 

Alle sollten sich auf die persönlichen Qualitäten der Politikerinnen und Politiker konzentrieren, die sie wählen. Listenwahlen sind dafür denkbar ungeeignet. Wenn ältere Menschen lebenserfahren, mutig und klug, also weise, sind, können sie für die Politik Bestes leisten. Sie gehören in höherer Zahl in die Parlamente. Und – wenn sie mögen – können sie dann gerne auch Tanzvideos produzieren.

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