Mia: das Skandalurteil

Was der zur Tatzeit zwölfjährigen Mia in Wien widerfahren ist, mag ich mir als Vater zweier Töchter nicht vorstellen. Deshalb eine «Trigger-Warnung» – das was jetzt folgt, kann aufwühlen, Gefühle verletzen und verstören.

Am 7. Januar 2025 sprach ein Schöffengericht in Wien, bestehend aus zwei Berufsrichtern und zwei Schöffenrichtern ein «Skandalurteil», wie sich die Moderatorin der Tageszeitung „Österreich” im Gespräch mit meinem Anwaltskollegen Sascha Flatz echauffierte. Kollege Flatz vertritt die Geschädigte «Mia» (der Name des Mädchens wurde von den berichterstattenden Redaktionen geändert).

Fünf Monate Martyrium für eine 12-jährige 

In der Tatzeit von Februar bis Juni 2023, also über fünf Monate, verstricken mehrere junge Burschen im Alter von 13 bis 19 Jahren die damals Zwölfjährige in ein Geflecht von Übergriffen, Demütigungen, Erpressungen und Freiheitsentziehungen. Von «Gruppenvergewaltigung» und von Erpressung mit Videos ist die Rede. Diese Videos hatten die jungen Männer auf ihren Handys und wie Trophäen ihrer Abartigkeit dort gespeichert und untereinander geteilt.

Zum Zwecke der Tatbegehung hatten die hormonell übersteuerten Tatverdächtigen die zwölfjährige Mia in Parkanlagen, Stiegenhäusern, Toilettenräumen und auf dem Oberdeck eines Parkhauses zu sexuellen Handlungen gezwungen und sich selbst an dem Mädchen vergangen. In mindestens einem Fall sollen die jugendlichen Täter extra ein Hotelzimmer für ihr verwerfliches Treiben angemietet haben. 56 Euro soll das Hotelzimmer gekosten haben. 

Ein «echtes Schnäppchen» für die jugendlichen Täter. In ein Bordell wären sie nicht eingelassen worden. In diesen Hotelzimmern hatten die Tatverdächtigen mit weiblichen Minderjährigen, teils auch zu mehreren, sexuell zu schaffen, will die BILD-Zeitung aus den Ermittlungsunterlagen wissen. 

30 Tatverdächtige, ausschließlich Migranten – auf freiem Fuß

Die bisher ermittelten Namen, Alter und Herkunft der Tatverdächtigen hat die BILD-Zeitung veröffentlicht. Diese Angaben bedienen alle Vorurteile über Migrationskriminalität. Die Tatverdächtigen jungen Männer stammen aus Syrien und der Türkei, Bulgarien, Italien und aus Nordmazedonien.

Die Polizei konnte 17 Tatverdächtige ermitteln. Nach weiteren 13 Personen wird gesucht. Es geht also um eine Gruppe von bis zu 30 Tatverdächtigen.

Diejenigen, die zunächst auch verhaftet und von der Polizei verhört worden waren, kamen alle wieder auf freien Fuß. Angeblich bestand keine «Wiederholungsgefahr».

Dass die Tatverdächtigen die Zeit bis zu einem Prozess nutzen könnten, um ihre Aussagen inhaltlich abzustimmen, auf diesen Gedanken, scheint man in Wien nicht gekommen zu sein.

Auf den Handys der Tatverdächtigen finden die Ermittler verschiedene Videos. Darauf zu sehen: blutjunge Mädchen, an denen sexuelle Handlungen vorgenommen werden, obwohl sie deutlich «Nein» sagten.

Tatsachengeständig und dennoch Freispruch

Wegen des Tatvorwurfs der Vergewaltigung auf dem Oberdeck eines Parkhauses hatte das Landesgericht Wien im Dezember letzten Jahres einen 16-jährigen Syrer und jetzt Anfang des Jahres auch einen weiteren Tatverdächtigen im Alter von 17 Jahren – manche Medien berichten, er sei Syrer, andere schreiben, er sei Bulgare – freigesprochen. 

Dabei erstaunt, überrascht und empört der Freispruch in mehrerlei Hinsicht.

Der 17-Jährige zeigte sich «tatsachengeständig», mit anderen Worten, er räumte den objektiven Tatbestand ein: Er soll von der zwölfjährigen nach einem einvernehmlichen Kuss Oralverkehr gefordert haben, den das Mädchen abgelehnt hat.

Strafbarkeitslücke oder falsche Rechtsanwendung?

Nach der Urteilsbegründung hatte das Landesgericht Wien Zweifel an der Aussage des Opfers und eines Belastungszeugen. Der Belastungszeuge bekundete, dass der 17-jährige und das Opfer ihm übereinstimmend von Gewalt berichtet haben. 

«Ja, sie wollte nicht, ich musste sie zwingen», dabei habe der Tatverdächtige das Opfer ausgelacht, zitiert heute.at eine Aussage. Das Landesgericht Wien glaubte beiden nicht.

Die Vorsitzende Richterin wird mit den Worten zitiert, es habe sich um «zwei sehr junge Menschen gehandelt, die wenig Erfahrungen mit Sexualität hatten», sie verneint die tatbestandlich erforderliche Gewaltanwendung.

Wenig Erfahrung mit Sexualität? Das will ich bei einer zwölfjährigen hoffentlich annehmen. Auf die Frage, ob die zwölfjährige Gewalt richtig einschätzen oder wahrnehmen konnte, ist «sexuelle Erfahrung» doch ohne Belang – oder gestattet die Vorsitzende Richterin hier unfreiwillig verstörende Einblicke in ihr eigenes Verständnis von einvernehmlicher Sexualität? Ein bisschen Gewalt gehört dazu?

Auch die Staatsanwaltschaft versagt

Die Staatsanwaltschaft betonte im Schlussplädoyer das «Nein» des Opfers – wer sich darüber hinwegsetzt, der macht sich strafbar. Daran sollte kein Zweifel bestehen!

Zwischenzeitlich war zu erfahren, dass die Staatsanwaltschaft Wien gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel einlegt. Das kommt einem Versagen der Staatsanwaltschaft gleich. Denn wenn es um die Glaubwürdigkeit von Zeugen geht, darf man nicht in der ersten Tatsacheninstanz aufgeben, wenn das Erstgericht den eigenen Ermittlungsergebnissen und Argumenten nicht folgt. Der skandalös anmutende Freispruch ist damit rechtskräftig, denn die Geschädigte hat nach österreichischem Recht keine Möglichkeit gegen den Freispruch selbst ein Rechtsmittel zu ergreifen.

Dringender Änderungsbedarf

Neben dem skandalös anmutenden Freispruch gibt es weitere störende Details, die zum Umdenken auffordern und Gesetzesänderungen nahelegen sollten:

Der Gewaltbegriff: Die Annahme des Landesgerichts, dass es alleine auf körperliche Gewalt ankäme, ist verfehlt. Auch eine psychische Einwirkung auf das Opfer ist Gewaltanwendung. Denn es ist gleichgültig, ob der Widerstand des Opfers durch von außen einwirkende körperliche Krafteinwirkung überwunden wird, oder durch psychischen Zwang und Druck, der das Opfer lähmt, blockiert und widerstandsunfähig macht.

Die Rolle des Opfers im Strafprozess: Der Privatbeteiligte in Österreich, vergleichbar dem Nebenkläger in Deutschland und dem Privatkläger in der Schweiz, kann kein Rechtsmittel einlegen gegen Schuldspruch oder Freispruch des Angeklagten. Dies beschneidet die Wahrnehmung der Rechte eines Opfers unangemessen (§ 366 Abs. 2 österr. StPO).

In Deutschland und in der Schweiz kann der Neben- oder Privatkläger selbständig ein Rechtsmittel einlegen, unabhängig von der Staatsanwaltschaft.

Strafmündigkeit: Im Fall der zwölfjährigen Mia sind einige Tatverdächtige noch nicht strafmündig. In Österreich und in Deutschland liegt die Grenze zur Strafmündigkeit bei 14 Jahren, in der Schweiz bei zehn Jahren.

Die Gesetzgeber in Wien und Berlin sollten sich dringend am Schweizer Vorbild orientieren! Die Schere zwischen biologischer Reifung und charakterlicher und persönlicher Reife geht weiter auseinander. Der Fall von Mia in Wien aber auch der Fall von Luise in Freudenberg macht eine Gesetzesänderung dringend erforderlich. Die Gewaltbereitschaft bei jungen Menschen ist hoch, die Straftaten von unter 14-Jährigen haben signifikant zugenommen.

Zu selten lassen die Parlamentarier ihren Betroffenheitsreden auch Taten folgen und ändern Gesetze, auch wenn es dringend angezeigt wäre.

Das Strafmaß: Im österreichischen Strafrecht werden die Höchststrafen aus dem Erwachsenenrecht für das Jugendstrafrecht «halbiert». Im Höchstmaß bleiben für die Einzeltaten damit siebeneinhalb Jahre. In Spanien wurden im Mai 2024 vier Männer wegen einer Gruppenvergewaltigung einer 15-jährigen zu insgesamt 138 Jahren Haft und 100.000 Euro Entschädigung verurteilt.

Das Jugendstrafrecht zielt auf Erziehung und Resozialisierung. Damit scheiden hundertjährige Haftstrafen von vorneherein aus – ob die standardisierte Halbierung des Strafmaßes in Österreich hingegen zeitgemäß ist, darüber sollte zu reden sein.

Der verstörende Freispruch in Wien betrifft einen Tatvorwurf von vielen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte in Österreich über das Schicksal der Gewalttäter von Mia noch nicht das letzte Urteil gesprochen haben.

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1 Kommentar. Leave new

  • Paul Mittelsdorf
    19. Januar 2025 14:01

    Solche Urteile gehen, wie in England und auch in Deutschland, in eine eindeutige Richtung: Bestimmte Ausländer haben bei schweren Taten einen Freifahrtschein. Bei österreichischen Tätern wäre hier ein ganz anderes Urteil gesprochen worden. Warum das so ist? Wahrscheinlich ein Mix aus Sympathie für die Täter, Ablehnung derjenigen, die harte Strafen fordern, Angst vor der Gewaltbereitschaft der Familien jener, die man verurteilen sollte und ebenfalls Angst davor, daß man damit politisch den „Falschen“ in die Hände spielt. Alles Anzeichen eines absolut kaputten Rechtssystems, was in keinerlei Weise mehr ein Vorbild ist, sondern mittlerweile selbst eher ein Verteidiger des Unrechts geworden ist.

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