Na Servus! – Das war der Mai 25

Diesen Text gibt es auch als Video mit Wolfgang Herles im Televisor des Sandwirts: Hier.

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Um ein Haar hätte die Wahl des deutschen Bundeskanzlers länger gedauert als die des Papstes. Vier Wahlgänge hätte man auch Friedrich Merz ohne Weiteres zugetraut, oder? Das wäre ein spannendes Rennen geworden: Erster Wahlgang, Bundestag, 6. Mai. – Erster Wahlgang, Konklave, 7. Mai. Wer liefert zuerst? Die Volksvertreter den Kanzler? Oder die Kardinäle den Gottesvertreter auf Erden? 8. Mai: Habemus Papa! So lange hatte der Kanzler nicht warten wollen. So hat er bereits am 6. Mai im zweiten Wahlgang doch noch die erforderlichen Stimmen für sich zusammengekratzt, wenn auch nur, weil die in Teilen gesichert Linksextremen den Wahlgang ausnahmsweise zugelassen haben. Der Heilige Geist kann ja nicht überall gleichzeitig sein. Daran wird es gelegen haben. Quem jucket, wie man im Bundestags-Konklave sagt.

Der Unterschied zwischen Pontifex Maximus und Kanzelarius Minimus besteht darin: Während ein Papst mit dem ersten Schritt auf den Balkon mit der vollen Autorität seines Amtes auftritt, muss sich der Kanzler dieses Ansehen erst noch erwerben, falls es ihm gelingt. Ein Kanzler ist nach der Wahl noch kein wirklicher Kanzler, auch wenn er sich gleich einen neuen Namen gegeben hat: Pinocchio II. Die Nase von Merz war schon vorher gewachsen und das Vertrauen in ihn zugleich immer kürzer geworden. Das Format der Nase eilt dem Format des Regenten voraus. 

In seiner ersten Regierungserklärung blieb Friedrich Merz so seltsam vage, dass man schon vergaß, was er gesagt hat, während er noch sprach. Andere Regierungserklärungen landen in den Geschichtsbüchern. Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ zum Beispiel. Bei Merz waren es, wenn überhaupt, zwei Sätze, ein sympathischer und ein unsympathischer. Der auf den ersten Blick sympathische lautet: Wir streben kein ideologisches Großprojekt zur Veränderung unserer Gesellschaft an. Super. Jetzt müsste nur noch Schluss sein mit der großen Transformation, die den meisten Deutschen seit mehr als einem Jahrzehnt auf den Nerv geht.

Allein, es fehlt, anders als beim Papst, der Glaube, in diesem Fall der Glaube an die Vernunft als Maßstab der Politik. Was also will uns der Kanzler sagen, wenn er sagt, wir streben kein ideologisches Großprojekt an? Dass er sich um ein wenig mehr Pragmatismus bemüht? Der erste Eindruck ist: Er drückt sich um Widerstand gegen den Kulturkampf der Linken herum, nach dem Motto: Bloß keinen Ärger! 

Sein unsympathischer Satz, der lautet: Der Staat, das sind wir alle. – Falsch. Falsch! Für jeden halbwegs mündigen Bürger steht doch fest: Der Staat ist der natürliche Feind des aufgeklärten Individuums, das ohne Anleitung von oben seinen Verstand gebrauchen will. Oder anders formuliert: Wir wissen immer noch nicht, was künftig normal sein soll. Soll wieder gelten, was früher einmal normal war? Oder gilt das „neue Normal”, von dem spätestens seit Corona auch die C-Parteien schwadroniert haben? Was in diesem Land ist eigentlich noch normal? Das fragen sich auch die vielen Deutschen, die es sich leisten können, Deutschland den Rücken zu kehren. 

Der neue Kanzler gibt im Mai ganz überwiegend den Außenkanzler. Er hat jetzt sogar die Handynummer von Trump. Wenn er jetzt auch noch das Ohr des um sich selbst kreisenden großen Disruptors hätte oder gar das von Putin! 

Das neue Normal der Weltpolitik erinnert an Jurassic Park – Science Fiction und Vergangenheit zugleich. Lebende Tyrannosaurier beherrschen die Szene. Aber unsere Demokratie kreist manisch um einen anderen Fressfeind: Anfang Mai hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die größte demokratisch gewählte Partei als gesichert rechtsextremistische Bestrebung hochgestuft. Im Parlament kriegt sie keinen einzigen der ihr normalerweise zustehenden Posten. Tatsächlich glauben Politiker, die sich für Patentdemokraten halten, das Verbot der Konkurrenz könne den politischen Wettstreit ersetzen.

Der Kampf gegen Rechts ist das, was Schwarz-rot im Innersten zusammenhält. Da fragt sich, ob das genügt, und wenn ja, wie lange? Die Brandmauer ist übrigens aus demselben Grund erbaut worden wie einst die Berliner Mauer um zu verhindern, dass die Leute davonlaufen. Die alte Berliner Mauer hat sogar eine Zeit lang funktioniert. Die neue Berliner Mauer gegen Rechts bewirkt das Gegenteil. Die Wähler kommen aus der eingemauerten Demokratie leicht heraus, aber vielleicht nie wieder hinein.

Na Servus!

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