Künstler: Nathan Davis
Album: If (Tomorrow International 1976)
Seit über 40 Jahren bin ich bereits leidenschaftlicher Plattensammler. Früher war das auch Mittel zum Zweck, denn seit den 80er Jahren habe ich nebenbei regelmäßig in Clubs und auf Veranstaltungen aufgelegt. Dafür benötigte ich eine vielseitige Musikauswahl. Heute lege ich eher selten auf, aber die Liebe zum Vinylsammeln ist geblieben.
Es gibt verschiedene Arten von Schallplattensammlern, die einen gehen eher mit Messi-Methoden vor, besuchen jeden Flohmarkt, jede Börse, jeden Plattenladen und nehmen alles mit, was ihnen nur im entferntesten brauchbar erscheint. Dann gibt es den Investmentsammler, der Typ Schallplattennerd, der in erster Linie rare Scheiben hortet die er günstig einkauft, die aber sehr schnell unfassbar teuer werden. Und es gibt den Musiksammler, der nur Platten kauft, die er besonders gut findet, wobei der Preis hier eher nebensächlich ist. Zu letzterer Gruppe zähle ich mich. Das Album kann einen Euro oder 100 Euro kosten, ich versuche es zu ergattern, wenn ich es richtig gut finde.
Nichtsdestotrotz habe ich heute eine Vinylscheibe auf dem Plattenspieler, die derzeit im Original für etwa 500 Euro gehandelt wird. Auch ein Musiksammler wie ich freut sich natürlich, wenn eine Langspielplatte im Regal über die Jahre an Wert zugelegt hat. Gerade in Zeiten drohender Armut im Rentenalter kann eine gute Plattensammlung später einmal die Haushaltskasse aufbessern. Vorausgesetzt man kann sich überhaupt davon trennen und ist entsprechend gut mit dem schwarzen Gold umgegangen.
Aber zurück zum wunderbaren Album, das sich heute auf dem Teller dreht: „If“ von einem überragenden Musiker namens Nathan Davis aus dem Jahr 1976. Während mir die Musik seltener Platten damals oft entgangen ist, weil ich das Vinyl nirgendwo ergattern konnte, stehen uns heute fast alle veröffentlichten raren Scheiben der letzten 60 Jahre entweder als Neuauflagen oder zumindest digital zur Verfügung. YouTube, Spotify und Co. sei Dank. Das ist auch bei Nathan Davis so. Das Album „If“ habe ich bereits Anfang der 90er für mich entdeckt und mich damals schon über den Preis gewundert, schlappe 80 DM wollte der Händler dafür, es handelte sich um ein sehr seltenes Stück. Doch das war mir der Hörgenuss dieses besonderen Werkes wert und es gehört bis heute zu meinen absoluten Lieblingsscheiben aus dem Jazzbereich.
Nathan Tate Davis wurde in den 30er Jahren in Kentucky geboren, hat aber eine lange europäische Geschichte, denn in den 60er Jahren verbrachte er, gleich nach seiner Ausbildung am Konservatorium, einige Jahre in Deutschland, wo er seine ersten Platten aufnahm, auf einem Label namens SABA. Ja, das ist die Firma, die der ein oder andere vielleicht noch von den schön designten Fernsehern her kennt. Das war offenbar einmal ein Trend bei Elektronikherstellern, auch ein hauseigenes Plattenlabel zu betreiben. Siehe auch Sony, Telefunken, Philips und andere. Doch ich schweife schon wieder ab.
Neben Berlin verbrachte Nathan auch viel Zeit in Paris, wo er mit Musikern wie Kenny Clarke, Eric Dolphy, Art Blakey, Larry Young und Elvin Jones live spielte und Bühnenerfahrung sammelte. Zurück in den USA bekam er in den 70ern Lehrstühle an Universitäten, gründete sogar einen eigenen Studiengang für Jazz an der University of Pittsburgh, den er bis 2013 leitete, und komponierte bis zu seinem Tod 2018 über 300 Jazztitel.
Einige der besten finden sich auf „If“ wieder. Nathan spielt hier Sopransaxophon, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Flöte, Altflöte, Klarinette, Bassklarinette und, was mich besonders beeindruckt, er hat auch alle Stücke selbst komponiert und produziert. Er beherrscht hörbar die Bandbreite der Blasinstrumente und hat auch mich, obwohl ich nie ein großer Flötenfan war, von seinem Flötenspiel begeistert. Besonders herausragend finde ich aber die Basslinien, zum Beispiel auf dem unfassbar groovigen „Stick Buddy“. Ich hatte bis dato noch keine Bassläufe dieser Art im Jazz gehört.
Alles in allem ein wunderbares Hörerlebnis, das auch Sie sich, sollten sie keine Kopie davon besitzen, nicht entgehen lassen müssen: Denn „If“ von Nathan Davis gibt es in voller Länge hier bei YouTube.
1 Kommentar. Leave new
Klassejazz! Danke für den Tipp. Das Repertoire dieses Musikers ist erstaunlich – und filmtauglich.