No border, no nation, no welfare

Lange stand das Thema Migration in diesem Jahr nicht im Fokus der Medien, bestimmten doch der Ukraine-Krieg und die Energiekrise die Schlagzeilen. Angesichts der Höchststände der Asylzahlen mehrt sich jedoch auch langsam die mediale Berichterstattung. 

In den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 wurden in Österreich knapp 72.000 Asylanträge gestellt. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 waren es ungefähr 89.000 Anträge. Die Top-Herkunftsstaaten sind Afghanistan, Syrien, Indien und Tunesien. Die hohen Zahlen basieren nicht auf den Fluchtbewegungen aus der Ukraine, da Ukrainer gar keinen Flüchtlingsantrag stellen müssen, um Schutz zu erhalten. Der Höhepunkt dieses Jahres wurde im September mit über 15.700 Anträgen erreicht, selbst 2015 wurde diese Zahl in keinem Monat überschritten. 

Aber nicht nur rein zahlentechnisch wurde das Niveau von 2015/16 längst erreicht, auch ansonsten sind die Parallelen unverkennbar: 90 Prozent der Antragssteller sind männlich und 80 Prozent fallen in die Altersgruppe der 14- bis 35-Jährigen. Es sind also weiterhin mehrheitlich junge Männer, die einwandern. Auch eine politische Wende sucht man vergebens. Man baut abermals Zeltlager auf, um die Ankommenden unterzubringen. Migranten werden immer noch nicht an der Grenze abgewiesen und illegale Grenzübertritte, die derzeit hundertfach pro Tag geschehen, nicht geahndet. 

Fehlanreize

„2015 darf sich nicht wiederholen!“ – Wie oft und aus wie vielen Mündern hochrangiger Politiker haben wir diesen Satz gehört? Offenbar war er nicht mehr als eine hohle Phrase, denn die Politiker scheinen nicht willens zu sein, das Versprechen, eine Situation wie 2015 zu verhindern, umzusetzen. 

Ebenfalls nicht willens ist man, zu verstehen, dass sich unbeschränkte Zuwanderung und effektives Anwerben von Fachkräften schwer miteinander vereinbaren lassen. Rolf Peter Sieferle, der mit dem posthum veröffentlichten „Finis Germania“ für einen „Skandal“ sorgte, hatte dies schon 2016 in seinem Buch „Das Migrationsproblem: Über die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung“ analysiert. Die Massenmigration von Unqualifizierten führe laut ihm zu zwei Nachteilen: Einerseits zu höheren Kosten für die belasteten Sozialsysteme und andererseits zu Widerstand in der Bevölkerung gegenüber Ausländern aufgrund dieser finanziellen Ausgaben und anderen Problemen wie der vergleichsweise hohen Kriminalitätsrate unter Zuwanderern. Die extrem hohe Steuer- und Abgabenlast gepaart mit einer immer negativeren Stimmung gegenüber Fremden mache Deutschland für qualifizierte Fachkräfte unattraktiv und diese werden eher Länder wie Kanada oder Australien bevorzugen. Sieferle bricht es auf folgende Formel herunter: „Je mehr Unqualifizierte ein Land aufnimmt, desto geringer ist der Anreiz für Fachkräfte, in dieses Land einzuwandern.“ 

Die Politik der offenen Grenzen hemmt aber nicht nur den Fachkräfte-Zuzug, sie wird sich auf Dauer auch nicht mit dem Sozialstaat vereinbaren lassen. Der Sozialstaat kann nicht grenzenlos wirken und basiert, wie Sieferle ausführt, „in seinem Kern auf Solidarität und Vertrauen innerhalb eines politisch begrenzten, genau definierten Raums, nämlich des Nationalstaats.“ Man müsse laut Sieferle die durch Migration gestiegen Ansprüche an den Sozialstaat kompensieren, indem Sozialleistungen zurückgefahren werden. Da diese Reduktion des Sozialstaats jedoch keine populäre Position darstellt, mit der sich Wähler gewinnen ließen, weiten Politiker die Sozialleistungen weiterhin aus. Damit gewinne die Politik zwar Zeit, aber der Sozialstaat werde auf lange Sicht trotzdem erodieren und der Aufprall umso härter sein. Das ist wahrlich kein schöner Ausblick, aber eben die Folge, wenn man die banale Erkenntnis, dass „no border, no nation” konsequenterweise auch „no welfare“ heißt, ignoriert. 

Den Sozialstaat erhalten

Und dann wäre da noch die Betrachtung des demografischen Wandels hinsichtlich der ethnischen Zusammensetzung der Gesellschaft, die in der öffentlichen Debatte häufig wie ein Tabu behandelt wird. Man muss allerdings ganz wertungsfrei feststellen: Die Gesellschaft altert nicht nur, sie wird auch „bunter“. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) schreibt in seinem diesjährigen Bericht:

„Gerade unter den Jüngeren hat der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in den letzten eineinhalb Jahrzehnten deutlich zugenommen. Während 2005 etwas mehr als jedes vierte Kind unter zehn Jahren einen Migrationshintergrund hatte, trifft dies aktuell auf fast jedes zweite Kind dieser Altersgruppe zu.“

Katrin Göring-Eckhardt hat mit ihrem berühmt-berüchtigten Satz also auf jeden Fall recht behalten. „Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch.“ Ob dies die Menschen auch in Zukunft freuen wird oder ob der Punkt kommt, an dem es ihnen wie in Schweden oder Italien wortwörtlich zu bunt wird, wird sich zeigen. 

Was jedoch klar ist: Eine Abschaffung des heutigen Sozialstaats wird von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung nicht goutiert und würde auf massive Widerstände treffen, die Umverteilung und Sozialhilfen in irgendeiner Form erzwingen würden. Denn ein Modell, das rein auf freiwilliger Solidarität mit Bedürftigen fußt, wäre im Kampf gegen Verelendung wohl kaum ausreichend. Der Sozialstaat soll zwar nicht als Nanny-Staat fungieren, welcher sämtliche Risiken und falschen Entscheidungen abfedert, aber ein Sozialsystem, das Menschen, welche unverschuldet in Not geraten sind, hilft, halte ich für eine unerlässliche Errungenschaft. 

Deswegen sollte man den Sozialstaat wieder verstärkt darauf ausrichten und in Kombination mit einer wirklichen Wende in der Migrations- und Abschiebepolitik, sprich sicheren Grenzen und mehr Abschiebungen als Einreisen von illegalen Migranten stabilisieren. Denn ich bin davon überzeugt: Der hinausgezögerte, aber dafür umso schmerzhaftere Zusammenbruch des Sozialstaats, welcher Chaos und Unruhen verursachen würde, ist nach wie vor die schlechteste aller Optionen. 

 

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