Schuld sind immer die Anderen

Ich wünsche Ihnen allen ein schönes, erfolgreiches und vor allem gesundes Jahr 2023. 

In Deutschland gibt es traditionell drei Institutionen, die unantastbar sind: Die Bundesregierung, der ÖRR und Thomas Gottschalk. Egal, welchen Fehltritt diese drei auch begehen, die Mehrheit der Deutschen wird ihnen dennoch verzeihen. 

Glauben Sie nicht? Als meine Mutter in den 70ern nach Deutschland kam war sie mittelschwer erstaunt, dass es bei Wahlen sowas wie einen „Kanzlerbonus“ gibt. Also quasi einen Vertrauensvorschuss für die Regierung, egal wie schlecht sie regiert hat. Wenn Ihnen das nicht als Argument reicht, dann googeln Sie mal, wie lange die SPD schon im Bundesland Berlin an der Regierung beteiligt ist.

Obwohl der ÖRR Omas als Umweltsäue beschimpft, die Kommentare in den Tagesthemen auffällig einseitig sind und der RBB von einem Skandal in den nächsten stolpert sind die Medienanstalten weiterhin über jede Kritik und jedes Reformvorhaben erhaben. 

Vertiefen will ich das an dieser Stelle nicht. Ich denke, Sie wissen, worauf ich hinaus will.

Erinnern Sie sich noch an die Diskussionen vor einem Jahr? Die Impfpflicht war in aller Munde und hat für einige denkwürdig-gruselige Reden im Bundestag gesorgt. Zusätzlich wurden durch 2G Ungeimpfte weitestgehend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Diejenigen, die diese Maßnahme kritisiert haben, wurden schnell als Querdenker oder als Feinde der Wissenschaft gebrandmarkt. Denn Schuld waren, laut einigen Politikern, Journalisten (vor allem vom ÖRR) und Prominenten natürlich die Ungeimpften selbst. 

Corona ist vorbei

Wie der eine oder andere weiß, hatte ich mal einen Twitter-Account. Allerdings habe ich diesen im Sommer 2022 aufgegeben. In meinen letzten Tagen auf Twitter habe ich mitbekommen, dass der Unternehmer und Lokalpolitiker „Mic de Vries“ eine Aufarbeitung der Coronazeit gefordert hat. Dazu hat er Originalzitate von Politikern, Prominenten und Journalisten gesammelt und auf Twitter veröffentlicht. Interessanterweise wurde daraufhin er angeklagt und nicht diejenigen, die mit zweifelhaften Äußerungen Menschen verunglimpft haben. 

Es ist halt so wie immer im „besten Deutschland aller Zeiten“: Alle sind #TeamWissenschaft, #TeamFakten und #TeamFollowTheScience. Aber nur so lange, wie das eigene Weltbild bestätigt wird. Geht es um Kernenergie, biologische Geschlechter von Säugetieren oder darum, die Pandemie endlich für beendet zu erklären, ist die Wissenschaft auf einmal doch nicht mehr so cool. Da helfen dann auch tanzende ÖRR-Wissenschaftler nicht mehr. Verantwortung für die getätigten Äußerungen möchte auf einmal auch keiner mehr übernehmen. Im Gegenteil, schuldig ist derjenige, der die Zitate wieder ausgegraben hat. 

Auf Intensivstationen spielt indes Corona laut Prof. Gernot Marx (Präsident der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) glücklicherweise keine große Rolle mehr und die Herbstwelle, mit der „gefährlichen Killervariante“, verpuffte ganz ohne Maßnahmen. Ja, Corona scheint endlich vorbei zu sein. 

Diskussionskultur und Soziale Netzwerke

Davon waren wir vor einem Jahr noch recht weit entfernt. Aussagen vieler Journalisten, Politiker und ÖRR-Mitarbeiter über Ungeimpfte und Corona-Demonstranten habe ich heute noch im Kopf. Deshalb finde ich es umso bemerkenswerter, dass die Demonstranten in China, die mit Erfolg gegen die NoCovid-Strategie der Regierung auf die Straße gegangen sind, teilweise von denselben Leuten als Helden gefeiert wurden. Zumal es bis letztes Jahr durchaus auch prominente „NoCovid“-Vertreter in Deutschland gab. Aber davon wollen die wahrscheinlich heute auch nichts mehr hören. Frei nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?! Hass verbreiten dann diejenigen, die auf die Aussagen von damals hinweisen.

Dass die Impfung ebenfalls nicht alles gehalten hat, was sie versprochen hat, sei nur am Rande bemerkt. Zudem wurden einige Maßnahmen von damals als wirkungslos oder gar kontraproduktiv, wie etwa die Maskenpflicht bei Kindern (siehe Zahlen aus den Krankenhäusern), eingestuft. 

Besonders die Schließung von Kitas hat die Gemüter während des Lockdowns erhitzt. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich letztes Jahr dazu eine Diskussion auf Twitter hatte. Schon damals hielt ich diese Maßnahme, genauso wie die Schulschließungen, für kontraproduktiv. Ich habe seinerzeit aus der Sicht eines Pädagogen argumentiert, der vor allem mit Jugendlichen aus prekären Verhältnissen arbeitet und weiß, wie wichtig der Abstand zum Elternhaus manchmal sein kann. 

Die Reaktionen? Von „Kindermörder“ bis „Covidiot“ wurde ich mit allerhand Nettigkeiten aus der selbsternannten rot bepunkteten Humanisten-Bubble bedacht. Aber ja, Hass und Hetze kommt immer von der anderen Seite. Wahrscheinlich war das in meinem Fall auch gar kein Hass und keine Hetze gegen mich, sondern lediglich „klare Kante“ gegen einen gefährlichen „Querdenker“, der nicht die Highlights von ARD und ZDF rezitiert. Natürlich hatte Lauterbach auch wieder ein passende Studie zum Thema parat. Tja, aber heute wissen wir: Die Schließung von Kitas hatte keinen Effekt auf das Infektionsgeschehen. 

Entschuldigungen

Ich bezweifele übrigens stark, dass die Leute, die damals wie wildgeworden durchs Internet gezogen sind, heute irgendwelche Reue verspüren. Längst haben andere Themen übernommen, die möglichst emotional diskutiert werden müssen. Die Stichworte erhalten sie damals wie heute von anderen. 

Interessant finde ich, dass inzwischen vor jedem Hörspiel, dass man sich online anhört ein „Disclaimer“ kommt in dem man sich für mögliche, aus der Zeit des Hörspiels stammende „Diskriminierungen“ entschuldigt. Heutzutage ist man ja viel schlauer und weiß, dass Diskriminierungen falsch sind.

Ob das auch Herr Montgomery, der damals von einer „Tyrannei der Ungeimpften“ gesprochen hat mitbekommen hat? Obwohl wir heute wissen, dass Geimpfte genauso Corona bekommen und weitergeben können, weigert Herr Montgomery sich für seinen verbalen Faux-pas zu entschuldigen. 

Genau da liegt das Problem, wenn man rein wissenschaftsbasiert argumentiert: Die Datenlage kann sich ändern und Ergebnisse herausbringen, die einem dann nicht mehr gefallen. Die Wissenschaft ist nämlich nicht dazu da, neue Wahrheiten zu produzieren sondern, um ständig Dinge in Frage zu stellen. Wenn man nun wirklich #TeamWissenschaft ist, dann kommuniziert man wie ein Mann seinen Irrtum, anstatt stur weiter „den Anderen“ die Schuld zu geben. 

„Mic de Vries“ wurde übrigens wegen „gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten“ angezeigt. Das Anfertigen von Listen ist eben kein Kavaliersdelikt. Außer, wenn es sich um Satire handelt und man für den ÖRR arbeitet. 

Spaltung betreiben immer die anderen

Warum wäre nun eine Aufarbeitung wichtig? Um es klar zu sagen: Es geht nicht darum, Menschen an den Pranger zu stellen. Ehrlicherweise haben wir uns alle irgendwann in der Pandemie mal getäuscht oder geirrt. Wir sind Menschen und keine Maschinen. Das gilt für „Mic de Vries“ genauso wie für Karl Lauterbach, Thomas Gottschalk, Rob Alexander und eben auch für Politiker und (ÖRR-)Journalisten. 

Es wäre folglich schon vollkommen ausreichend, wenn Politiker, Prominente und Journalisten für ihre Fehleinschätzungen kurz um Entschuldigung bitten würden. Der immer noch gespaltenen Gesellschaft würde das enorm guttun. Der Glaubwürdigkeit dieser Berufsgruppen auch. 

Die Glaubwürdigkeit von Politikern und des ÖRR hat in den letzten Jahren sehr gelitten. Die Politikverdrossenheit ist so groß wie nie. Viele enttäuschte Wähler machen entweder ihr Kreuz bei Parteien am äußeren Rand oder sie bleiben gleich ganz der Wahl fern. Dass der ÖRR nicht mehr bei der Bevölkerung ankommt, hat sich inzwischen auch schon bis zum derzeitigen ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow herum gesprochen.

Vielleicht wird ja 2023 das Jahr, in dem wir anfangen, uns zu verzeihen, zumindest manches. 

Oder wir taumeln einfach weiter von Krise zu Krise und geben stets den Anderen dafür die Schuld, dass wir gefühlt seit Jahren nicht wirklich vom Fleck kommen und ständig von einer Empörungswelle zur nächsten schwappen.

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2 Kommentare. Leave new

  • Immo Sennewald
    29. Dezember 2022 12:22

    Rob Alexander hat das Geschehen, insbesondere die Zerwürfnisse der vergangenen drei Jahre, gut zusammengefasst. Er benennt auch die hauptsächlich Verantwortlichen. Sie werden leider weiterhin versuchen, sich herauszuwinden, denn sie fürchten nichts mehr, als den Machtverlust. Statt die eigenen Fehler und Versäumnisse einzugestehen, verschärfen sie den Druck auf die Meinungsfreiheit – einschlägige Gesetze beweisen es. Und es ist gut, dass im Sandwirt erörtert wird, womit Politik und Medien Vertrauen gewinnen können: mit der Konzentration auf Bürgerrechte, auf Selbständigkeit und Eigenverantwortung eines jeden. Möge 2023 dahingehend ein besseres Jahr werden.

    Antworten
    • Rob Alexander
      29. Dezember 2022 16:49

      Vielen Dank!
      Der Zeitgeist ändert sich bestimmt wieder. Es macht durchaus Hoffnung, dass viele junge Menschen den Liberalismus unterstützen.
      Ihnen ein erfolgreiches Jahr 2023!

      Antworten

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