«Sendeschluss» für den ÖRR?

Wenn die Menschen nicht mit einer obligatorischen Gebühr oder mit Steuermitteln dazu verpflichtet würden, Medien zu finanzieren, wäre die Demokratie in Gefahr, so lautet die weitverbreitete Annahme. Die Medien, die wichtige demokratiepolitische Aufgaben zu erfüllen hätten, erhielten dann zu wenig Mittel, um zu überleben. Eine Abschaffung der Zwangsgebühren käme also einem «Anschlag auf die Demokratie» gleich. Dazu komme das aktuelle Zeitungssterben, welches eine staatliche Finanzierung zwingend notwendig mache. Höchste Zeit, sich diese Klischees einmal genauer anzusehen.

Viele Schweizer Stimmbürger glaubten den Gegnern der No-Billag-Initiative (2018), die behaupteten, es käme bei einer Abschaffung der Pflichtfinanzierung zum «Sendeschluss». Das Volksbegehren wurde gar als «Medienzerschlagungs-Initiative» bezeichnet. Radio- und Fernsehsender – so die Argumentation – würden ohne staatliche Subventionen einfach von der Bildfläche verschwinden. Eine von der Bundeskanzlei finanzierte Voto-Studie kam zum Schluss, dass diese Angst vor dem Verschwinden der betroffenen Medien das Hauptmotiv für die Ablehnung der Initiative gewesen sei.

Natürliche Nachfrage nach Information

Bei der von liberaler Seite angestrebten Trennung von Medien und Staat geht es allerdings nicht darum, irgendwelche Medien zu zerstören. Die heute umfangreich oder partiell durch Zwangsgebühren finanzierten Sender dürften selbstverständlich auch nach einer Abschaffung der «Mediensteuer» Sendungen produzieren und ausstrahlen. Sie müssten sich lediglich auf anständige Weise finanzieren: Nämlich, indem sie die Gunst der Kunden gewinnen und diese davon überzeugen, ihre Produkte freiwillig zu beziehen. So, wie das jeder andere private Betrieb auch macht.

Ihre Einnahmen könnten sie nebst der Werbung beispielsweise durch den Verkauf von TV-Abos erzielen, indem sie ihre Angebote verschlüsseln und nur für jene freischalten, die bezahlen. Auch die Finanzierung über Stiftungen oder via Crowdfunding wären denkbar. So schaffte es etwa die Schweizer Zeitung Republik im Jahr 2017, über 3,4 Millionen Franken mittels einer Crowdfunding-Aktion einzunehmen. Weshalb bei den heute mit staatlichen Rundfunkgebühren finanzierten Sendern einfach alle Einnahmen wegbrechen und diese deshalb zugrunde gehen sollten, leuchtet beim besten Willen nicht ein, gerade angesichts der vorhandenen Bekanntheit der Angebote.

Ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung hat das Bedürfnis, sich über die Entwicklungen und Gegebenheiten in ihrer Region, ihrem Land und auf der Welt zu informieren. Es gibt also eine natürliche Nachfrage nach Medienangeboten – ohne, dass man die Bürger dazu zwingen müsste. Wo es eine Nachfrage gibt, da werden aufgrund der Gewinn-Chancen auch Angebote entstehen. Es wird also nicht zu einem Sendeschluss kommen, sondern zu einer effizienteren Allokation der Medienbudgets der Haushalte – nämlich hin zu jenen Medien, die von den Bürgern tatsächlich konsultiert werden wollen, weil sie wertvolle Arbeit leisten.

Gerade privat finanzierte Sender wie Netflix, Amazon Prime, Sky oder DAZN machen vor, wie man sich als audiovisuelle Medien auch auf freiwillige Weise finanzieren kann. Und dies, obwohl sie von den öffentlich-rechtlichen Medien unfair mit Zwangsgebühren-Geldern konkurrenziert werden. Trotz dieser ungleich langen Spiesse schaffen es Privatmedien weiterhin, sich gegen die übermächtige staatsfinanzierte Konkurrenz zu behaupten. Es gibt eine signifikante Nachfrage nach Alternativen zu den staatlichen Angeboten. Kunden fragen Medieninhalte nach, die ihnen auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen offenbar nicht geboten werden.

Markt statt Befehl!

Manchmal wird sogar die absurde Behauptung ins Feld geführt, Medien würden nur deshalb existieren, weil diese vom Staat einen öffentlichen Auftrag erhielten. So als ob Medien nur auf Befehl der Politik nachgefragt würden. So als ob Brötchen nur deshalb gebacken werden, weil Bäckereien vom Staat einen entsprechenden öffentlichen Auftrag zum Brötchenbacken erhalten. So als würden gute Bücher nur deshalb geschrieben, weil die Autoren vom Staat beauftragt worden sind. Der Staat als Quelle aller Inspiration, aller Kreativität – ja als Garant des Seins!

Doch nicht der Auftrag der Politik, sondern vielmehr die Nachfrage der Menschen gibt den Produzenten ein authentisches Signal, welche Produkte gewünscht sind und produziert werden sollen. Existiert eine Nachfrage nach guten Brötchen, Büchern und Fernsehsendungen, so wird es auch ein entsprechendes Angebot geben, ohne dass der Staat ein solches befehlen müsste. Denn genau so funktionieren freie Märkte. Sogar der linke Journalismus-Experte Jeff Jarvis von der City University of New York etwa ist zuversichtlich, dass Medien nicht an einer fehlenden Nachfrage zugrunde gehen würden:

«Ich glaube nicht, dass der Nachrichtenjournalismus gefährdet ist. Es wird immer mehr auf Nachrichten zugegriffen, das Interesse an Nachrichten wächst, der Bedarf wächst, die Möglichkeit, Nachrichten zu teilen, und die Online-Diskussionen über Nachrichten nehmen zu. Ich glaube nicht, dass die Nachfrage das Problem ist.»

Immer wieder wird von Skeptikern behauptet, die Kunden wären höchstens noch bereit, für Sport- und Unterhaltungssendungen zu bezahlen. Doch eine Umfrage von Ernst & Young aus dem Jahr 2017 belehrt diese Kritiker eines Besseren: Die repräsentative Umfrage zeigt, dass auch beim Nachrichtenjournalismus «die Zahlungsbereitschaft der Nutzer tendenziell unterschätzt wird».

Unternehmerische Innovation statt «Bail-outs»

Der Auflagenrückgang bei traditionellen Zeitungen beweist nicht etwa, dass das Interesse an Nachrichten und Hintergrundrecherchen verloren gegangen ist, sondern dass die Form, wie wir Nachrichten konsumieren, sich mit der Digitalisierung gewandelt hat. Es ist an den Verlegern, hier entsprechend zeitgemässe Finanzierungsmodelle zu finden, bei denen das Preis-Leistungsverhältnis aus Sicht der Kunden stimmt. Von der Politik aus nun einen «Bail-out» einzuleiten, hätte gravierende Folgen für die Medienfreiheit und -qualität.

Im Übrigen versteift man sich in der Medien-Diskussion und der Frage, ob eine Abschaffung der Zwangsgebühren eine Gefahr für die Demokratie darstellt, oftmals nur auf staatliche Medien und suggeriert, nur diese würden relevante Informationen zur Verfügung stellen. Doch die traditionell qualitativ hochstehenden Medien sind privat finanziert wie etwa die Neue Zürcher Zeitung. Es existiert daneben ein grosses Nachrichten-Ökosystem – bestehend etwa aus Bildungsinstitutionen, Think Tanks, NGOs und Verbänden – in welchem Informationen entstehen und übertragen werden. Man kann einer moralisch gebotenen Abschaffung der Mediensteuer daher durchaus gelassen entgegenschauen.

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