Silk Road – Drogen im Darknet

„Seit Jahren war ich über die scheinbar unüberwindbaren Hürden der Welt wie sie ist und der Welt, wie ich sie haben wollte, frustriert. Also erstellte ich eine Website, auf der die Menschen alles was sie wollten anonym kaufen und verkaufen konnten. Ich wusste, dass der Staat versuchen würde, das zu verhindern, aber wenn du aus Angst vor Vergeltung nie etwas wagst, hast du schon verloren. Silk Road ist weitaus mehr als dem Boss eine lange Nase zu drehen. Es geht darum, dass wir uns unsere Freiheit wieder holen. Und so abgedroschen das auch klingt: Ich möchte auf mein Leben zurückblicken und wissen, dass ich etwas getan habe was den Menschen hilft.“

Das sind die einleitenden Worte von Ross Ulbricht in dem Film „Silk Road – Gebieter des Darknets“ (2021). Allein der Name, Silk Road – Seidenstraße, suggeriert bereits die Ermöglichung des Handels von Waren aber auch von Ideen. Was Ulbricht im Endeffekt schuf, war eine Darknet-Website, auf der Menschen Drogen kaufen konnten (später auch diverse weitere Produkte wie gefälschte Führerscheine, in geringfügiger Menge Waffen und legale Produkte wie Gemälde, Bücher, Zigaretten, Schmuck und Pornos). 

Gekauft und verkauft wurde in Bitcoin, was aufgrund des zu dem Zeitpunkt stark steigenden Kurses die Schätzung des Umsatzes schwierig macht. Bei 1,2 Millionen Transaktionen wird der Umsatz auf insgesamt ca. 1 Milliarde geschätzt wobei Ulbricht 10 Prozent jeder Transaktion für Silk Road einbehielt. Für einen Großteil der Menschen, die mit illegalen Drogen nicht das geringste zu tun haben, klingt das wahrscheinlich erst einmal ziemlich befremdlich. Daher zur Übersicht erst mal ein paar Grundlagen.

Was ist das Darknet?

Das Darknet, die Schattenseite des Internets, ist für jeden Menschen mit einem Internetzugang durch den TOR-Browser erreichbar. The Onion Router ist ein Browser, der im Gegensatz zu Firefox, Google Chrome, etc. eine Verbindung erzeugt, die die eigene IP-Adresse mittels VPN mehrfach umleitet (Zwiebeln haben Schichten), was es schwierig macht, die Spuren zu einem zurückzuverfolgen. Auf Seiten wie darknetlive.com kann ich nun Links zu diversen Darknet-Seiten oder auch Märkten anklicken und so Zugang zu Informationen erhalten, die im Clearweb nicht verfügbar sind. Das ist zunächst mal noch nicht illegal.

Ein Marktplatz wie Amazon ist eine eingetragene Firma mit einem Impressum, gegen das ich rechtliche Schritte einleiten kann, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Das ist im Darknet logischerweise nicht so einfach. Wie kann ich also ominösen Verkäufern im Internet soweit vertrauen, dass ich bei ihnen reale, physische Produkte kaufen kann? Zwei Punkte: Das need-to-know-Principle (so wenige beteiligte Parteien wie möglich erhalten gerade so viele Informationen wie nötig) und Kryptographie, also Verschlüsselung für den höchstmöglichen Grad an Anonymität. 

Wie funktioniert Kryptographie?

Mit Programmen wie GPG4Win erzeuge ich mir einen privaten und einen öffentlichen Schlüssel. Der öffentliche Schlüssel ist für jeden einsehbar und dient zur Verschlüsselung für genau diese Person, der private Schlüssel dient dazu, dass nur diese eine Person die Nachricht wieder entschlüsseln kann. Wenn ich also bei einem bestimmten Händler ein Produkt kaufen will, verschlüssele ich meine Adresse mit dem öffentlichen Schlüssel des Händlers und nur der Händler ist in der Lage mit seinem privaten Schlüssel den kryptischen Code wieder in eine Adresse umzuwandeln, die am Ende auch der Postbote lesen kann.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert auch Bitcoin sowie andere Kryptowährungen. Weil ich einem Darknet-Händler nicht einfach vertraue und Geld überweise und der Händler mir nicht vertraut, dass ich ihm das Geld überweise, nachdem die Ware angekommen ist, kommt der Marktplatz als Vertrauenspartei selbst ins Spiel. Der Marktplatz erhält die von mir eingereichte Zahlung und gibt sie an den Verkäufer weiter, sobald ich die Bestellung finalisiere, sprich: Wenn das Päckchen bei mir zu Hause angekommen ist. Wenn etwas schief geht, ziehe ich den Marktplatz mit seinen Moderatoren heran, um mich zu beschweren und dann wird abgewägt, wer im Recht ist und wohin das Geld fließt.

Seit Silk Road geschlossen wurde, wurde dieses System auf diversen Darknet-Märkten angepasst und verbessert. Damals liefen noch ein Großteil der Bitcoin-Transaktionen über die Kryptobörse Mt. Gox, heute werden Transaktionen häufiger mit der Kryptowährung Monero (XMR) getätigt, weil diese deutlich höhere Anonymität bietet als Bitcoin. Dass Käufer ihre Händler und deren Produkte bewerten können, schafft abschließend die Transparenz, an der sich neue Käufer orientieren können, wem sie ihr Vertrauen schenken.

Ross Ulbricht – Held oder Verbrecher?

Ross Ulbricht hat selbst keine Waren angekauft und verkauft, sondern lediglich den Marktplatz geschaffen. Dass er damit bestehende Gesetze bricht, war durchaus klar, aber trotzdem hat er dabei seinen moralischen Kompass bewahrt. Moralisch verwerfliche Produkte und Dienstleistungen wie Auftragsmorde und Kinderpornographie hat er von vornherein ausgeschlossen. In seinem Prozess argumentierte er, dass der Drogenhandel durch ihn deutlich sicherer geworden ist und dafür wird er in agoristischen Kreisen auch nach wie vor als Held gefeiert. 

Aber auch die Schattenseiten sollen nicht verschwiegen werden: Bevor das FBI Ulbricht auf die Schliche kam, versuchten zwei Agenten ihn zu erpressen, indem sie sich u.a. als Händler auf Silk Road ausgaben und damit drohten IP-Adressen zu veröffentlichen, die sie selbst aus den Ermittlungsakten entnommen hatten. Durch weitere falsche Identitäten erwarben sie sich bei Ulbricht zunächst das Vertrauen als Auftragsmörder einer Motorradgang und brachten Ulbricht dazu, das Geld für die Auftragsmorde an den Händlern zu bezahlen, von dem Ulbricht glaubte, sie würden ihn erpressen. Die Auftragsmorde geschahen zwar nie, aber Ulbricht befand sich zu dem Zeitpunkt in dem Glauben, dass sie geschehen wären und hatte mehrfach hohe Summen dafür gezahlt. (die ganze Geschichte hierzu finden Sie hier …)

Wer ist Dread Pirate Roberts?

Auf Silk Road gab sich Ross Ulbricht den Nicknamen „Dread Pirate Roberts“, entnommen aus dem Film „Die Braut des Prinzen“ (1987). Der Protagonist des Films erklärt, dass er selbst einfach die Identität des Piraten Dread Pirate Roberts angenommen habe und gibt diese Identität am Ende des Films wiederum an seine Komplizen weiter. 

Auf dieser, etwas merkwürdigen Strategie, basierte auch seine Verteidigung vor Gericht. Er erklärte, er habe Silk Road lediglich gebaut und anschließend an jemand anderes weitergegeben. Deswegen plädierte er auf unschuldig, was die Ermittler durch die Beschlagnahmung seines Laptops jedoch zweifelsfrei widerlegen konnten. Die Idee eines Darknet-Marktes besteht aber bis heute. Ideologisch betrachtet gibt es also heute mehr als einen neuen Dread Pirate Roberts.

Nun sitzt Ulbricht zweimal lebenslänglich plus 40 Jahre im Gefängnis und wird nie wieder auf freien Fuß kommen. Die Richterin statuierte an ihm ein Exempel, das Leute abschrecken sollte. Trotzdem gibt es mehr als genug Nachahmer, in Deutschland z.B. Shiny Flakes. 

Die Absurdität der Prohibition

In Deutschland diskutiert eine Bundesregierung mit einem Koalitionsvertrag von 2021, ob und unter welchen Bedingungen sie im Frühjahr 2024 möglicherweise Cannabis legalisieren wollen. Zehn Jahre zuvor hat Ross Ulbricht dem Staat und der Öffentlichkeit bereits die Absurdität der Prohibition und des Kriegs gegen die Drogen gezeigt. 

Wir können noch ewig weiter Debatten darüber führen, ob es moralisch verwerflich ist, wenn sich mündige, erwachsene Menschen Crack kaufen, ob eine Ausweispflicht in jeder Hinsicht gerechtfertigt ist, ob Menschen das Recht zur Selbstverteidigung durch unregistrierte Schusswaffen haben sollten oder ob Menschen die absurd hohe Besteuerung von Tabak durch Schmuggelware unterwandern können sollten. Oder wir stellen irgendwann einmal fest, dass die Menge an Zwang und Gewalt, die notwendig ist, um diese Nachfrage zu unterdrücken, für eine freie Gesellschaft in keiner Weise mehr verhältnismäßig ist.

Der Schwarzmarkt ist nicht die Lösung. Der Schwarzmarkt verschiebt die theoretische Debatte über Moral und Gesetz lediglich in Richtung Praxis. 

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