Das Spannungsverhältnis zwischen Politikern und Journalisten ist so alt wie die moderne Berichterstattung selbst. Seit jeher treffen die politischen Akteure auf die scharfen, oft kritischen Blicke der Medien, die ihre Macht und Entscheidungen hinterfragen. Lieber hat der politische Akteur die hofierende, glanzlichterne Reportage als die beißende Satire oder peitschende Kritik.
Ein hervorstechendes Beispiel dieser Konfrontation bildet der historische Konflikt zwischen dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß und dem deutschen Polit-Magazin „Der Spiegel” im Jahr 1962, bekannt als „Spiegelaffäre”. Diese Eskalation gipfelte in der Besetzung von Redaktionsräumen und der Verhaftung von Journalisten. Ein Traum vieler Politiker, könnte man sarkastisch anmerken, wurde damit damals Wirklichkeit.
In einer Zeit, in der die Freiheit der Presse als Grundpfeiler der Demokratie gilt, stehen wir dennoch immer wieder vor der Frage: Wie frei ist die Presse wirklich? Udo Ulfkottes Bestseller „Gekaufte Journalisten“ wirft ein düsteres Licht auf die Einflussnahme staatlicher Institutionen auf die Medienberichterstattung. Journalisten sollen, so seine Behauptung, gezielt beeinflusst und manipuliert worden sein. Geheimdienstmitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) sollen ihm in den Journalistenblock diktiert haben, was er zu schreiben und besser nicht zu schreiben habe. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte während der Lehman-Pleite, dass die Medien „Rücksicht“ auf die Regierungspolitik nehmen sollten. Dieses Spannungsfeld zwischen politischer Macht und journalistischer Freiheit bleibt auch heute ein Thema von brennender Aktualität.
Ein Beispiel aktueller politischer Einflussnahme auf Medienschaffende ist die nachgewiesene Zahlung von 1,5 Millionen Euro an Honoraren an rund 200 Journalisten durch die Bundesregierung, wie der Bundestag offenlegte. Über mehrere Jahre, so der Verdacht, haben sich die Regierenden durch Honorare und finanzielle Zuwendungen eine wohlmeinende Grundhaltung bei den Medienschaffenden „erkauft“.
Doch längst nicht alle Zahlungen werden öffentlich gemacht. Die Bundesregierung begründete die Geheimhaltung einiger Zahlungen an weitere Journalisten durch den BND mit dem Schutz des Staatswohls. Die Frage bleibt: Wie unabhängig kann eine Presse sein, die in enger Kooperation mit staatlichen Institutionen agiert, die zu überwachen oder zumindest kritisch zu begleiten ihre Aufgabe wäre?
Was aber passiert, wenn sich ein Journalist weigert, Teil dieses Systems zu sein? Wenn er sich durch Zuspitzung, Kritik oder Satire der staatlichen Einflussnahme entzieht? Die Antwort: Wenn er nicht schon von seinen Kollegen der „Mainstream-Medien“ als Außenseiter behandelt wird, landet er möglicherweise vor Gericht. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität wurde der Straftatbestand der Beleidigung in §188 des deutschen Strafgesetzbuchs erheblich erweitert. Selbst einfache Beleidigungen können nun juristische Konsequenzen haben, wenn sie das „öffentliche Wirken“ eines Politikers erheblich erschweren. In Fachkreisen wird der Paragraf deswegen auch als Straftatbestand der „Majestätsbeleidigung“ verspottet.
In diesem Kontext stellt sich die Frage: Sind unsere Politiker so empfindlich geworden, dass sie scharfe Kritik oder Satire nicht mehr ertragen können? Die Antwort darauf gibt ein Blick auf Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident, und sein Duell mit dem österreichischen Satiriker, Autor und Publizisten Gerald Grosz.
Grosz, ein regelmäßiger Gast in österreichischen Medien, besonders im Privat-TV, ist bekannt für seine scharfen politischen Kommentare. In einem verbalen Duell im Zusammenhang mit der Corona-Politik betitelte Grosz Söder unter anderem als „Södolf“ – eine Anspielung auf die totalitäre Politik eines anderen Österreichers, Adolf Hitler.
Das Amtsgericht Deggendorf verurteilte Grosz wegen Beleidigung, ein Urteil, das er in Berufung angefochten hat. Er hat bereits angekündigt, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, um für die Meinungs- und Satirefreiheit zu kämpfen.
Doch die Eskalation der Wortgefechte zwischen Söder und Grosz ist kein Einzelfall. Söder selbst ist bekannt dafür, im politischen Schlagabtausch keine Zurückhaltung zu üben. So bezeichnete er etwa die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke als „grüne Margot Honecker“, eine Anspielung auf die umstrittene DDR-Politikerin, die wegen Zwangsadoptionen von Kindern von sogenannten „Republikflüchtlingen“ und Regimegegnern der DDR in Verdacht stand. Auch AfD-Politikerin Katrin Ebner-Steiner musste sich von Söder als „Leni Riefenstahl für Arme“ bezeichnen lassen, ein Vergleich mit der umstrittenen Filmemacherin der NS-Propaganda.
Die Doppelmoral in der politischen Rhetorik scheint offensichtlich: Im Bierzelt darf Söder laut eigener Aussage „überzeichnen“. Doch wenn die Satire von einem anderen kommt, wird schnell der Gang vor Gericht angetreten. Kritiker bezeichnen diese unentspannte Haltung des bayerischen Ministerpräsidenten als „Zwiderwurzn“ oder „beleidigte Leberwurst“, um die bajuwarische Direktheit auf den Punkt zu bringen.
Die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere im politischen Diskurs, ist ein zentrales Grundrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass auch polemische und verletzende Aussagen in den Schutzbereich des Grundrechts fallen, solange sie in einem sachlichen Zusammenhang geäußert werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied in der Causa „Oberschlick gegen Österreich“ sogar, dass der Ausdruck „Trottel“, selbst wenn polemisch, in einem politischen Kontext zulässig ist.
In früheren Zeiten zeigte sich die bajuwarische Lebensart in einem gewissen „Leben und Leben lassen“, der „Liberalitas Bavariae“. Ein legendäres Beispiel ist Franz-Josef Strauß, der einem Zwischenrufer 1984 entgegenschleuderte: „Ach, halten’s doch den Mund – Sie Trottel!“ Damit war die Sache erledigt, und niemand zog vor Gericht.
Satire, Kritik und zugespitzte Aussagen sind essentielle Bestandteile einer lebendigen Demokratie. Sie halten den Mächtigen den Spiegel vor – den Narrenspiegel, der am Königshof einst den Hofnarren vorbehalten war. Wenn Markus Söder in diesen Spiegel blicken würde, könnte er vielleicht erkennen, dass es die Strafanzeigen gegen seine Kritiker sind, die ihn und seine Politikerkollegen selbst zum Narren machen.