Eine der grundlegenden Annahmen in allen Diskussionen zum Klimawandel ist, dass es seit 125.000 Jahren noch nie so warm gewesen sei wie heute und es natürliche Schwankungen in den letzten 2000 Jahren nicht gegeben habe.
Die Geschwindigkeit des aktuell zu beobachtenden Klimawandels soll zudem im Vergleich zur vorindustriellen Phase außergewöhnlich sein. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um Fehlannahmen.
So warm wie heute
Der Heidelberger Paläoklimatologe Augusto Mangini hat schon 2007 in einem FAZ-Beitrag klargestellt, dass es auch in vorindustrieller Zeit einen intensiven Klimawandel gegeben hat und es falsch ist zu behaupten, „dass die jetzige Erwärmung sehr viel schneller abläuft als frühere Erwärmungen. Tatsache ist, dass es während der letzten zehntausend Jahre erhebliche globale und vor allem genauso schnelle Klimawechsel gegeben hat, die die Menschen sehr stark beeinflussten.“
In der Tat dokumentieren zahlreiche wissenschaftliche Publikationen (an sechs davon war ich selbst beteiligt), dass die mittelalterliche Wärmeperiode (800-1300 n. Chr.) etwa so warm war wie heute. Noch im 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) von 2013 hieß es auch, dass Nordeuropa damals ähnlich warm war wie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Tatsache ist: Im Übergang der Kälteperiode der Völkerwanderungszeit (300-750 n. Chr.) zur Mittelalterlichen Wärmeperiode stiegen z.B. in der Eifel die Temperaturen innerhalb von 400 Jahren um 4°C, was einer Rate von 1°C pro Jahrhundert entspricht, also ziemlich genau der heutigen Rate.
Temperatursprünge
Dies gilt allerdings nur für die geglättete Temperaturentwicklung. Wenn man die ungefilterten Originaldaten verwendet, erkennt man Temperatursprünge von bis zu 7°C innerhalb weniger Jahrzehnte!
Ähnlich sieht es in der österreichischen Spannagelhöhle in den österreichischen Zentralalpen aus. Dort stiegen die Temperaturen zwischen 750 und 850 n. Chr. um 2°C an.
Rasche Erwärmungsphasen gab es damals auch auf anderen Kontinenten. So schnellten in den Seen des ostafrikanischen Riftgrabens die Temperaturen innerhalb von nur 100 Jahren um 1,5°C in die Höhe. Ein chilenischer See in Patagonien erwärmte sich sogar um 4°C innerhalb eines Jahrhunderts.
Natürliche Klimafaktoren
Es gibt eine Vielzahl von weiteren Beispielen von allen sieben Kontinenten. All diese vorindustriellen natürlichen Klimaschwankungen ereigneten sich bei nahezu konstanter CO2-Konzentration in der Atmosphäre während der vergangenen 10.000 vorindustriellen Jahre.
Es muss also natürliche Klimafaktoren gegeben haben, die in vorindustrieller Zeit regelmäßig klimatische Veränderungen in ähnlicher Größenordnung hervorgerufen haben wie der heutige Klimawandel.
Da davon auszugehen ist, dass diese natürlichen Klimafaktoren nicht einfach zu Beginn der Industrialisierung um 1850 aufhörten zu wirken, sollten sie auch im heutigen Klimawandel eine gewisse Rolle spielen.
Unvollständige Darstellung
Die Klimaberichte aber, die Bundesministerien und Landesregierungen regelmäßig veröffentlichen, um den Klimawandel detailliert zu dokumentieren und entsprechende politische Maßnahmen vorzubereiten, haben eines gemeinsam: Sie beginnen fast alle am Ende der Kleinen Eiszeit um 1850. Den unbequemen vorindustriellen Kontext der mittelalterlichen Erwärmung will man den Bürgern offenbar nicht zumuten.
Stellen Sie sich einmal vor, Ähnliches würde im Geschichtsunterricht in der Schule praktiziert werden. Dann würden die Kinder nichts über die Französische Revolution, die Entdeckung Amerikas oder die erste portugiesische Seepassage nach Indien lernen. Römer, antike Griechen und ägyptische Pharaonen wären ihnen unbekannt. Ganz zu schweigen von der Wiege der Menschheit in Ostafrika und den Steinzeitjägern.
Was im Geschichtsunterricht undenkbar wäre, wird beim angeblich wichtigsten Thema unserer heutigen Zeit aber praktiziert: Die Klimageschichte beginnt erst um 1850. Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen – möchte man das überhaupt?
Vorindustrielles Temperaturniveau?
Wie ist es zu der Begrenzung bei 1850 überhaupt gekommen? Im Rahmen des Pariser Klima-Abkommens vom Dezember 2015 wurde vereinbart, dass die Zunahme der globalen mittleren Temperatur auf deutlich unter 2°C, verglichen mit dem „vorindustriellen Niveau“, begrenzt werden muss und dass man sich bemühen solle, den Anstieg auf 1,5°C zu begrenzen.
Allerdings wurde im Vertragstext versäumt zu definieren, worum es sich beim „vorindustriellen Niveau“ eigentlich genau handelt. Erst im 2018 erschienenen IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Gradziel wurde dies nachgeholt, nachdem die Lücke in mehreren Arbeiten bemängelt wurde. Das „vorindustrielle Niveau“ sei durch die Durchschnittstemperatur des Zeitraums 1850-1900 markiert, legte der IPCC nachträglich fest.
Aber macht das wirklich Sinn? Der genannte Referenz-Zeitraum fällt in die Frühphase der Industrialisierung, als die CO2-Konzentration in der Atmosphäre langsam zu steigen begann. Die „vorindustrielle Zeit“ liegt jedoch in Wirklichkeit vor 1850 und umfasst viele Jahrhunderte und Jahrtausende. Ein „vorindustrielles Temperaturniveau“ würde entsprechend dem Temperaturmittelwert einer längeren vorindustriellen Zeitphase entsprechen.
Wo Klimamodelle scheitern
Doch während die Erwärmung der letzten 150 Jahre von den Klimamodellen in der Regel ohne größere Probleme dargestellt werden kann, können sie die aus geologischen Rekonstruktionen gut belegten Temperaturen der mittelalterlichen Wärmeperiode nicht zufriedenstellend reproduzieren.
Bei näherer Betrachtung verwundert das kaum. In den Simulationen geht der angenommene Einfluss natürlicher Klimafaktoren nämlich bereits vom Ansatz her gegen Null. Allenfalls ein gewisses Maß an unsystematischem Rauschen wird der vorindustriellen Phase in den Simulationen zugebilligt.
Angesichts der durch Paläorekonstruktionen gut belegten systematischen Temperaturschwankungen in vorindustrieller Zeit deutet vieles auf einen klassischen Ansatzfehler in den Modellierungen hin.
Und da die Eichung der Modelle an der letzten Warmphase bisher nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte, sind verlässliche Zukunftsmodellierungen im Prinzip noch überhaupt nicht möglich. Entsprechende Temperaturprognosen bis 2100 sind daher kaum für detaillierte Planungszwecke einsetzbar.
Unüblicher Ansatz
Zusammen mit Sebastian Lüning habe ich 2017 eine Analyse veröffentlicht, in der wir auf Basis etablierter vorindustrieller Temperaturrekonstruktionen die vorindustriellen Temperaturmittelwerte abschätzten. Diese begutachtete Publikation wurde im IPCC-Spezialbericht zum 1,5°C-Ziel sogar zitiert. Das Ergebnis überraschte: Bei Betrachtung der letzten 2000 Jahre lag die mittlere vorindustrielle Temperatur etwa auf dem Niveau von 1940 bis 1970, also deutlich höher als vom IPCC angegeben. Erweitert man den Zeitraum auf die letzten 10.000 Jahre, so liegt der vorindustrielle Mittelwert sogar noch ein paar Zehntelgrade höher.
Der Vergleich der derzeitigen Erwärmung mit dem Referenz-Niveau am Ende der Kleinen Eiszeit vor etwa 150 Jahren ist also wenig sinnvoll, weil diese Zeit eine der kältesten Epochen der letzten 10.000 Jahre repräsentiert. Die Wahl eines Durchschnitts-Basisniveaus nahe dem untersten Extrem einer Verteilung ist in der Wissenschaft unüblich.
Insofern ist das vielzitierte „vorindustrielle Temperaturniveau“ des IPCC fachlich nicht robust und sollte nicht als solches bezeichnet werden. Vielmehr markiert es lediglich den jeweiligen Beginn der Industrialisierung, eines verstärkten CO2-Anstiegs und der meisten instrumentellen Temperaturmessreihen.
Und klimapolitisch macht das erst recht wenig Sinn. Wollen wir wirklich zurück in eine Klimawelt, die von bitterer Kälte und Hunger gekennzeichnet war? Ist ein Niveau von 1950, das etwa 0,4 Grad wärmer war als 1870 und dem Durchschnitt der letzten 2000 Jahre entspricht, nicht viel erstrebenswerter?
Populäre Irreführung
Die Nicht-Berücksichtigung der vorherigen Klimaschwankungen ist auch die Grundlage für die folgende, sehr verbreitete, aber irreführende Streifengrafik, die am Ende der Kleinen Eiszeit um 1850 in tiefem Blau (kalt) beginnt und in der Gegenwart in kräftigem Rot (warm) endet. Kaum eine andere Grafik zum Thema Klimawandel ist so populär, weil sie scheinbar klar das Ausmaß der bedrohlichen Veränderungen zeigt.
So ist es nicht weiter verwunderlich, dass diese Grafik auch auf dem Cover von Greta Thunbergs „Klima-Buch“ (von deren 480 Seiten sie allerdings wohl maximal etwa 50 selbst verfasst hat) zu finden ist, das im Oktober 2022 erschienen ist.
Schwingende Temperaturentwicklung
Eine Erweiterung der Graphik in vorindustrielle Zeiten ist in der von Ed Hawkins erstellten interaktiven Webseite jedoch nicht möglich. So bleibt dem oberflächlichen Betrachter der vorindustrielle Kontext leider verborgen, was zu vorschnellen Schlussfolgerungen einlädt.
Erst bei Berücksichtigung der letzten 2000 Jahre wird die schwingende Natur der Temperaturentwicklung auch visuell wie in der folgenden Abbildung deutlich und die aktuelle Erwärmung in einen sinnhaften Zusammenhang gestellt. Eigentlich müsste diese Grafik das Thunberg-Buch zieren, aber da es um Panikmache geht, kam sie wohl nicht in Frage. Und wir alle können diese Grafik der populären, aber viel zu kurz greifenden ersten Grafik gar nicht oft genug entgegenstellen und sie so viel wie möglich teilen.
Die vorindustrielle Schwankung der Temperatur zeigt uns die Grenzen der Klimamodelle auf. Jede real festgestellte vorindustrielle Warm- oder Kaltphase bereitet ihnen Probleme, denn sie können sie nicht reproduzieren. Sie sind so konstruiert, dass das nicht vorgesehen ist.
Wenn aber Klimamodelle in der Vergangenheit Antworten liefern, die sich nicht im Einklang mit der Realität befinden, sind sie als Prognose-Werkzeug mit großer Vorsicht zu gebrauchen.
7 Kommentare. Leave new
Das „Klima“, also die langjährigen Mittelwerte willkürlich ausgewählter physikalischer Parameter der Gashülle eines Planeten schwanken willkürlich und kennen keine „stabilen“ Punkte. Damit ist das Thema vollständig und final abgehandelt. Außer für Leute bei denen nicht nur ein paar Latten, sondern gleich der ganze Zaun fehlt.
Übrigens kann man die Entwicklung des „Klimas“ nicht „vorhersagen“. Und die Ursache liegt nicht in mangelndem Wissen und mangelnden Daten, auch nicht an den „zu vielen“ Variablen, sondern das ist eine konstituierende Eigenschaft des Systems.
Außerdem ist es völlig sinnlos mit Menschen die nicht rationalitätsfähig sind einen rationalen Dialog führen zu wollen. Und Gläubiger der Klimakirche wird man eben nur wenn man nicht rationalitätsfähig ist.
Man hat die seriöse Wissenschaft spätestens seit dem Ausstieg aus der Kernenergie „wegen“ Fukushima jedem historischen Wissen entzogen. Wenn aber 15jährige in ihrem beschränkten Beobachtungszeitraum behaupten, die Zunahme von menschgemachtem Co2 mit den eigenen Augen sehen zu können, also das Gas!, und die westliche Wertegemeinschaft davor in die Knie geht, dann braucht es auch keine Suche mehr die der Wahrheit verpflichtet ist. Gerade in dieser Situation wünsche ich mir nichts so sehr wie aufgeklärte Eltern die ihre Kinder die Welt erklären wie sie ist. Also keine Eltern1 und Eltern2 die sich zw. gendern und wokesein aufreiben, ihr Geschlecht nicht definieren können und auch Zuhause die Maske nicht abnehmen.
Vahrenholt betreibt die übliche Augenwischerei.
Die von ihm aufgeführten früheren Klimaschwankungen sind allesamt lokale Ereignisse. Vahrenholt weiß ganz genau, dass es beim Klimawandel um die globale Durchschnittstemperatur geht und seine Beispiele deshalb keine Relevanz haben. Er vertraut auf das Unwissen der hiesigen Leserschaft.
Ebenso hat der Referenzzeitpunkt keine Relevanz. Man hätte auch 1950 nehmen können. Das Klimaziele hätte man dann dementsprechend angepasst. Es geht überhaupt nicht um das Klima von 1850 bis 1900, denn niemand (!) fordert, dass man zu diesem Klima zurückkomnen müsste. Es geht einzig und allein darum, denn jetzigen globalen Temperaturanstieg sinnvoll zu begrenzen.
Etwa ein Grad ist es seit den 70ern (!) wärmer geworden. Und es geht nur darum, eine weitere (!) Erwärmung möglichst gering ausfallen zu lassen.
Man könnte auch die jetzige Temperatur als Referenz wählen, denn es geht wie gesagt um die zukünftige Entwicklung. Diesen Sinn hat auch das Pariser Klimaziel.
Man könnte sagen, das Ziel ist, eine weitere Erwärmung um 0,5 Grad zu verhindern.
Man hat sich halt irgendwann mal auf 1850-1900 geeinigt. Es geht einzig und allein um eine Normierung, so wie man beim Maß für Temperatur mal den Gefrierpunkt von Wasser als Nullpunkt festgesetzt hat.
Warum wird hier eigentlich die Verbindung von Vahrenholt mit einem der großen Energieversorger nicht transparent gemacht?
@ „Vahrenholt betreibt die übliche Augenwischerei.“
Sie schreiben: „Die von ihm aufgeführten früheren Klimaschwankungen sind allesamt lokale Ereignisse.“
Können Sie dazu mehr schreiben? Ich habe Aussagen gefunden, die sprechen von einer weltweiten Erwärmung. Hier ein Zitat:
„multifarious evidence of a meteorological nature from historical records, als well as archaeological, botanical and glaciological evidence in various parts of the world from the Arctic to New Zealand … has been found to suggest a warmer epoch lasting several centuries between about A.D. 900 or 1000 and about 1200 or 1300“
aus: „Climate Change, the IPCC Scientific Assessment, Cambridge: University Press 1990, 202“ (Houghton, J. T., Jenkins, G. J., Ephraums, J. J.)
Das verwirrt mich. Wie ist es gekommen, daß man im Jahre 1990 von einer weltweiten Erwärmung ausging, ausgehend von Funden auf verschiedenen Kontinenten, und nun Ihrer Aussage nach der Meinung ist, daß es nur „lokale“ Gebiete betroffen hat?
Vahrenholt sagt doch selbst, auf welche Regionen sich seine Beispiele beziehen. Ee weiß, dass die Leserschaft hier leicht zu beeindrucken ist und keine Rückfragen stellt.
1990 hat man noch keine globalen Rekonstruktionen mit hinreichender Genauigkeit gemacht, und Ihr Zitat nennt ja auch keine konkreten Zahlen. Man konnte bereits den globalen Temperaturanstieg messen, aber auch da brauchte man ein großes Messnetz und gute Modelle, um auf den globalen Mittelwert zu kommen. Das ist nicht trivial. Für frühere Jahrhunderte kommt das Problem hinzu. dass man nicht auf Messstationen zurückgreifen kann. Man muss dann mit Baumringen und anderen Daten arbeiten. Das wurde erstmalig 1999 gemacht, und da nur für die Nordhalbkugel und nur für 1000 Jahre in die Vergangenheit.
Inzwischen hat man sehr viel bessere Rekonstruktionen. Die findet man in allen IPCC-Berichten seit 2000, mit zunehmender Qualität. Es ist klar erkennbar, dass der globale Temperaturanstieg seit den 1970ern einzigartig ist. Es gibt keine vergleichbaren Schwankungen im gesamten Holozän.
Augenwischerei betreibt man erst recht, wenn man behauptet, dass „man“ das Ziel verfolgt – und das überhaupt bewerkstellingen kann – die „weitere Erwärmung um 0,5 Grad zu verhindern“.
Jedenfalls zeigen die historischen Extremschwankungen der Werte des CO2-Gehalts – wie kommt eigentlich ein Gas, das schwerer ist als Luft dorthin? – dass es nicht den behaupteten Effekt haben kann.