Künstler: A Tribe Called Quest
Album: The Low End Theory (Jive Records 1991)
Kraftausdrücke, Ghettosprache, Sexismus, alles typische Merkmale des Hip Hop und vor allem des „Gangsta-Raps“. Aber es geht auch ganz anders. Eine der berühmtesten New Yorker Hip-Hop Gruppen der 90er hatte sich auf die Fahne geschrieben, komplett auf die „dirty words“ zu verzichten und das ohne ihren Inhalten dadurch weniger Ausdruck zu verleihen. Die Rede ist von einer meiner absoluten Lieblingsgruppen der Rapgeschichte, der 1985 gegründeten Combo „A Tribe Called Quest“.
Nicht nur bei mir rangiert die Gruppe ganz weit oben in den Charts der Lieblingsbands, Hip-Hop-Fans aus aller Welt hatten die Musiker aus Queens sofort ins Herz geschlossen. Sie kamen mit dem coolsten Soundmix aus Beats, Jazz und Soul um die Ecke, ihre Reime waren klar, sauber, verständlich und im Gegensatz zu den meisten Hip-Hop-Acts der 90er kein bisschen prollig, sondern kritisch und intelligent.
A Tribe Called Quest, das waren zu Beginn der MC, Gründer und Mastermind der Band, Q-Tip zusammen mit seinem Mitschüler, DJ und Producer, Ali Shaheed Muhammad. Die beiden waren schon seit Schulzeiten befreundet und nahmen Mitte der 80er Battlerap Tapes auf, aus denen später auch die ersten Demos entstanden. Dazu kam dann noch Q-Tips Freund aus der Kindheit, MC Phife Dawg, der leider schon 2016 verstorben ist, sowie ein gemeinsamer Freund aus der Nachbarschaft, MC Jarobi White, der aber bereits nach dem ersten Album ausschied.
Sechs großartige, innovative und durch die Bank absolut hörenswerte Langspielplatten hat uns die Crew bis zu ihrer Auflösung 1998 hinterlassen. Die erste hatte sich bereits durch Klassiker wie „Can I Kick It?“ basierend auf Lou Reeds „Walk On The Wild Side“, „I Left My Wallet In El Segundo“, oder „Bonita Applebum“ ins Hirn gebrannt. Doch der kommerzielle Erfolg, zumindest im englischsprachigen Raum, stellte sich erst mit dem zweiten Longplayer „The Low End Theory“ ein und der dreht sich heute auf dem Plattenspieler.
„The Low End Theory“ steht gleichermaßen für die Stellung der schwarzen Community in den USA, wie für die beliebten tiefen Bassfrequenzen in der Musik. Q-Tip wollte seinen Kollegen Phife Dawg unbedingt mehr einbeziehen, als es beim ersten Album noch der Fall war, denn dieser wollte eigentlich nach seiner Diabetes-Diagnose ganz aufhören. Doch Q-Tip ließ ihn nicht gehen. Im Gegenteil. Auf diesem Album beginnt die geniale Zusammenarbeit der beiden Rapper eigentlich erst richtig Früchte zu tragen, sie wirken wie ein eingespieltes Team und Phife Dawg hat wesentlich mehr Wortanteil als auf dem Debütalbum.
Lyrisch beschäftigen sie sich zum einen mit sozialen Themen, zum anderen kritisieren sie auf einigen Songs die Musikindustrie. Dazu holten sich A Tribe Called Quest noch Verstärkung diverser angesagter New Yorker Hip-Hop-Acts wie „Brand Nubian“ oder den „Leaders of the New School“. Von letzteren gibt es auf dem Track „Scenario“ eine wilde Strophe eines gewissen Busta Rhymes, der dadurch so viel Aufmerksamkeit bekam, dass er im Anschluss seine Solokarriere plante, die ihn, wie wir heute wissen, zum Weltstar machte.
Auch musikalisch ist „The Low End Theory“ ein Meisterwerk. Die Beats leben von der großartigen Kombination aus relaxten, atmosphärischen und vorwiegend jazzigen Sounds mit sehr reduzierten trockenen und groovigen Drumbeats, sehr hochwertig und clean produziert. Sogar Jazzlegende Ron Carter hat auf einem Song am Bass sein Bestes gegeben.
Mit diesem Album trafen A Tribe Called Quest damals den Nerv und es wurde später in den USA sogar mit Platin ausgezeichnet. Und nicht nur das. 2020 bekam das Album noch den Ritterschlag vom Rolling Stone Magazine, das es auf Platz 45 der besten 500 Alben aller Zeiten einstufte.
Ein Grund mehr das Album aufzulegen! Ein Ohrenschmaus, nicht nur für Fans der Rapmusik. Durch die lyrische Art, den Wortwitz ohne Kraftausdrücke, durch den relaxten Vibe und den jazzigen Sound ist „The Low End Theory“ ein Meilenstein und ein Hörgenuss für uns alle.
Hören Sie „The Low End Theory“ von ATCQ in voller Länge auf YouTube.