Twitter – die fünfte Gewalt

Dieser Tage fühlt man sich oft hilflos. Der Bundeskanzler und sein Vize reisen mit einer Entourage an Journalisten dank Geschwaderbefehl maskenlos nach Kanada, Scholz selbst verkauft trotz expliziter Warnungen von Geheimdiensten Teile des Hamburger Hafens an die Chinesen, eine Chip-Fabrik steht ebenfalls auf dem Präsentierteller. Die Grünen verweigern sich einer längeren Laufzeit von Atomkraftwerken, obwohl Europa vor der größten Energiekrise in seiner Geschichte steht, Innenministerin Faeser sieht überall Nazis und warnt die Bürger schon vorsorglich, lieber auf das Demonstrationsrecht zu verzichten, wenn man sich nicht mit den Ewiggestrigen gemeinmachen will. Der liberale Justizminister schränkt die Meinungsfreiheit ein, in dem er die Relativierung von Kriegsverbrechen unter Strafe stellt, ohne sich der Dimension seines Handelns bewusst zu sein, während der Rest der FDP mehr schlecht als recht einen Spagat zwischen Regierungsbeteiligung und dem Nichtverlust der Wählergunst  versucht.

All das wäre wahrscheinlich nur der normale politische Klüngel und halb so schlimm, wenn die vierte Gewalt, die Medien, nicht so jämmerlich versagen würden. Der öffentliche Rundfunk feierte Lauterbach während der Pandemie wie einen Popstar, die Journalisten auf dem Kanzlerflug verteidigten allesamt die nicht vorhandene Maskenpflicht und verwiesen auf Ausnahmeregelungen, während das Volk, ganz im Stile von Orwells Farm der Tiere, nicht von der Maskenpflicht befreit wurde. Das Wissenschaftsmagazin Quarks publizierte zu allen Regierungsthemen, ganz egal ob Corona, Selbstbestimmungsgesetz oder Atomkraft, Kacheln am Laufband, immer mit einer „wissenschaftlichen“ Begründung, warum das Regierungshandeln super war. Die heute-Show arbeitet sich neuerdings ganz im Stile eines Propagandasenders an der Opposition und dem unliebsamen Koalitionspartner FDP ab, der als einziger für das desaströse Handeln der Regierung verantwortlich sein soll. Man könnte meinen, die Lage sei hoffnungslos – doch dem ist nicht so.

Als ich im August vergangenen Jahres auf Twitter aktiv wurde, war es, als hätte mich die Muse geküsst. Da waren Menschen, die Politiker wie Medien gleichermaßen angingen. Es wurden Videos von Lauterbach geteilt, die in chronologischer Reihenfolge zeigten, wie er sich klar gegen eine Impflicht aussprach, nur um sich zu einem späteren Video dafür auszusprechen. Ein Typ namens Argo Nerd erstellte plakative Collagen von Medienartikeln, die komplett konträr zueinander standen. Andere Nutzer kommunizierten direkt mit Politikern und Journalisten und zeigten ihnen in einer Deutlichkeit, wie man sie im realen Leben wohl kaum kennt, ihre Widersprüche, Fehlschlüsse und Faktenlosigkeit auf.

Kurzum, ich war begeistert und begann selbst mit meist sarkastischen, oft zynischen Kommentierungen des politischen Geschehens in die Twitterwelt einzutauchen. Offenbar mit Erfolg. Meine Tweets wurden geliked und geteilt, die Followerzahlen stiegen Monat für Monat und ich fühlte ein Teil von etwas Größerem zu sein, was ich aber nicht greifen konnte.

Erst nach und nach wurde mir klar, was Twitter eigentlich bewegen kann. Wenn die Bildzeitung über gesellschaftlichen Twist berichtet, finden sich in den Artikeln fast immer ein oder zwei Tweets, die das Stimmungsbild im Land spiegeln sollen. Der woken Bewegung gelang es, ganze Unternehmen zu Sortimentsveränderungen zu bewegen und Anne Spiegel musste nicht zuletzt aufgrund der Bildberichterstattung, angefeuert durch einen riesigen Shitstorm auf Twitter, ihren Posten als Familienministerin räumen. Seit kurzer Zeit teilt Quarks deutlich weniger politische Kacheln, durchaus ein Ergebnis anhaltender Kritik und Recherche der Konsumenten. Politiker diskutieren erstmals seit Jahren über eine Reform des öffentlichen Rundfunks, befeuert durch die zunehmenden Shitstorms auf Twitter, wo jeder Skandal, jede Mittelverschwendung öffentlich ausgebreitet, seziert und diskutiert wird.

Twitter ist deutlich mehr als eine Plattform, wo jemand ein paar kluge Phrasen in den Äther schießt, nur damit sie dann wirkungslos verpuffen. Twitter ist die fünfte Gewalt. Journalisten durchforsten das soziale Netzwerk nach Meinungen und folgen Meinungsführern, richten zum Teil ihre Berichterstattung danach aus. Politiker tun immer wieder ihre Meinung kund und tasten ihre Argumentationslinien auf Widerspruch ab, große Fernsehsender greifen auf die Schwarmintelligenz der Masse zu, die zu Tausenden den Mächtigen auf den Zahn fühlt, nur um die Meinung dann in die Welt hinauszutragen, und Unternehmen lassen sich ganze Leitbilder von der Community diktieren.

Twitter ist vulgär, Twitter ist populistisch und vor allem ist Twitter plakativ. Es ist ein mächtiges Werkzeug, welches das Volk nutzen kann, um Informationen zu teilen und zu diskutieren, um auf Verfehlungen der Mächtigen, aber auch auf die der vierten Gewalt, allen voran dem ÖRR, aufmerksam zu machen. Tatsächlich gehe ich so weit und sage: Wenn jeder Bundesbürger einen Twitteraccount nutzen würde, wäre der Demokratie mehr gedient, als wenn jeder Haushalt eine Abgabe von 18,36 Euro überweist.

Lassen Sie uns die Rolle der fünften Gewalt annehmen und lassen Sie uns Demokraten sein. Auf Twitter können wir streiten wie betrunkene Matrosen in der Hafenkneipe: Laut, vulgär, aber ehrlich.

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