Wahlen: reine Glaubensveranstaltungen

Wir können nicht wissen, was Politiker wirklich denken. Niemand kann das. Wir wissen nicht, ob die Inhalte der Partei- und Wahlprogramme wirklich so gemeint sind wie proklamiert. Wir wissen nicht, ob der einzelne Politiker, der sich zur Wahl stellt, nicht doch eine andere, heimliche Agenda verfolgt. Und zu guter Letzt können wir überhaupt nicht wissen, ob sich das, was sich Parteien und Politiker vornehmen, auch tatsächlich realisieren lässt. 

Wir wissen also überhaupt nicht, was wir da wählen, wenn wir zur Urne schreiten. Wir haben Vermutungen, die wir durch umfangreiche Recherchen möglicherweise besser machen können, aber wirkliche Sicherheit, wirkliches Wissen gewinnen wir auch dadurch nicht.

Es gibt den Satz: Wo das Wissen endet, beginnt der Glaube. Und genau so schreiten wir zur Wahl: Im guten Glauben, die richtige Wahl zu treffen. So weit so gut, oder auch nicht. Denn was heißt das? Derjenige, der es schafft, uns an ihn glauben zu lassen, der gewinnt die Wahl.

Da die meisten Politiker um diese Dinge wissen, richten sie ihre Aktivitäten genau darauf aus: Uns glauben zu machen, dass sie die Richtigen sind! Das können sie natürlich selbst auch nicht wissen, ob sie tatsächlich die Richtigen sind. Aber sie glauben es, müssen es glauben, denn je stärker ihr eigener Glaube daran, desto besser können sie uns davon überzeugen. Oder sollte man lieber von Bekehrung sprechen?

Diese Überzeugung/Bekehrung läuft höchst selten in Form eines Erweckungserlebnisses, sondern ist Ergebnis des ständigen medialen Einträufelns von Botschaften. Hinter jeder Äußerung eines Politikers zu einer Sache, ob Klima, Außenpolitik, Sicherheit oder Bildung, steht die Botschaft „Ich kenne deine Sorgen, ich löse deine Probleme, ich bin der oder die Beste für das Wohl der Welt“. 

Ein Politiker, der diesen Dreiklang nicht transportiert, wird auf Dauer abgehängt. Er kann sich nicht vermitteln und wird nicht gewählt. Sinngemäß trifft das auch auf Parteien zu, obwohl die Persönlichkeiten für die Wahlentscheidungen immer stärker an Bedeutung gewinnen. Politiker konkurrieren also um unseren Glauben.

Das kommt Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, jetzt etwas überspitzt vor? Vielleicht ist es das auch, zugespitzt zumindest. Doch wenn wir uns einmal anschauen, wie viele Menschen tatsächlich die Wahlprogramme studieren, bevor sie ihre Entscheidung treffen, dann können einem schon solche Gedanken kommen. Es sollen – habe ich irgendwo gelesen, kann es also nicht beweisen, sondern nur glauben (!) – weniger als zehn Prozent sein. Der Rest, die Mehrheit, glaubt einfach, dass sie mit ihrer Wahlmeinung richtig liegt.

Nun glaubt am Wahltag der eine an den Politiker X, die andere an die Politikerin Y, an diese oder jene Partei und setzt dann das Kreuzchen. Andere wiederum glauben an nichts davon. Sie gehen nicht zur Wahl, weil sie den Glauben an das ganze Wahlsystem verloren haben. Irgendwann in den zurückliegenden Jahren glauben sie gemerkt zu haben, dass die Politiker sich überhaupt nicht für sie und ihre Belange interessieren. 

Wohlgemerkt, sie glauben das, denn wissen können sie auch das nicht wirklich. Woran glauben sie denn überhaupt noch? Dass sich das Ganze von allein ändert? Dass es „die anderen“ schon richten werden? Dass sie selbst schon irgendwie klarkommen werden, trotz Inflation, schwindender Sicherheit, Verfall der Wirtschaft und bröckelnder Bildung im Lande? Dass vielleicht eines Tages der wahre Messias kommt und die Kohlen aus dem Feuer holt? 

Ich weiß es nicht – sagen Sie es mir.

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8 Kommentare. Leave new

  • Nikolaus Szczepanski
    31. August 2023 9:58

    So wird es sein: Das Warten auf den Messias. Er wird auch sicher kommen. Allerdings aus der falschen Ecke. Es entspräche deutscher Glaubenstradition, daß nur aus Glut und Asche “neues Leben” entstehen kann. Schon zweimal mit Erfolg gesegnet. Aber aller guten Dinge sind drei…. sagt ein altes Sprichwort. Aus den Trümmern könnte womöglich der Versuch starten, es einmal mit dem Art. 38 GG wörtlich zu versuchen. Gab es seit 1949 noch nie.

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  • Sehe ich nicht so. Alle Parteien abseits der AFD schenken den Wählern zum größten Teil reinen Wein ein. Klar, sie streuen Sand in die Augen, wenn sie, wie die CDU Wahlplakate anfertigen, auf denen sinngemäß steht: Wir sind die Partei der Sicherheit. Das sind dann die Worte, das ist die Theorie. In der Praxis tut die CDU nichts gegen die Masseneinwanderung, gegen die offenen Grenzen. Im Gegenteil, sie hat sie 2015 erst ermöglicht. Das sind die Taten, das ist die Praxis. Mittlerweile sollte es für jeden Deutschen klar sein, daß die CDU, was die Einwanderung betrifft, nicht auf der Linie der AFD ist und die anderen Parteien sowieso nicht. Wo liegt also das Problem? Das wird auch im Wahlprogramm der CDU/CSU nicht anders versprochen. Die Wähler wissen also, was sie bekommen. Mit der AFD sichere Grenzen und weniger Einwanderung aus islamischen Ländern, mit allen anderen Parteien das Gegenteil. So einfach ist das. Und ebenso einfach ist es bei anderen wichtigen Themen. Dieser Artikel geht mal wieder in die Richtung: Es ist ja eh alles sinnlos, selbst wenn ich die AFD wähle (da sie dann auch nicht das tut, was sie verspricht). Einen ähnlichen Artikel gab es neulich hier schon einmal. Woher aber wollen die Autoren das wissen? Woher wissen sie, daß die AFD an die Macht kommt und dann alle ihre Wahlversprechen bricht? Ein solches Denken ist auf so vielen Ebenen einfach nur unfair und falsch. Mit einem solchen Denken kann man aufhören, sich überhaupt noch zu wehren, denn man wird ja sowieso verraten. Ich denke unter dem Strich: Der Sandwirt hat ein Problem mit der AFD, welches er aber offen nicht ansprechen möchte. Bei einer anderen Partei (FDP, CDU/CSU) würde er nicht in dieser Weise zweifeln, sondern sich freuen, daß diese Parteien endlich wieder Vernunft annehmen. Gleichzeitig wissen die Autoren aber, daß es ohne AFD nicht vorwärts geht. Aus diesem Zwiespalt resultieren solche Artikel. Letzten Endes zeigen sie nur, wie handlungsunfähig und wehrlos das liberale und konservative Milieu abseits der AFD in Deutschland geworden ist.

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    • Das ist ein schönes Glaubensbekenntnis an die AFD. Bitte nicht falsch verstehen, wir alle glauben an etwas. Es ist halt nur vielleicht ganz nützlich zu wissen, dass es immer nur Glaube ist.

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  • Völlig egal, was oder wen man wählt, es wird grundsätzlich ein Programm durchgezogen, das in keinem Parteiprogramm steht. Schon als Kind vor mehr als 50 Jahren hörte ich von Erwachsenen immer wieder: “Vor der Wahl wird alles versprochen, nach der Wahl nichts gehalten.” Dabei habe ich mich gefragt, warum die so doof sind und immer wieder zur Wahl gehen.

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  • Ulrich Viebahn
    31. August 2023 22:01

    Verehrter Herr Fourier, der ‘Glaube’ erklärt das Beharrungsvermögen; wenn die Leute etwas wählen, von dem sie wissen, daß es eigentlich nicht gerecht und konsequent ist. Ich würde das mit dem ‘Glauben’ ein bißchen biegen in Richtung “Bauchgefühl, Instinkt”. Ich erinnere mich öfter gelesen zu haben, daß die ‘meisten’ (na ja) Wahlentscheidungen erst auf dem Weg zum Wahllokal oder sogar erst innerhalb der Pappwände fallen. Und zwar nach dem Kriterium, wie der Wähler sich im Moment am besten fühlt. Also wie eine Parole, ein Politikerbild, eine Erinnerung sich am harmonischsten in die momentane Stimmung fügt. Zu einem was-gesagt-und-was-getan-Vergleich haben die meisten ‘Leute’ keine Zeit, keine Ruhe und keinen Zugang. Das gilt auch für Plausiblität von Versprechungen und Behauptungen.

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  • Was genau passiert denn bei Wahlen? Man gibt seine Stimme ab und hat dann bekanntlich den Mund zu halten. Man macht ein paar Kreuze, die ohne Unterschrift gültig sind, obwohl man mit dieser jeden Quatsch bestätigen muss. Und zu guter Letzt, wandert der Zettel in die Wahlurne. Was genau wandert in eine Urne? Nun, alles was tot ist…!
    Wem gehört das finazierte Auto und Haus? Genau der Bank und wenn es dann irgendwann bezahlt ist, muss man nur noch jährlich eine Gebühr entrichten, sonst ist es dennoch weg. Und wem gehört der finazierte Staat? Ebenfalls den Banken, denn es gibt nur private Banken. Privat kommt ja bekanntlich aus dem lateinischen “privare” und bedeutet “berauben”. Aus diesem Grund auch die vielen Privatisierungen, wo der Bürger, also derjenige der für all den finanziellen Blödisnn bürgt, seines angeblichen Gemeinschaftsbesitzes beraubt wird.
    Fehlt also nur noch zu klären was der Unterschied zwischen Person und Mensch ist. Da hilft wieder das Latein, denn “persona” bedeutet “Maske”, womit der Mensch zur Sache degradiert wird.
    Nachdem wir dies nur alles geklärt haben, sollte eigentlich klar sein, dass “diejenigen die gewählt wurden nichts zu entscheiden haben und diejenigen die entscheiden, nicht gewählt wurden” (Horst Seehofer). Die EU zeigt das ja ebenfalls sehr eindeutig. Deshalb sind Wahlen richtigerweise nur eine weitere Religion, wie auch das Geld. Solange alle daran glauben funktioniert es noch eine Weile, denn der Mensch lernt sehr langsam und hauptsächlich durch Leid und Schmerz…

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  • Hierzu folgende erbauliche Geschichte:

    Im Garten meiner Eltern stand ein Kirschbaum. Jedes Jahr, wenn die Kirschen reif waren, ließen sich die Vögel hernieder, bis die ganze Baumkrone von ihnen bedeckt war, und fraßen unsere Kirschen.

    Mein Vater besaß ein Luftgewehr, mit dem er einen Schuß abgeben konnte. Einmal im Jahr, wenn der Kirschbaum voller Vögel war, gind mein Vater mit dem Luftgewehr nach draußen und gab seinen Schuß ab. Die Vögel flatterten kurz auf, ließen sich sofort — auf leicht veränderten Plätzen — wieder nieder, und fraßen weiter unsere Kirschen.

    Das, liebe Kinder, ist der Sinn von Wahlen.

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