Künstler: Pink Floyd
Album: Wish You Were Here (Harvest Records 1975)
In den Social Media werden oft mehr oder weniger sinnvolle Umfragen gestellt wie „welches ist dein Lieblingsalbum?“, „welches Album hat dich in deinem Leben am meisten beeinflusst, welches am ärgsten enttäuscht?“ oder „nenne mir deine fünf liebsten Lieder aller Zeiten“. – Alles Umfragen, über die ich schnell drüberscrolle, weil ich sie, als jahrzehntelanger Plattensammler, einfach unmöglich beantworten kann. Zu viel gute Musik steht bereits in meinen Regalen, da ist es mir unmöglich, mich auf bestimmte Platten festzulegen.
Neulich stolperte ich allerdings über eine Umfrage, die ich dann doch interessant fand und über die ich nachdenken musste: „Welche Platte kennst du, die du immer komplett durchhören kannst oder sogar musst, eine Platte die gleichbleibende Qualität hat und auf der du keinen einzigen Aussetzer, sprich schwächeren Song findest?“
Da fiel mir sofort ein brillantes Konzeptalbum aus den 70ern ein, das sich heute hier auf dem Plattenspieler dreht. Eine Platte die ich seit 46 Jahren in meiner Sammlung habe und bis heute sehr liebe: Pink Floyds Meisterwerk „Wish You Were Here“ aus dem Jahr 1975!
Jetzt könnten Sie sagen, das Album hat ja auch nur fünf Songs, da ist die Chance auf einen schwachen Titel ja viel geringer. Das stimmt so nicht, denn alleine der Song „Shine On You Crazy Diamond“ besteht aus neun unterschiedlichen Teilen, die man auch als eigene Songs sehen könnte und das komplette Album ist 45 Minuten lang, hat aber eben überhaupt keine Längen.
„Wish You Were Here“ war bereits das neunte Album der berühmten englischen Rockgruppe Pink Floyd, die Mitte der 60er Jahre gegründet wurde. Die Entstehungsphase des Albums Anfang 1975 war eher schwierig, weil es der Nachfolger vom ersten, richtig erfolgreichen Pink-Floyd-Werk, „The Dark Side Of The Moon“ werden sollte, das mit über 50 Millionen verkauften Einheiten weltweit ganz oben in den Charts landete, die Band über Nacht zu großen Stars machte und bis heute das dritterfolgreichste Musikalbum aller Zeiten blieb. Der Druck und die Herausforderung, hier keinen Flop zu produzieren, waren also immens.
Pink Floyd nahmen sich also einiges vor. Sie wollten ein Konzeptalbum kreieren, wie man es vorher noch nicht gehört hatte und schlossen sich zu diesem Zweck in den berühmten Abbey Road Studios ein, die viele sicherlich auch von den Beatles kennen.
Die Idee war es, das Album ohne Pausen zwischen den Songs anzulegen, so dass die Musik quasi von einem Song zum nächsten übergeht wie bei einem DJ-Mix. Dazu sollte ein eigenwilliges, modernes Sounddesign entwickelt werden. Vor allem Keyboarder Richard Wright steuerte mit seinen innovativen Tasteninstrumenten und Synthesizern viel zum ausgefallenen, fast schon futuristischen Klangbild bei. Arp, Moog, Clavinet und Rhodes, um nur ein paar der Kultgeräte zu nennen, die dabei zum Einsatz kamen, aber auch eine Geige oder ein Saxophon ist mal als überraschendes Soloinstrument wahrzunehmen.
Als Produzent war kein geringerer als der musikalische Visionär Alan Parsons geplant, der auch schon bei „The Dark Side of the Moon“ an den Reglern war, doch der war gerade mit anderen Projekten ausgebucht. So wurde Brian Humphries als Toningenieur verpflichtet.
Zu dieser Zeit schrieb Roger Waters alle Texte der Band. Inhaltlich sollte es zwei zentrale Themen geben. Das eine war der ehemalige Sänger und Gitarrist der Band, Syd Barrett. Dieser musste die Gruppe bereits 1968 wieder verlassen und wurde durch Roger Waters ersetzt, weil er aufgrund seines extremen Drogenkonsums zunehmend psychische Probleme bekam. Syd Barret wurde deshalb das Album und der Titelsong „Wish You Were Here“ gewidmet. Zudem wurde sein tragischer Werdegang im Song „Shine On You Crazy Diamond“ thematisiert, in dem er als verrücktes Genie gezeichnet wird.
Das andere Thema, das der Band unter den Nägeln brannte und in Form von Songs gegossen werden sollte, war die Raffgierigkeit der profitorientierten Plattenindustrie, ihr Egoismus und das Desinteresse an den Musikern selbst, thematisiert in den Songs „Welcome To The Machine“ und „Have A Cigar“. Letzterer ist gar ein Monolog eines fiktiven Bosses einer Plattenfirma. Damit verarbeitet Roger Waters die intensiven Eindrücke und Erlebnisse, die Pink Floyd seit dem Riesenerfolg des letzten Albums gemacht hatten. Plötzlich brach alles über sie herein, jeder war an der Band interessiert, jeder wollte etwas von ihnen, jeder wollte ein Stückchen vom Kuchen.
An dieser Stelle sei unbedingt noch das wunderbare Artwork der Scheibe angesprochen. Surreal anmutende Fotos von Storm Thorgerson, die wohl größtenteils nicht bearbeitet wurden und sehr gut das Gefühl der Abwesenheit transportieren, also den Verlust von Syd Barrett als Mitglied der Crew. Immer im Gedächtnis wird mir wohl vor allem das Bild der beiden Herren im Anzug auf dem Frontcover bleiben, beides Stuntmen, die sich die Hände reichen. Einer von ihnen brennt an Kopf und Rücken.
„Wish You Were Here“ ist äußerlich wie musikalisch ein grandioses Meisterwerk der Musikgeschichte. Es geht auch nach so vielen Jahren immer noch unter die Haut und ich schaffe es immer noch nicht, den Tonarm von der Platte zu nehmen, wen sie einmal spielt. Eine gleichbleibende Qualität, eine ausgeklügelte Dramaturgie, geniale Sounds, ein Mix ohne Pause, tiefgründige ehrliche Texte, streckenweise klassisch anmutende Kompositionen und Arrangements halten mich einfach davon ab.
Nehmen Sie sich also am besten von vornherein 45 Minuten am Stück Zeit, um dieses fantastische Album zu genießen.
2 Kommentare. Leave new
Irre ich mich oder war eher David Gilmour der Nachfolger von Syd Barrett?
Im Grunde stimmt beides, denn beide waren die Nachfolger von Syd: Waters ersetzte Barret als Sänger und Gilmour als Gitarrist. Sie waren schon alle 3 Mitglieder der Band als Syd ausschied. Gilmour kam als letztes 1968 hinzu, sollte Syd zuerst nur live unterstützen und ersetzte ihn dann kurz darauf komplett an der Gitarre, als Barret die Gruppe verlassen musste, Waters übernahm seinen Gesangspart.