Staaten, gleich welcher Verfassung, sind keine wirtschaftlichen Unternehmen. Im Unterschied zu Letzteren finanzieren sich Staaten nicht durch den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen an freiwillig zahlende Kunden, sondern durch Zwangsabgaben: durch Gewaltandrohung und -anwendung eingetriebene Steuern (und durch von ihnen buchstäblich aus dem Nichts geschaffenes Papiergeld).
Bezeichnenderweise haben Ökonomen Regierungen, das heißt die Inhaber staatlicher Gewalt, deshalb auch als stationäre Banditen bezeichnet. Regierungen und alle Personen, die auf ihrer Gehaltsliste stehen, leben von der Beute, die man anderen Personen geraubt hat. Sie führen eine parasitäre Existenz auf Kosten einer unterworfenen und als „Wirt“ dienenden Bevölkerung.
Der Verlauf der modernen Geschichte wird so verstehbar: Territoriale Expansion erfordert Krieg – Kriege zwischen rivalisierenden Banden stationärer Banditen. Aber die Kriegsführung erfordert Mittel (wirtschaftliche Ressourcen), und Banditen produzieren nichts. Sie greifen parasitär auf die von anderen produzierten und zur Verfügung gestellten Mittel zurück.
Sie können das Gesamtproduktionsvolumen und die Größe ihrer eigenen Beute jedoch indirekt durch die Behandlung ihrer „Wirtsbevölkerung“ beeinflussen. Unter ansonsten gleichen Bedingungen gilt: Je „liberaler” – je weniger ausbeuterisch – die herrschende Bande, desto produktiver wird die Wirtsbevölkerung sein; und da sie sich parasitär auf eine produktivere Wirtsbevölkerung stützt, sind es die nach innen „liberalen” Banden, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Kriege gewinnen und den Zentralisierungsprozess vorantreiben. Ich habe dies das Paradox des Imperialismus genannt: Innerlich liberale Regime neigen zu einer aggressiveren Außenpolitik und sind die zentralen Förderer des Imperialismus.
Muster imperialer Macht
Dies hilft, nicht nur den Aufstieg und die lang anhaltende wirtschaftliche und finanzielle Vorherrschaft des kollektiven „Westens“ über den „Rest“ zu verstehen. Es hilft insbesondere auch, die Abfolge und die fortschreitenden Stadien des westlichen Imperialismus zu verstehen. Vom ziemlich großen Spanien und Portugal als führende imperialistische Mächte (die aber schließlich zerbrachen) verlagerte sich das Zentrum der wirtschaftlichen Schwerkraft in die kleinen liberalen Niederlande, und von dort aus wurden die nächsten großen imperialistischen Unternehmungen gestartet. Die Niederlande wurden dann von dem liberalen Großbritannien mit einem weltweiten Imperium als führende Macht zurückgedrängt und überholt. Schließlich, nach weiteren Kriegen, übernahm Großbritanniens ehemalige Kolonie, die abtrünnigen USA, und erweiterten die einstige Rolle Großbritanniens.
Aufgrund ihrer (vergleichsweise) ultra-liberalen Innenpolitik entwickelten sich die USA zur größten Wirtschaftsmacht der Welt, und auf dieser bequemen wirtschaftlichen Grundlage hat sich die US-Regierung zur weltweit führenden imperialen Macht entwickelt, mit einem weltweiten Netzwerk von Militärstützpunkten, ausländischen Vasallen und einem US-Papier-Dollar, der als internationale Reservewährung fungiert (was der US-Bande erlaubt, auf Kosten Anderer zu konsumieren und Geld auszugeben).
Diese imperialistischen Unternehmungen können zunächst befreiend wirken: Ein relativ liberaleres – weniger ausbeuterisches, bzw. kapitalistischeres – Regime kann in eine vergleichsweise weniger liberale Gesellschaft exportiert werden. Je weiter jedoch der Prozess der imperialen Expansion und der politischen Zentralisierung voranschreitet, d.h., je näher man dem Endziel einer Eine-Welt-Regierung mit einer globalen Zentralbank, die eine einheitliche universelle Fiat-Währung herausgibt, kommt, desto geringer ist der Druck auf die herrschende Bande, ihren früheren internen Liberalismus fortzusetzen.
Interne Ausbeutung, Besteuerung, Inflation und Regulierung werden zunehmen und Wirtschaftskrisen, Stagnation oder sogar Verarmung und Niedergang werden die Folge sein.
Von der Zentralisierung zur Dezentralisierung
Mit dem wirtschaftlichen Scheitern der politischen Zentralisierung, das immer offensichtlicher und dramatischer wird, gewinnt die entgegengesetzte Tendenz zur Dezentralisierung an Stärke. Ein zentraler Grund für den Aufstieg des „Westens“ zur weltweit führenden Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturregion liegt darin, dass sich Europa – im Gegensatz insbesondere zu China – durch einen hohen Grad an politischer Dezentralisierung auszeichnete, mit hunderten oder gar tausenden eigenständigen Herrschaftsgebieten vom frühen Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit.
Einige Historiker haben diesen Zustand als „geordnete Anarchie“ bezeichnet. Und es ist heute bei Wirtschaftshistorikern gängig, in diesem quasi-anarchischen Zustand einen wesentlichen Grund für das sogenannte „europäische Wunder” zu erkennen.
Denn in einem Umfeld mit einer Vielzahl unabhängiger, kleinräumiger Territorien in unmittelbarer Nähe zueinander ist es für die Untertanen vergleichsweise einfach, mit den Füßen abzustimmen und den Raubüberfällen staatlicher Herrscher durch Auswanderung zu entgehen. Um diese Gefahr abzuwenden und die ansässigen Produzenten in Schach zu halten, stehen diese Herrscher unter ständigem Druck, sich hinsichtlich ihrer Ausbeuterei zu mäßigen. Und diese Mäßigung wiederum fördert wirtschaftliches Unternehmertum, wissenschaftliche Neugier und kulturelle Kreativität.
Die Lektion des „europäischen Wunders“ wird heute wieder in Erinnerung gerufen und die Vision einer radikal dezentralisierten Welt, die durch territoriale Sezession – die Antithese zu einem Weltstaat – zustande kommt, gewinnt an Popularität. Die Vision einer Welt, die aus Tausenden und Abertausenden Liechtensteins, Schweizer Kantonen und unabhängigen Freiherrschaften (Dominien) besteht, die alle durch Freihandel und einen internationalen Goldstandard verbunden sind und alle versuchen, im Wettbewerb mit anderen Orten produktive Menschen mit günstigen lokalen Bedingungen zu halten und anzuziehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Aus der Natur des Staates als parasitäre Bande lässt sich eine Tendenz zur politischen Zentralisierung ableiten. Auch anhand einiger elementarer ökonomischer Überlegungen lassen sich das „Paradox des Imperialismus“ und die „Dialektik der Zentralisierung“ erklären. Das heißt, die Tatsache, dass die politische Zentralisierung den interregionalen Wettbewerb reduziert und somit dazu neigt, den wirtschaftlichen Wohlstand zu senken; und doch kann diese Zentralisierung, insofern sie von der „liberalsten“ Bandenführung angetrieben wird, zunächst eine befreiende Wirkung haben und erst schließlich, je näher eine herrschende Bande an die Position eines globalen Hegemons herankommt, ihr wahres Gesicht in Form von zunehmender Unterdrückung, sozialem Unfrieden, Wirtschaftskrisen und zivilisatorischem Niedergang zeigen.
An diesem Punkt angelangt, hat die entgegengesetzte Tendenz zur politischen Dezentralisierung in jüngster Zeit zunehmend an Popularität gewonnen.
Dieser Beitrag basiert auf einem Teil des Manuskripts der Rede, die Hans-Hermann Hoppe am 24. September 2023 in Bodrum anlässlich der jährlichen Konferenz der Property and Freedom Society gehalten hat.