Dieses spannende Thema für die Veranstaltung von Andreas Rödders und Kristina Schröders „Denkfabrik R21“ und der Umstand, daß die verehrte Rechtsanwältin Jessica Hamed auf der Rednerliste stand, führten letztlich dazu, daß ich dem Event persönlich folgen konnte. Also Montag morgens um 5:30 ab zum Stuttgarter Flughafen, wo – nicht ganz unerwartet – auch schon Boris Palmer mit mir in der Frühmaschine nach Berlin saß. Würde er die Gelegenheit nutzen, um sich öffentlich von seiner Forderung nach Rentenstreichung für impfunwillige Senioren und ähnlich totalitärem Irrsinn aus dem Herbst 2021 zu entschuldigen?
In der sächsischen Landesvertretung auf der Museumsinsel angekommen traf ich auf zwei bekannte Gesichter, Stefan Homburg im Gespräch mit Birgit Kelle. Kelle berichtete gerade, wie viele Mannschaftswagen Polizei in Deutschland unter Umständen notwendig sind, um einen Vortrag zum Thema „Gendern” zu schützen. Homburg meinte, er habe bis jetzt Glück gehabt und solche Zustände bei seinen Veranstaltungen noch nicht erlebt.
In dem nicht sonderlich großen Veranstaltungsraum fanden etwa 80 Gäste Platz, nicht alle Plätze waren gefüllt. Aus der Journalistenriege fielen mir Ralf Schuler (NIUS) und Markus Grill (ARD) auf.
(Bild: Kristina Schröder)
„Der deutsche Weg durch die Pandemie“
So der Name des ersten von fünf sogenannten Panels, also Gesprächsrunden, die auf 45 Minuten angesetzt waren. Ein ehrgeiziges Programm angesichts der hochkarätigen Gäste, da jeweils noch eine Keynote von zehn bis fünfzehn Minuten von der Zeit abging.
Nach der Eröffnung durch die ehemalige Familienministerin und stellvertretende Vorsitzende der erst im letzten Jahr gegründeten Denkfabrik R21, Kristina Schröder (CDU), ging es zuerst einmal um Rückschau. Die Historikerin Sandra Kostner fand deutliche Worte für die Monstrosität des pandemischen Ereignisses: „Virenkontrolle führt zu Menschenkontrolle, die Politik erklärte ihren Bürgern das Misstrauen‚ Kinder wurden zu wandelnden Todesengeln.“
Der ehemalige WHO-Pandemiebeauftragte Klaus Stöhr, ewiger Rufer in der epidemiologischen Wüste, fühlte sich von der verabsäumten ständigen Evaluierung der Maßnahmen an „Entwicklungsländer“ erinnert. Deutschland liege in der Sterblichkeit hinten, aber in den Kosten vorn. Er betonte ausdrücklich, daß für den kommenden Winter keine Maßnahmen erforderlich seien.
Martin Hagen (FDP), der mitten im bayrischen Wahlkampf einen Tag opferte für einen Event, den kaum ein Wähler mitbekommen wird, beschrieb seine Fassungslosigkeit ob der Tatsache, daß ein Hardliner wie Söder zwischenzeitlich bis zu 90 Prozent Zustimmung in den Umfragen hatte. Differenzierende Stimmen wie seine eigene wurden entweder diffamiert oder gar nicht zur Kenntnis genommen.
Thea Dorn war für mich mit ihrer meinungsstarken, aber letztlich erkenntnislosen Art der Argumentation eine Enttäuschung.
Ein Paukenschlag dann gleich die erste Wortmeldung von Boris Palmer. Er echauffierte sich über Leute, die sich etwa an der Maskenpflicht aufrieben: „Dafür habe ich kein Verständnis, da muss man durch. Ich bin da anders erzogen, aus anderem Holz geschnitzt.“
Der Sohn des legendären „Remstal-Rebellen” Helmut Palmer, welcher es seinerzeit vorzog, ins Gefängnis zu gehen, als dem verhassten Staat eine Geldstrafe zu leisten, plädierte nun ein weiteres Mal für eine harte Gangart gegenüber vermeintlich Unsolidarischen. Chance verpasst, auch nach seinem Abgang bei den Grünen bleibt er eben Kollektivist. Später wurde bekannt, daß er sich in der Mittagspause öffentlichkeitswirksam mit Sahra Wagenknecht im Szenelokal Café Einstein getroffen hatte.
(Hahn im Korb, Bildrechte beim Autor)
„Keine Zieldimension steht über der Menschenwürde“
Mit einem starken Vortrag leitete Kristina Schröder das zweite, kleinere Panel ein, mit ihr selbst, der NZZ-Journalistin Susanne Gaschke und dem Neurowissenschaftler Manfred Spitzer.
Der bekannte Digitalkritiker wartete mit einem ungewöhnlichen medizinischen Befund auf: Zuviel Bildschirmkonsum bei kleinen Kindern, begünstigt etwa durch Lockdown-Bedingungen, kann die Augenentwicklung schädigen bis hin zur Erblindung. Dies sei in Asien eine große Sorge der Eltern gewesen, während bei uns der Umstand gar nicht thematisiert wurde. Ein verlorenes Schuljahr würde drei IQ-Punkte kosten.
Gaschke beklagte sich über eine „denkfaule Politik”. Schröder wies auf die psychologische Taktik hin, man müsse „nur etwas als solidarisch framen”, dann sei es widerspruchslos zu akzeptieren gewesen.
Der Auftritt des weisen, alten Mannes
Die dritte, juristische Runde wurde vom ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier mit einem wuchtigen Bekenntnis zur bürgerlichen Freiheit eingeleitet. Trotz der bedächtigen Sprechweise des Achtzigjährigen gingen manche Sätze wie Peitschenhiebe auf seinen Nachfolger herunter: „Ein Staat, der alle persönlichen Risiken seinen Bürgern und Bürgerinnen abzunehmen versucht, wird selbst zum Risiko für den Rechtsstaat. Es ist im Grundgesetz nicht Aufgabe des Staates, den Menschen im Einzelnen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben, und was sie zu denken haben.“
(Hans-Jürgen Papier, Bildrechte beim Autor)
In der folgenden Stunde waren sich alle Beteiligten einig, daß das Bundesverfassungsgericht unter dem Merkel-Protegé Stephan Harbarth dysfunktional geworden ist, insbesondere das Urteil zur Bundesnotbremse und die hundertfache Verweigerung der Klageannahme wurden aufs Schärfste kritisiert.
SZ-Altkämpe Heribert Prantl ließ sich in seinem gewohnten Predigt-Stil zu einer regelrechten Philippika hinreißen.
Die brandenburgische Verfassungsrichterin Juli Zeh und die Dozentin Jessica Hamed machten sich Gedanken, wie es zu dem weitgehenden Totalausfall der Landesgerichte kommen konnte: „Die Angst war da. Eine Richterin sagte mir: Ich habe mir die Umfragen angeschaut, die Menschen stehen immer noch hinter den Maßnahmen“, berichtete Hamed.
Die Juristinnen waren sich einig, daß es genauso wieder passieren würde. Dies sei dem System der Ausbildung geschuldet, Juristen würden zu Rechtskonformismus erzogen und nicht zum Heldentum. Hamed meinte sogar, wenn man heute tiefgreifende Änderungen einleiten würde (die nirgendwo in Aussicht sind), würde es „Generationen von Juristen” dauern, um eine krisenresiliente dritte Gewalt zu bekommen. Zeh meinte, die Juristerei als quasi Reparaturbetrieb des Staates könne das gar nicht leisten.
Wissenschaft und Politik
Nach der verkürzten Mittagspause leitete der Philosoph und ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin die Diskussionsrunde zur Rolle der Wissenschaft ein. Er war bereits im April 2020, zusammen mit Juli Zeh, Boris Palmer und anderen als Lockdown-Kritiker hervorgetreten, was er auch gerne erwähnte.
Alle Augen richteten sich dann aber auf den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, den außer Boris Palmer einzigen verantwortlich handelnden Politiker an diesem Tag. Natürlich wurde ihm die Frage zu eigenen Fehlern gestellt, insgesamt war er aber mit sich im Reinen. Die Bundesnotbremse sei zwar ein Fehler gewesen, und ja, es habe ihn beeindruckt wie nach monatelangen Schulschließungen „immer mehr Kinderschuhe vor den Rathäusern und der Staatskanzlei abgelegt wurden“.
Immerhin habe er im Sommer 2020 sogar mit „diesem Bhakdi“ geredet (wobei er den weiteren, persönlich anwesenden Teilnehmer der damaligen Runde Stefan Homburg elegant unerwähnt ließ), und leider könne man mit vielen ganz Verhärteten ohnehin kein Gespräch mehr führen mittlerweile. Er lobte seine Kommunikation der auch für ihn zunehmend schwerer, da immer bürokratisch-kleinteiliger, zu vermittelnden Corona-Verordnungen.
Da gerieten Medizinstatistiker Gerd Antes (in Vertretung für den kurzfristig verhinderten Matthias Schrappe), IQWiG-Ex-Vorsitzender Jürgen Windeler und Nida-Rümelin dann doch etwas in Wallung. Antes bekräftigte, daß in der evidenzbasierten Medizin ein jahrelanges Maßnahmenregime ohne erkennbare Anstrengungen zur Evaluation und Fortentwicklung undenkbar sei.
Windeler drückte sein Befremden darüber aus, daß sein „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen” während der ganzen Zeit keinen einzigen Anruf erhalten habe.
Nida-Rümelin zählte eine abgebrochene Seroprävalenzstudie sowie die ignorierten Publikationen des weltweit meistzitierten Professors Ioannidis zur geringen Mortalität von SARS-CoV-2 auf , und zitierte süffisant Drostens haarsträubende Bemerkung, „in Afrika würden bald die Leute auf den Straßen sterben“, was auf Grund der überwiegend sehr jungen afrikanischen Bevölkerung schon damals peinlicher Unsinn war.
Alle Teilnehmer von Seiten der Wissenschaft waren sich einig, daß es weder den angeblichen Konsens gab, noch sich Politik auf diesen hätte berufen dürfen, da die Wissenschaft stets nur einseitige Erkenntnisse liefere, die Politik aber immer die gesamte Gesellschaft im Auge behalten müsse.
Covid als Blaupause fürs Klima?
Im letzten Panel ging es darum, inwieweit man aus den Fehlern der Corona-Maßnahmen lernen kann, bei der aktuell hitzigen Klimadiskussion nicht schon wieder das Kind mit dem Bade auszuschütten. WELT-Wissenschaftsredakteur Axel Bojanowski verwies darauf, daß Klimaschutz eigentlich Klimaökonomie sei, die versucht zu bewerten, mit welcher Maßnahme man bei begrenzten Mitteln den maximalen Erfolg erzielt. Kurz gesagt: Ist es sinnvoller, in Klimaanlagen, Hochwasserschutz und Umsiedlung zu investieren, oder in CO₂-Reduktion?
2018 hat Professor Nordhaus für diese Disziplin sogar einen Nobelpreis bekommen, und doch würden Klima-Ökonomen in Deutschland mit „Klimaleugnern“ gleichgesetzt und vollständig ignoriert.
Klimaforscher Hans von Storch beklagte die Entwicklung der Wissenschaft zur „Hilfstruppe der Politik“, während die Politik zur vermeintlichen Ausführenden einer einheitlichen Wissenschaft mutiere. Eine unheilige Allianz.
Philipp Amthor (CDU) unterstellte der selbsternannten „Last Generation“ ein fundamentales Missverständnis der Bundesverfassungsgerichts-Urteils von 2021: Dieses verlange von der Bundesregierung lediglich ihre eigenen Gesetze anzuwenden, keinesfalls aber die Abschaltung von Atomkraft. Tatsächlich könne das Urteil die Rückkehr zur Atomkraft sogar induzieren.
Zwischen den Zeilen meinte ich auch herauszuhören, daß etwa bei einem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen die Grundlage für das Urteil sogar ganz entfalle (was man natürlich aktuell höchstens denken, aber nicht sagen darf).
Abschließend fasste der Denkfabrik-R21-Vorsitzende Andreas Rödder die Analogien von Corona und Klima so zusammen:
- Das Framing als „existentielle Bedrohung”
- Die Tendenz zur „religiösen Überhöhung”
- Unrealistische Ziele führen zur Eskalation der Mittel
Sein einfacher, aber einleuchtender Lösungsvorschlag: Wer effizient CO₂ einsparen will, sollte nicht dort investieren, wo es am Teuersten ist, sondern in Drittweltländern, wo man mit dem gleichen Einsatz das Mehrfache an CO₂ reduzieren könnte als in Deutschland.
Fazit
Ein Tag, der Hoffnung machte, und ein Thinkthank, dem man nur die beste Zukunft wünschen kann als Balance zu den ganzen linksdominierten Propaganda-NGO’s.
Das Programm war, wie schon erwähnt, fast ein bißchen zu dicht gepackt, auch könnte man sich vorstellen, etwas mehr Gegenmeinung zu provozieren, um in Richtung eines echten Austauschs von Argumenten zu kommen. So ließ Nida-Rümelin unerwähnt, daß er in seiner Rolle als stellvertretender Vorsitzender des Ethikrates für eine Teil-Impfpflicht votierte (zumindest habe ich ihn nicht darüber reden gehört).
In der Juristenrunde galt zumeist der Satz „Vier Stühle, eine Meinung” – ein Vorwurf, den man ansonsten gerne mal dem ÖRR macht. Überhaupt wurde gerne ohne Namen gearbeitet, auch wenn doch jeder Zuhörer wusste, wann Drosten oder Brinkmann gemeint waren.
Nur ein Name fiel immer wieder explizit: der von Angela Merkel.
2 Kommentare. Leave new
Viel Lärm um Nichts. Für die Durchsetzung der Klimaziele werden, die Grünen bald Umerziehungslager fordern. Der gesunde Menschenverstand wird abgeschaltet. Schau auf den WHO PANDEMIEPACK, dann kriegst du das große Krausen. Die große Masse der hirngewaschenen MSM Gläubigen, wird begeistert mitmarschieren. Menschen- und Grundrechte werden radikal aussortiert.
Es wird immer (wieder) vom ‚Staat‘ gesprochen/ geredet. Welcher ‚Staat‘?
Schon Prof. Carlo Schmid hat gesagt “ … wir haben keinen Staat zu errichten- keine Verfassung zu machen….“ ! DAS war schon 1948; und er war einer der Installatoren der BRD.
Der § 15 im GVG wurde gestrichen/ weggefallen. Was stand denn dort?
(1. Oktober 1879)
§15
(1) Die Gerichte sind Staatsgerichte.
ff
Auch [1. April 1924]
§15
(1) Die Gerichte sind Staatsgerichte.
ff
NUR, das aus den Staaten verwaltete Länder wurden!
Wenn ich davon ausgehe, das die Bundesrepublik die Verwaltung der Wirtschaftsgebiete IST, sind alle sogenannten juristischen Vorfälle der Privatwirtschaft zuzuordnen. Ergo eine private ‚Rechtsprechung‘!
Noch was: a lt. Überleitungsvertrag von 1952/ 1956 (der explizit 1990 in Teilen, in genau diesen Teilen, ausgeschlossen wurde) das Aussenminiserium UND das Miliärische von den Besatzern genehmigt werden MUSS!
Ausserdem hat Herr Baker, aus den USA, den §23 im GG gestrichen- wie geht das?
2006,207,2010 wurden die Gestze und Verordnungen von den USA auf / bis 1956 (Überleitungsvertrag?) bereinigt! Sprich die Zusständigkeit der Justiz GESTRICHEN.
Soviel zum ‚Staat‘ federal republic OF germany/ – D´Allmagne.
Karl