Frankfurt ist sicher eine Stadt der Superlative, im Positiven wie im Negativen. Zur Main-Metropole gehört der größte Flughafen Deutschlands, keine andere deutsche Stadt weist mehr Wolkenkratzer auf als die hessische Skyline-Metropole. Und schließlich ist Frankfurt einer der weltweit wichtigsten Finanzplätze. Aber die Stadt steht auch in der deutschen Kriminalitätsstatistik meistens an erster oder zweiter Stelle. Vor allem das Bahnhofsviertel ist wegen der oft gewalttätigen Drogenkriminalität gefürchtet.
Da kann ein wenig Imagepflege gelegentlich nicht schaden. Ende vergangenen Jahres war es wieder einmal so weit: Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Nikola Hagleitner Vorstandsmitglied der Deutschen Post, präsentierten stolz einen Sonderstempel: „Frankfurt am Main, City of the Euro“, prangte da auf den Briefumschlägen.
Anlass für diese Aktion war die Entscheidung, die neue europäische Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA in Frankfurt anzusiedeln. Das Akronym steht für „Anti-Money-Laundering-Authority“.
In wenigen Wochen, voraussichtlich im Juli 2025, soll AMLA ihre Arbeit aufnehmen. Mittelfristig werden bis zu 500 Mitarbeiter für diese europäische Behörde tätig sein, die im Frankfurter Messeturm ihre Büros beziehen, einer der teuersten Immobilien der Stadt. Dann sollen Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Terrorfinanzierung und andere Formen der Finanzkriminalität effektiver bekämpft werden, so lautet die Botschaft, und der wird wohl keiner widersprechen. Die Amerikaner nennen so etwas „motherhood and apple pie“ (Mutterschaft und Apfelkuchen) – wer kann schon etwas dagegen haben?
Hinzu kommt, dass mit der Ansiedlung von AMLA Frankfurt als Sitz wichtiger europäischer Institutionen weiter gestärkt wird. Nach der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) kommt nun also die dritte europäische Finanzinstitution nach Frankfurt. Alle drei beschäftigen zusammen mehr als 5.500 Mitarbeiter.
Gefahr für die finanzielle Privatsphäre
Aber es gibt durchaus auch sehr kritische Stimmen. Zum einen die Sorge, AMLA könnte die finanzielle Privatsphäre auch unbescholtener Bürger weiter beschneiden und gleichsam als operativer Arm zur Einführung eines europaweiten Vermögenswerteregisters fungieren. Zum anderen wird die sicher berechtigte Frage gestellt, ob es dieser neuen Behörde, die jährlich zig Millionen Euro an Steuergeld verschlingt, angesichts des schon bestehenden dichten weltweiten Überwachungsnetzes überhaupt bedarf.
Die AMLA ist Teil des europäischen Anti-Geldwäsche-Pakets, das im Sommer 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und seither in der Regel als AML-Paket bezeichnet wird. Vor allem für Privatpersonen relevant ist der Teil dieses Pakets mit der Bezeichnung AML-VO, da darin festgeschrieben ist, wie der private Sektor bei der Bekämpfung der Finanzkriminalität künftig in die Pflicht genommen wird.
Die Bestimmungen werden ab Juli 2027 beziehungsweise Juli 2019 angewendet. Bemerkenswert: Sie sind unmittelbar in allen EU-Staaten gültig und bedürfen keiner weiteren Umsetzung in nationales Recht. Sprich: Die nationalen Parlamente haben nichts zu sagen.
Was bedeutet das konkret für Kunden und Anleger? Sie müssen sich darauf einstellen, dass sie künftig nicht nur von Banken und Versicherungen hinsichtlich ihrer Personalien und Risiken „durchleuchtet“ werden, sondern auch von einer ganzen Reihe weiterer zu besonderer Sorgfalt verpflichteter Personen und Unternehmen, den sogenannten Verpflichteten. Dazu gehören unter anderem Kunsthändler, Juweliere, Glücksspielanbieter, Immobilienmakler, Steuerberater, Fußballvereine und -vermittler (ab 2019) sowie Kryptowährungdienstleister. Für sie gilt dann das Know-your-Customer-Prinzip (KYC). Bedeutet: Die Verpflichteten müssen ihre Kunden identifizieren, diese Identität verifizieren und das Kauf- oder Anlageverhalten des Kunden überwachen. Einfacher ausgedrückt: Die Kunden und Anleger werden gegenüber den Verpflichteten gläsern. Orwell lässt grüßen.
Außerdem besagt AML-VO, dass Barzahlungen über 10.000 Euro künftig verboten sind. Den EU-Mitgliedstaaten ist es jedoch freigestellt, niedrigere Schwellenbeträge anzusetzen. Einige machen davon schon aktuell Gebrauch, so zum Beispiel Frankreich (1.000 Euro), Belgien (3.000 Euro), Griechenland (500 Euro), Italien (5.000 Euro) und Portugal (1.000 Euro für dort steuerpflichtige Personen). Kein Wunder, dass mancher in der AMLA eine Behörde für ein künftiges Bargeldverbot oder zumindest für die Umsetzung von weitreichenden Barzahlungs-Restriktionen sieht.
Vermögenswerteregister ante portas?
Oft wird die AMLA auch als Initiator für die Einrichtung eines europäischen Vermögenswerteregisters bezeichnet, das als Grundlage für einen neuen Lastenausgleich dienen könnte, um die gigantischen Staatsschulden in den Griff zu bekommen. Offiziell werden solche Spekulationen – wie so häufig – als sogenannte Verschwörungstheorien abgetan. Tatsächlich aber hat Brüssel im Jahr 2021 eine entsprechende Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Dabei ging es darum, wie ein solches Register aufgebaut sein könnte und welche Vermögenswerte registriert werden sollten.
Im Unterschied zum bereits existierenden EU-weiten Bankkontenregister (Bank Account Register Interconnection System – BARIS) wäre ein Vermögensregister viel weitreichender und würde alle Vermögensarten umfassen, also nicht nur Bankguthaben, sondern auch Immobilien, Edelmetalle sowie Kryptowährungen (sofern Meldepflicht besteht oder aufgrund von Erkenntnissen durch Blockchain-Analysen oder Deanonymisierung seitens der Behörden).
Die Pläne für ein Vermögensregister sind aktuell noch nicht umgesetzt, aber sie liegen sozusagen in den Brüsseler Schubladen. Die AMLA wäre nicht der Initiator, könnte jedoch einen wichtigen Beitrag leisten, zum Beispiel durch Datenrecherche und Datenverknüpfung.
Bleibt die Frage, ob es der AMLA überhaupt bedarf. Tatsächlich gibt es bereits schon heute in weiten Teilen der Welt ein engmaschiges Kontrollnetz von nationalen und supranationalen Behörden, die sich mit der Bekämpfung von Geldwäsche und der Terrorfinanzierung beschäftigen. Dazu gehören auf internationaler Ebene die Financial Action Task Force (FATF), Europol und Interpol, der Internationale Währungsfonds, die United Nation Office on Drugs and Crime (UNODC) sowie die Egmont Gruppe, ein Netzwerk von Financial Intelligence Units (FIU).
In Deutschland ist die FIU beim Zollamt angesiedelt und dient als zentrale Meldestelle für Geldwäsche und Verdachtsmeldungen. Hinzu kommen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das BKA. In den USA geht das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) gegen Finanzkriminalität vor, ebenso die SEC (Börsenaufsicht) und der Inlandsgeheimdienst FBI. Auf europäischer Ebene sind bereits die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die EZB aktiv.
Für die Nicht-EU-Staaten Großbritannien und die Schweiz gelten die ALM-VO-Bestimmungen zwar nicht, aber diese Länder haben ähnliche Regulierungen, die denen der EU sehr ähnlich sind. Man sollte also davon ausgehen, dass dieses Netz an Organisationen und Kontrollorganen eigentlich ausreicht, um Finanzkriminalität zu bekämpfen. Das Beispiel der AMLA zeigt jedoch, dass – während die Politiker eloquent für weniger Bürokratie plädieren – immer mehr Bürokratie aufgebaut wird, vor allem auf Druck der EU. Doch die Effizienz der Kriminalitätsbekämpfung steigt nicht proportional mit der Anzahl der Behörden.
Auch in den USA stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der staatlichen Finanzüberwachung. Das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) ist eine Behörde des US-Finanzministeriums, die sich mit der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusbekämpfung und anderen Finanzdelikten befasst. Die seit September 2023 von Andrea Gacki geleitete Institution beschäftigt circa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und kann über ein Budget von knapp 230 Millionen US-Dollar verfügen (Fiskaljahr 2024).
Nach Einschätzung der Heritage Foundation helfe FinCEN zwar, die Geldwäsche einzudämmen, verursache aber hohe Kosten, und es fehle an aussagekräftigen Kosten-Nutzen-Analysen sowie einer rückwirkenden Überprüfung der Wirksamkeit der Regulierungen. Gemäß der Heritage Foundation gebe es kaum Beweise dafür, dass der enorme Ressourcenaufwand der FinCEN viel Gutes bewirkt habe. Auch gebe es keine Beweise dafür, welche Aspekte des amerikanischen Regulierungs-Regimes wirksam seien und welche nicht. Die Regulierung sei jedoch ein wesentlicher Faktor für den Rückgang der Zahl kleiner Broker und die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit der Regionalbanken in den USA, so der Autor Hans Kaufmann in der Weltwoche.
Bürokratiemonster Compliance
Doch nicht nur Regierungen und Behörden bringen eine Bürokraten-Armada im Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung in Stellung. Auch Unternehmen, vor allem Banken, sind verpflichtet, penibel auf eventuelle Anhaltspunkte für potenziell fragwürdige oder kriminelle Finanztransaktionen zu achten. Das Stichwort lautet: Compliance.
Dieser Begriff beschreibt die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften, aber auch internen Unternehmensrichtlinien und ethischen Standards. Im Vordergrund stehen bei Finanzinstituten aber vor allem Fragen des Datenschutzes und des Steuerrechts, was in der Praxis bedeutet, dass die Banken die Transaktionen ihrer Kunden genau unter die Lupe nehmen müssen. Nur mäßig zugespitzt könnte man also formulieren: Big Brother sitzt auch am Bankschalter.
Was passiert nun aber, wenn ein Bankkunde den Argwohn seines Instituts weckt? Die entsprechenden Pflichten sind in Deutschland vor allem im Geldwäschegesetz (GwG) verankert. Die jeweilige Bank ist demnach zu folgenden Maßnahmen verpflichtet:
-
- Verdachtsmeldungen sind an die Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls zu senden, sobald Hinweise auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung vorliegen. Die Meldung erfolgt digital über die Softwarelösung goAML, ohne dass der Kunde davon etwas erfährt (Tipping-off-Verbot).
- Die inkriminierte Transaktion wird aufgeschoben oder gesperrt, also zum Beispiel eine von dem Kunden in Auftrag gegebene Überweisung nicht ausgeführt.
- Die Bank muss die Identität des Kunden sowie den wirtschaftlich Berechtigten feststellen und alle relevanten Informationen speichern. Dazu gehören zum Beispiel Ausweisdokumente, Unternehmensregisterauszüge oder Angaben zu wirtschaftlichen Hintergründen der Transaktion.
- Die betreffende Bank ist ferner verpflichtet, in jeder Phase mit der FIU, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten.
- Alle relevanten Unterlagen und Transaktionsdaten muss die Bank mindestens fünf Jahre aufbewahren.
Sollte die Bank diesen Pflichten nicht nachkommen, drohen hohe Bußgelder und strafrechtliche Konsequenzen. Tatsächlich müssen auch kleine Sparkassen und Genossenschaftsbanken grundsätzlich dieselben Compliance-Regeln einhalten wie internationale Großbanken.
Die jährlich verursachten Kosten für den Compliance-Aufwand sind beträchtlich. Eine von Forrester Consulting im Auftrag von LexisNexis® im Jahr 2024 durchgeführte Studie belegt, dass sich allein die Compliance-Kosten im Bereich Finanzkriminalität in Europa, im Nahen Osten und Afrika (EMEA) auf rund 85 Milliarden US-Dollar belaufen. Die Kosten in diesem Bereich sind im Jahr 2023 für 98 Prozent aller befragten Finanzinstitute gestiegen. Bei den deutschen Finanzinstituten sind die Kosten zur Einhaltung der Compliance-Regeln zwischen 2022 und 2023, Schätzungen zufolge, um über zehn Prozent gestiegen. Und es ist davon auszugehen, dass der Aufwand weiter zunehmen wird, sobald AMLA mit ihrer Arbeit erst einmal richtig begonnen hat.
Was also tun? Falsch wäre unangebrachter Fatalismus, nach dem Motto: „Kann mir egal sein, ich habe nichts zu verbergen.“ Denn es geht nicht darum, ob man etwas zu verbergen hat oder nicht. Es geht vielmehr darum, dass es Dinge gibt, die den Staat nichts angehen. Und dazu gehört die finanzielle Privatsphäre, soweit sie sich im Rahmen der Legalität bewegt. Eine kritische Sensibilität gegenüber übergriffigen Staaten, die ihre Bürger (also Steuerzahler) unter Generalverdacht stellen, wäre mithin mehr als angebracht.