Antipolitik – der Weg zur Freiheit

In Argentinien passiert derzeit etwas, das in Deutschland kaum vorstellbar scheint. Argentiniens Präsident, der Libertäre und bekennende Anarchokapitalist Javier Milei, ist angetreten, um die Büchse der Pandora wieder zu schließen und sie den Göttern postwendend zurückzuschicken. Die Übel, die die ‚Götter‘ (in Wagners „Der Ring des Nibelungen“ stehen sie allegorisch für die Herrscher, also Politiker) mit der Büchse der Pandora über die Menschheit gebracht haben, ‚rächen‘ sich nun an denen, die diese Übel über dem Volk ausgeschüttet haben, wovor schon Kant (1724 – 1804), Goethe (1749 – 1832) und Wagner (1813 – 1883) gewarnt hatten:

Auf dem X-Kanal „JavierMileiDE_Kommentar“ lesen wir, dass Milei mit zahlreichen Funktionären und Politikern der „casta“ (Kaste) ‚abrechnet‘, Korruption und Veruntreuung ahndet, reihenweise vormalige Profiteure des argentinischen ‚Ancien Régime‘ entlässt und die Einrichtungen und Vorschriften zu Gunsten der casta stutzt und streicht. „¡Afuera!“, „Weg damit!“, so sein Motto. Javier Milei ist in diesem Sinne kein Politiker, sondern Antipolitiker, sein erklärtes Zielbild ist der Abbau von Politik, bis hin zur Auflösung des Staates, wie wir ihn heute kennen.

Antipolitiker Ludwig Erhard

Während in Argentinien eine Mehrheit der Bevölkerung hinter Mileis pro-freiheitlichem antipolitischen Vorgehen steht, kam Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zur Marktwirtschaft wie die Jungfrau zum Kind. Wie ein deus ex machina tauchte Ludwig Erhard (1897 – 1977) auf, der die Marktwirtschaft quasi durch einen Coup d’État einführte, wie er selbst erklärte: In den Köpfen jener Zeit sei Marktwirtschaft so undenkbar gewesen, so Erhard sinngemäß, „dass man nur in einem kühnen Durchbruch das erreichen konnte“. Er habe seinerzeit als ‚Direktor der Verwaltung für Wirtschaft‘ „heimlich und leise, so in meinen Schubladen alle Aufhebungen der Bewirtschaftung gesammelt“, und er habe alle Mahnungen und Befürchtungen in seinem Beamtenapparat „zerstreut“. „Die haben gesagt: ‚Um Gottes Willen! Sie werden doch nicht vorhaben, so etwas zu tun!‘ Ich habe gesagt, nein, nur für alle Fälle. … Und dann, am Sonntag der Währungsreform, habe ich das dann verkündet, in der sicheren und richtigen Annahme, dass an einem Sonntag keine Verwaltungsbürokratie arbeitsfähig ist. Und dann war’s geschehen.“ 

Und auch den Widerstand der Militärbürokratie konnte Erhard durch einen glücklichen ‚Zufall‘ (die Unterstützung eines ‚mächtigen‘ amerikanischen Generals) schließlich noch überwinden. 

Erhard war in diesem Sinne ebenfalls Antipolitiker wie Milei. Das ‚Deutsche Wirtschaftswunder‘ war – aus ökonomischer Sicht – natürlich keinesfalls ein ‚Wunder‘, sondern Erhard wusste, was er tat: 

„Ich wusste genau, was die Währungsreform bringen wird. Auch in ihren Auswirkungen. Und sie konnte nur gelingen, wenn wir gleichzeitig eine entscheidende Wirtschaftsreform von dem völligen Zwang hin zu einer möglichst großen Freiheit eröffnen. Das aber musste naturnotwendig die Auflösung aller Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Folge haben, aller Preisbindungen und dergleichen mehr.“ (Hervorhebung durch den Verfasser.)

Autoritärer Ökosozialismus

Später hat Erhard viel Zeit damit zugebracht, durch das Land zu fahren und den Menschen Ökonomik zu erklären; und er wurde sogar zum Kanzler gewählt, bis die Büchse der Pandora wieder geöffnet wurde und sich ein wieder erstarkter autoritärer, anti-freiheitlicher Zeitgeist den Weg bahnte – natürlich damals wie heute getarnt als anti-autoritär, sozusagen unter falschem Banner segelnd. Die heutige Deindustrialisierung, die politisch orchestrierte Zerstörung der Produktions- und Marktstrukturen Deutschlands, firmiert ja auch nicht wahrheitsgemäß etwa als autoritärer Ökosozialismus, sondern kommt unter dem Banner des ‚Klimaschutzes‘ und der ‚sozialen Gerechtigkeit‘ daher, eingesäumt mit pseudowissenschaftlichen Narrativen. Die casta schützt Menschlichkeit vor, und doch ist ihr Mittel der Zwang gegen friedliche Menschen. 

One-Trick-Pony

Die autoritäre casta bedient sich des Staatsapparates, den der Hamburger Philosoph Rolf W. Puster als One-Trick-Pony beschrieb, denn alle Wirksamkeit des Staates gehe letztlich auf seine Fähigkeit zurück, Zwang auf seine Bürger auszuüben. Und Puster legt auch die praxeologische Erkenntnis dar, dass sich Politik im Sinne von Zwang gegen friedliche Menschen schlichtweg nicht legitimieren lässt, auch wenn sich Heerscharen von Philosophen mit geistigen Purzelbäumen den Machthabern angedient haben, um solcherlei legitimistische Narrative aus dem Hut zu zaubern. Es war übrigens Ludwig Erhards Doktorvater Franz Oppenheimer (1864 – 1943), der den Begriff des Legitimismus verwendete, sozusagen als den untauglichen Versuch der Herrscher, die soziale und ökonomische Unterdrückung der Beherrschten zu rechtfertigen.

Rationale Ethik

Der in Brasilien ansässige Ökonom Antony P. Mueller legte jüngst dar, dass wir dank der Praxeologie, der von Ludwig von Mises (1881 – 1973) begründeten Handlungslogik, nunmehr sowohl über eine rationale Psychologie als auch über eine rationale Ethik verfügen, die die Menschen befreien können. Aber die Menschen wüssten eben noch nicht, dass es eine Alternative gibt zur Politik, wie wir sie heute kennen, zum Links-rechts-Schema. Die Leute seien geistig in einer Zwickmühle, wenn sie gegen links seien, aber auch nicht rechts seien wollen, und den Ausweg hieraus nicht finden könnten. Es handele sich um eine Zwickmühle, die zum „Irrsinn“ führe, weil die Dimension zu eng gefasst ist. Man fühle sich, als sei man in einem Käfig, und da gebe es nur links und rechts, und man merkt gar nicht, dass der Raum dreidimensional ist, dass der Ausstieg aus der Zelle oben ist. Aber man habe nie hochgeblickt, sondern immer nur nach links und rechts. 

Zutiefst ungerecht, unethisch und unmoralisch

Der in Madrid ansässige Ökonom Philipp Bagus wies jüngst in dem Podcast „Mises al Dante“ darauf hin, dass es wichtig sei, die Menschen auch emotional zu erreichen, wenn man die Aufmerksamkeit einer größeren Öffentlichkeit gewinnen will. Milei sei beispielsweise bei der Jugend Argentiniens so gut angekommen, weil er emotional auftrat und sich die Wahrheit laut und pointiert sagen traute. Milei hat eben keine Angst, Linke zu triggern – im Gegenteil. Neben Mileis Fähigkeit, Marktwirtschaft, Libertarismus oder Freiheit eingängig und quasi formelhaft immer und immer wieder zu erklären, sodass die Botschaften bei den Menschen hängen bleiben, sei der emotionale Impetus wichtig. Milei versteckt sich nicht hinter einer ‚sanften Sprache‘, wie dies viele Machtpolitiker tun, sondern er legt den Finger in die Wunde. Bagus meint, weil es so wichtig sei, die Menschen emotional zu erreichen, ist eine ethische Argumentation unverzichtbar. Der Sozialismus führe eben nicht nur ökonomisch zur Verarmung der Menschen, sondern er ist zutiefst ungerecht, unethisch und unmoralisch, so Bagus sinngemäß. 

Govern Me Harder, Daddy!

Aus der Praxeologie folgt eine rationale Ethik in dem Sinne, weil wir das menschliche Handeln a priori in feindliches Handeln, freundliches und zumindest friedliches Handeln kategorisieren können: Der Einsatz von Täuschung, Zwang und Gewalt, um friedliche Menschen zu einer Handlung oder Unterlassung zu bringen oder sie an ihrem Besitz zu schädigen, einschließlich an dem Besitz an ihrem Körper, ist eben von vornherein eine feindliche Handlung – das muss man nicht empirisch testen. Die Kindergarten-Ethik „Was du nicht willst, dass man dir tut, dass tu auch keinem anderen an“, ist eben keine rationale Ethik, weil die Präferenzen der Menschen, was sie nicht wollen, subjektiv sind und von ihren Einstellungen und Überzeugungen abhängen. „Govern me harder, daddy!“, mag die Einstellung von so manchem ‚Gestockholmten‘ sein, aber viele Menschen möchten eben nicht beherrscht werden – warum auch? Niemand hat den Herrschern das ‚Recht zur Herrschaft‘ gegeben, sondern sie haben es sich genommen, und zwar nicht mit Vertrag, sondern mit Macht, mit Zwang und Gewalt.

Die große Lüge

Die große Lüge, dass eine Handlung ‚gerecht‘ sein könne, wie etwa Umverteilung, bei der ein anderer Mensch mit Zwang an seinem Besitz geschädigt wird, also wenn insgesamt aus Sicht aller Beteiligten betrachtet eine feindliche Handlung vorliegt, kann als das entlarvt werden, was sie ist: Eine Lüge. 

Der Mensch ist ein Gesellschaftswesen. Straßen, Schulen, Wohltätigkeit und dergleichen sind wichtig für die Menschen und damit für die Gesellschaft, in der sie zusammenleben. Aber Zwang und Gewalt sind nicht nur unnötig, um solche Leistungen zu erbringen, sie pervertieren diese in feindliche Handlungen. Die Gesellschaft wird zu einem ‚Gewalterlebnispark‘. 

Natürlich möchte man sich gegen Gangster und Schläger verteidigen, keine Frage, und der Einsatz von Zwang gegen Angreifer ist keine feindliche Handlung; es ist die Verteidigung gegen eine feindliche Handlung – oder ihre Widergutmachung oder Vergeltung. Aber Herrschaft über friedliche Menschen ist eine Aggression und weder Verteidigung noch Vergeltung.

Aufklärung und Antipolitik

Nel mezzo del cammin di nostra vita
mi ritrovai per una selva oscura,
ché la diritta via era smarrita
. 

So beginnt Dante (1265 – 1321) seine „Göttliche Komödie“. Auf Deutsch etwa: „In unseres Lebensweges Mitte, befand ich mich in einem dunklen Walde, denn abgeirrt war ich vom rechten Wege.“

Dante verwendet zu Beginn des „Inferno“ zunächst „unser“ (nostra) und dann „ich“ (mi) – wie auch am Ende des „Paradiso“ –, und zeigt damit, dass er hier exemplarisch steht für die Gesellschaft, ja die Menschheit. Seine Reise durch Hölle und Fegefeuer ist eine Bestandsaufnahme der psychischen und ethisch-moralischen Verwerfungen seiner Zeit – und die Suche nach einer Lösung!

Dante war Aufklärer über die Psychologie der Menschen, der Mächtigen, der Ohnmächtigen und der Mitläufer. Und auch Immanuel Kant, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller (1759 – 1805) und Richard Wagner klärten ihre Mitmenschen auf über die Ränkespiele der Mächtigen und deren verheerende Folgen.

Heute ist es an uns, aufzuklären, mit bescheideneren künstlerischen Mitteln zwar, aber dafür ausgerüstet mit einer rationalen Ethik, mit dem Schwert der Praxeologie, das die Lüge zerschneidet und die Wahrheit ans Licht bringt. Mit der Praxeologie und deren rationaler Ethik können wir den Finger immer und immer wieder in die Wunde legen: Herrschaft über friedliche Menschen ist zutiefst ungerecht, unethisch und unmoralisch! J. R. R. Tolkien (1892 – 1973) drückte es wie folgt aus: 

„… die unpassendste Beschäftigung für jedweden Menschen, selbst für Heilige (die wenigstens eine solche Beschäftigung am allermeisten ablehnen müssten), ist es, andere Leute herumzukommandieren.“ Kein einziger unter Millionen sei hierzu geeignet, und am wenigsten diejenigen, die danach streben. 

Antipolitik statt Politik also.

Quellen und weiterführende Links:

Der Kompass zum lebendigen Leben. Ein Buch über die Logik des Handelns (Andreas Tiedtke)

Antipolitik (Antony P. Mueller)

„Ich bin die Revolution“ – Im Ring des Nibelungen lässt es Richard Wagner Machtpolitikern und Geldmonopolisten dämmern (Andreas Tiedtke)

Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? – zu Immanuel Kants 218. Todestag (Andreas Tiedtke)

JavierMileiDE_Kommentar auf X (@JavierMileiDE). Deutschsprachige Information über Javier Milei und seine argentinische Präsidentschaft

Der Nachweis eines menschengemachten Klimawandels ist nicht erbracht. Eine erkenntnistheoretische Kritik (Andreas Tiedtke)

Wider den Werte-Wahn (Rolf W. Puster)

Endet die Versklavung nie? | Antony P. Mueller im Gespräch mit Benjamin Mudlack

Javier Milei – mit Philipp Bagus | Mises al Dante #6 (Benjamin Mudlack und Andreas Tiedtke)

Bereichserwachen (Andreas Tiedtke)

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