Künstler: Daryl Hall, John Oates
Album: Private Eyes (RCA, 1981)
Auch die beste Ehe kann nach langen Jahren, selbst kurz vor der Goldenen Hochzeit, noch scheitern. In der Musik ist es nicht anders. Die Rede ist von einem der erfolgreichsten Musik-Duos nach Simon & Garfunkel: Daryl Hall und John Oates, meist einfach Hall & Oates genannt. Die beiden tourten bereits seit 1970 gemeinsam durch die Musikgeschichte und sind beide bis heute musikalisch tätig.
Es ist gerade mal ein gutes halbes Jahr her, da läuteten Daryl und John mit einem Knall das Ende ihrer 50-jährigen, so erfolreichen gemeinsamen Karriere ein. Und zwar mittels eines Rechtsstreites um ihre hauseigene Produktionsfirma „Whole Oats Enterprises“. Laut dem Rolling Stone Magazine soll Oates heimlich versucht haben, Anteile des Unternehmens an einen Verlag zu verkaufen. Hall konnte, laut der Musikzeitschrift, das dann zwar noch verhindern, aber es stellte natürlich einen riesigen Vertrauensbruch dar. Das ganze eskalierte immer weiter und fand seinen Höhepunkt im November letzen Jahres, als Deryl Hall vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen seinen Partner John Oates erwirkte.
Somit ist es für mich im Moment kaum vorstellbar, dass die beiden Ausnahmetalente jemals wieder zusammen finden werden, zu tief sind die Gräben.
Mich tröstet aber ihre Hinterlassenschaft, und das ist ein komplettes Regalfach voller Schallplatten. Ganze 79 Alben haben Hall & Oates herausgebracht. Sicherlich sind darunter eine Menge Live-Alben und Compilations, aber trotzdem ist das eine unfassbare Anzahl an Tonträgern, und dazu kommen ja auch noch über 130 Singles sowie weit über 100 Beiträge auf Samplern. Respekt!
In einer Ehe würde bei so viel Reichtum sicherlich auch ein Rosenkrieg ausbrechen, sollte das Finanzielle nicht irgendwo schriftlich klar geregelt. sein, zum Beispiel in einem Ehevertrag.
Auf der anderen Seite: 50 Jahre sind eine sehr lange Zeit für eine kreative Zusammenarbeit und warum sollte es nicht neue Früchte tragen, wenn die beiden noch ihre Solokarrieren voran bringen? Mit weit über 70 sind die beiden Musiker allerdings auch nicht mehr die Allerjüngsten.
Oates selbst sagte erst, er sei froh, bei seinen Solo-Konzerten nicht mehr die gemeinsame Musik spielen zu müssen, die neue fühle sich dagegen „wie ein frischer Wind an“. Zitat: „Ich habe mich weiterentwickelt. Es geht nur darum, in meiner Gegenwart zu leben.“
Aber lassen Sie uns nochmal einen Blick zurück in die gemeinsame Zeit werfen: Schon in den 70er Jahren stellten sich die ersten Charterfolge ein. Damals experimentierten Hall & Oates mit verschiedenen Stilen zwischen Folk, Rock und Soul und entwickelten ihren Sound mit verschiedenen Produzenten immer weiter, bis sie nach fast zehn Alben Anfang der 80er selbst das Steuer in die Hand nahmen und fortan ihre Musik selbst produzierten. Erstmals zu hören auf dem Longplayer „Voices“ von 1980.
Interessant daran ist, dass sich die größten Erfolge des Duos genau in dieser Zeit einstellten, als die beiden alles in eigene Hände nahmen. Zwischen 1981 und 1985 wurden mehrere Alben mit Gold und Platin ausgezeichnet und auch die Singleauskopplungen der beiden schlugen voll ein, darunter Top-10-Songs, wie „Private Eyes“ und „Did It in a Minute“, die Welthits „Maneater“ und „Out of Touch“, und vor allem ein Song, den ich bis heute besonders liebe: „I Can’t Go for That (No Can Do)“. Dieser Hit ist auf dem zehnten Studioalbum „Private Eyes“ aus dem Jahr 1981 zu finden, das sich heute auf dem Plattenspieler des Sandwirts dreht.
Wie schon erwähnt, gehört die Scheibe zu den ersten selbst produzierten Werken von Hall & Oates und wurde komplett in den legendären, von Jimi Hendrix gegründeten, „Electric Lady Studios“ in New York aufgenommen. Sie holten sich dazu ein paar wenige Studiomusiker zur Unterstützung, spielten jedoch die meisten Instrumente selber. John Oates übernahm Keyboards, Gitarre und Mandogitarre, Deryl Hall kümmerte sich um die Keyboards, die Synthesizer, Gitarre und die Streicher. Und er programmierte das Computerschlagzeug, das für mich prägendste und entscheidende Element, insbesondere auf meinem Lieblingssong „I Can’t Go for That“.
Anfang der 80er Jahre waren Drumcomputer und Synthesizer eine noch junge Form der Klangerzeugung und in der populären Musik gerade voll im kommen. Von Disco über Funk bis hin zum Jazz, in vielen Genres experimentierten jetzt die Musiktüftler mit elektronischen Instrumenten. Während die meisten Produzenten die neuen Sounds aber voll in den Vordergrund stellten, fasziniert mich bei Hall & Oates, dass sie die modernen Instrumente dezent, mehr als Mittel zum Zweck nutzten und in das bisherige Setting so gut integrierten, dass die 80er-Platten nicht wie ein Upgrade in eine neue Musikwelt, also nicht total anders als vorher klangen, sondern dass es sich wie eine natürliche Weiterentwicklung in moderne Zeiten anfühlte.
Bestes Beispiel auch hier ist wieder „I Can’t Go for That“. Das Schlagzeug kommt komplett aus der Dose, liegt aber wunderbar unaufdringlich im Klangbild und wird durch einen groovenden Bass und warme Flächen aus dem Synth, sowie diverse Streicher perfekt unterstützt. Ein Meisterwerk der Musikproduktion, Anfang der 80er.
Der Rest auf dem Album ist einfach gutes Songwriting. Die Melodien sind eingängig, fast schon poppig, die Refrains brennen sich, musikalisch wie textlich, sofort in den Gehörgang ein und sind auch nach mehrfachem Waschen nicht so schnell wieder heraus zu bekommen.