Auf dem Plattenspieler: Mattafix

Künstler: Mattafix

Song: Big City Life – veröffentlicht auf dem Album Signs of a Struggle, Virgin Records/ EMI 2005

Was ist der Mensch eigentlich? Was macht ihn aus? Sind wir wirklich für das Leben gemacht, das wir führen – oder haben wir uns in einem künstlichen Kokon verfangen, der uns von der wahren Natur unseres Daseins entfernt hat? 

Wenn man durch die Straßen einer Großstadt geht, wirken diese Fragen besonders drängend. Die Hektik, der Lärm, die ständige Bewegung – so viel „Fülle“, und doch scheint irgendwie alles „leer“. In den Gesichtern der Menschen, die vorbeiziehen, spiegelt sich keine Faszination über die vielfältigen Angebote unserer Zeit – sie müssten doch förmlich platzen vor lauter Freude über ihre Möglichkeiten! –, sondern vielmehr eine gewisse Traurigkeit, eine stille Resignation. Und dieser Anblick verwundert auch kaum jemanden mehr. Aber sollte das nicht eigentlich verwunderlich sein?

Inmitten dieser glänzenden Fassaden, technologischen Wunderwerke und der schnellen Lebensweise verlieren die Menschen etwas Entscheidendes: die Verbindung zu sich selbst, zu ihrer eigenen Natur und zu anderen. Und das erklärt ihre Unzufriedenheit. Genau an diesem Punkt der Entfremdung und der Einsamkeit tritt der Song „Big City Life“ von Mattafix auf die Bühne – ein Lied, das das Lebensgefühl in einer solchen Gesellschaft pointiert einfängt:

Don’t you want to know me? 

Be a friend of mine

I’ll share some wisdom with you

Don’t you ever get lonely 

From time to time?

Don’t let the system get you down

Big city life

Me try fi get by

Pressure nah ease up no matter how hard me try

Mit „Big City Life“ reflektierte Marlon Roudette, Stimme und Songwriter des Duos Mattafix, eigentlich seine inneren Kämpfe des Lebens in London. Der Text wurde jedoch absichtlich vage gehalten, um auch das moderne Leben im Allgemeinen zu thematisieren – eine Parabel, die heute, 20 Jahre später, mehr denn je trifft.

Marlon Roudette wuchs zunächst in London auf, verbrachte dann jedoch aufgrund seines familiären Hintergrunds auch viele Jahre auf der Karibikinsel St. Vincent, bevor er mit 17 Jahren nach „Old Smoke“ zurückkehrte. Dort traf er dann auf Preetesh Hirji, der später für Beats und Produktion bei Mattafix verantwortlich wurde, und bis dato sein ganzes Leben lang in London verbracht hatte. Gemeinsam schufen die beiden ein musikalisches Konzept, das Hip-Hop, Reggae und elektronische Musik miteinander verbindet und gleichzeitig ein vielschichtiges Bild der Welt zeichnet – sowohl musikalisch als auch sozial und kulturell.

Roudettes Texte zeichnen sich durch eine tiefe Reflexion über die Herausforderungen des urbanen Lebens aus – ein häufig wiederkehrendes Thema ist die innere Unruhe, die entsteht, wenn man sich in einem System verliert, das keinerlei Rücksicht auf das individuelle Wohlergehen nimmt.

Ein besonders markantes Merkmal ihrer Musik sind die Patois-Passagen, die durch Roudettes Zeit auf St. Vincent ihren Weg in die Songs fanden. Patois ist ein Kreolisch, das auf den karibischen Inseln (insbesondere in Jamaika und St. Vincent) gesprochen wird. Es wurde ursprünglich von den schwarzen Bewohnern der Karibik als Widerstandszeichen gegen koloniale Unterdrückung entwickelt. Patois entstand aus einer Mischung afrikanischer Sprachen und europäischem Englisch und ist in der karibischen Musikszene weit verbreitet, vor allem im Reggae und Dancehall. In der Musik von Mattafix ist es daher ein kraftvolles Symbol – es steht für den Kampf gegen ein unterdrückendes System.

Mattafix wurde im Jahr 2004 gegründet – und nur ein Jahr später gelang dem Duo mit „Big City Life“ der internationale Durchbruch. Der Song, zugleich die erste Singleauskopplung ihres Debütalbums „Signs of a Struggle“, avancierte auf Anhieb zum Hit und stürmte in zahlreichen europäischen Ländern die Charts, darunter auch in Deutschland. Selbst in den Vereinigten Staaten, wo es europäische Künstler seit jeher schwer haben, Fuß zu fassen, fand er breite Resonanz! „Big City Life“ traf einen weltweiten Nerv – in Klang, Text und Haltung. Dass es ausgerechnet Mattafix waren, die diese Botschaft formulierten, fügte sich stimmig in das künstlerische Selbstverständnis, das sie von Beginn an kultiviert hatten. Auch „Signs of a Struggle“ als Ganzes fand Anerkennung, performte solide und festigte den Ruf von Mattafix als aufstrebende, bald international etablierte Größe der Musikszene.

Doch es kam anders als erwartet: „Big City Life“ blieb der einzige große Erfolg von Mattafix – nicht nur, weil ihre Musik wahrscheinlich zu sperrig für den Mainstream war, sondern vor allem, weil sie sich auch kaum Zeit für mehr gaben: Nach ihrem Debütalbum 2005 erschien 2007 der Nachfolger „Rhythm and Hymns“ – ein Werk, das ohne die große, alles tragende Single auskommen musste und entsprechend weniger Resonanz fand. Und schon zwei Jahre später, 2009, trennten sich Roudette und Hirji wieder! Unterschiedliche Vorstellungen über die musikalische Richtung ließen ein gemeinsames Weitergehen wohl nicht zu, wie Roudette später äußerte. 

Roudette setzte seine Karriere als Solokünstler fort. Er erreichte zwar respektable Erfolge, auch über längere Zeit hinweg, blieb aber hinter der internationalen Strahlkraft von Mattafix zurück. Sein Wirken blieb vor allem auf England und Teile Europas begrenzt. Hirji hingegen zog sich still aus der Öffentlichkeit und der Musikbranche zurück – es ist nicht bekannt, was er seit seiner Zeit bei Mattafix macht.

Die Geschichte von Mattafix ist zusammenfassend also nicht gerade von dauerhaftem Erfolg oder stetiger Präsenz geprägt – aber genau das zeigt, dass der Erfolg von „Big City Life“ nicht auf kommerziellem Kalkül oder der „Rockstar-Aura“ beruhte. Es war wirklich das Thema, das den Song trug. Das Lied drückte etwas aus, das offenbar Menschen weltweit ansprach.

Die „City“, die Mattafix in ihrem Lied beschreiben, ist mehr als ein Ort – sie symbolisiert einen Zustand, in dem sich die Menschheit verfangen hat. Sie spiegelt eine Gesellschaft wider, die im Überfluss an Möglichkeiten ihre eigene Identität verliert, vereinsamt und mental verkommt. „Big City Life“ dokumentiert ein Leben im Schatten der Potenziale.

Wir müssen uns jedoch nicht zwangsläufig so fühlen, wie es in „Big City Life“ beschrieben wird – es ist möglich, sich diesem Strudel zu entziehen!

„Sie sind kein Teil der Welt, so wie ich kein Teil der Welt bin.“, sagte Jesus in Johannes 17:16 über seine Anhänger. Ein Satz, der in seiner Schlichtheit, gerade auf unsere Zeit umgemünzt, meiner Meinung nach revolutionärer ist als jede politische Parole. Er bedeutet, dass man die Freiheit hat, die innere Zugehörigkeit zu einem „falschen“ System zu verweigern. Nicht alles mitzumachen, was die Epoche fordert. Nicht jede Technologie zu adoptieren. Nicht jedem Trend zu gehorchen. Sondern bewusst zu wählen: echte Bindungen statt flüchtiger Kontakte; Weisheit statt Reizüberflutung; Natur und Tiere als stille Lehrer universeller, uralter Fakten.

Es bedeutet, dass der wichtigste Akt der Rebellion heute nicht Lärm ist, sondern Stille. Nicht Empörung, sondern Integrität. Dass der wahre Revolutionär heute der ist, der sich selbst nicht verliert: Wer in einer Welt, die auf Täuschung gebaut ist, die Wahrheit in sich bewahrt, der sprengt Ketten, die andere nicht einmal mehr spüren.

Am Ende bleibt nichts anderes übrig, als still zu werden. Tiefer zu hören. „Den eigenen Namen nicht zu vergessen“. Während die Welt sich immer schneller im Kreis dreht, während Gesichter zu Masken werden und Worte zu Schall, wird der, der bei sich bleibt, zum „letzten freien Menschen“.

Vielleicht war das die eigentliche Botschaft von Mattafix – und vielleicht ist sie heute dringender denn je!

Hören Sie hier auf Youtube „Big City Life“ von Mattafix.

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