Auf dem Plattenspieler: Prince

Künstler: Prince

Song: Slave – veröffentlicht auf dem Album Emancipation (EMI 1996)

Prince, die 2016 verstorbene Musiklegende aus Minneapolis, war stets ein Symbol für künstlerische Freiheit und Individualität. In seiner 38 Jahre währenden Karriere veröffentlichte er unglaubliche 39 Studioalben – eines innovativer und experimenteller, als das andere. Diese Zahl ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die meisten Künstler in ihrer gesamten Laufbahn nur einen Bruchteil des Umfangs dieses Gesamtwerks erreichen – so veröffentlichte Stevie Wonder beispielsweise in 60 Jahren „nur” 23 Alben; David Bowie in 54 Jahren „nur” 26.

Prince’ Lebenswerk war geprägt von seiner Entschlossenheit, sich niemals den Zwängen von Autoritäten oder gesellschaftlichen Erwartungen zu beugen. Besonders bemerkenswert aber war sein Widerstand gegen die Musikindustrie. Denn Prince war ein Freigeist, der sein Leben und seine Kunst nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten wollte – und spielte deshalb auch „das Spiel der Plattenbosse“ nicht mit.

Seine Frustration resultierte daraus, dass sein Label, Warnes Bros., entschied, wann und wie er neue Alben veröffentlichen durfte. Es war weniger oft, als er es gerne gewollt und auch gekonnt hätte – und zudem durften die Alben nie zu experimentell sein; viele geplante Songs durfte er gar nicht veröffentlichen. Die Manager hatten die Befürchtung, andernfalls das Interesse und Mysterium rund um Prince zu überreizen und langfristig wirtschaftliche Verluste einzufahren. 

Für einen Künstler wie ihn jedoch, dessen kreative Energie scheinbar unerschöpflich war, stellte dies eine unerträgliche Einschränkung dar. Musik war für ihn ein ständiger Fluss, ein Ausdruck seines innersten Selbst, den er nicht von äußeren Kräften reglementieren lassen wollte. Auch bessere Konditionen wünschte er sich – Warner Bros. behielt nämlich die Nutzungsrechte an all seinen Werken und wollte darüber gegen seinen Willen verfügen. Nach einigen Jahren des Schweigens und Hinnehmens – nicht zuletzt aufgrund seiner Mega-Erfolge in den 1980er Jahren, die er nicht in Gefahr bringen wollte – lehnte Prince sich letzten Endes auf. 

Um die Tragweite von Prince’ Kampf verständlich zu machen, möchte ich vorab einen Blick auf die enorme Macht werfen, die Plattenfirmen zu dieser Zeit über ihre Künstler hatten.

Heute können Independent-Künstler ganz einfach mit preiswertem Equipment und Social Media eigene Musik produzieren und verbreiten. Sie erstellen ihr Album im Heimstudio selbst und laden es bequem von Zuhause aus hoch. Es braucht niemanden mehr. Wollten man jedoch damals, in den 1970ern oder 1980ern eine Musikkarriere starten, war das ohne Plattenvertrag schlichtweg unmöglich. Es gab beispielsweise keinerlei zugängliches und bezahlbares Equipment. Kein Internet: Ohne die großen Radio- und Fernsehsender und ohne die großen Zeitungen und Magazine war ein Künstler in der Medienlandschaft nicht präsent und damit in der Öffentlichkeit schlichtweg nicht existent – und ein Zugang zu diesen Torwächtern der Öffentlichkeit war ohne einen Vertrag mit einem Plattenlabel de facto gar nicht erreichbar. Künstler waren vollkommen auf die Plattenfirmen angewiesen. 

Da die Labels also die einzige Chance boten, den Musikertraum zu verwirklichen, hatten diese absolute Macht – und nutzten diese Macht auch aus. Sie bestimmten nahezu alle Aspekte der Karriere eines Künstlers: Sie entschieden, in welchem Studio aufgenommen und mit welchen Produzenten gearbeitet wird. Wann und wie ein Song veröffentlicht und promotet wird. Welches Budget für die Aufnahmen, welches für das Marketing bereitgestellt wird. Wie das Cover-Artwork gestaltet wird. Welches Musikvideo produziert wird. Welche Singles ausgekoppelt, welche Interviews geführt, welche Auftritte geplant werden. Sie hatten das letzte Wort bei der Auswahl der Songs für ein Album, bestimmten häufig auch die künstlerische Ausrichtung – und noch viel mehr: Sie gestalteten die Verträge mit den Künstlern zu ihren Bedingungen und ließen keinen Widerspruch zu – unabhängig vom Status des Künstlers.

Prince sprach demnach in seinem Protest eigentlich das aus, was sich keiner seiner Musiker-Kollegen auszusprechen traute: Obwohl viele von ihnen unter ihrem Plattenvertrag litten, lehnte sich keiner nennenswert gegen die „allmächtigen“ Bosse auf – denn was hatte das schon für Erfolgsaussichten?

Dieser David-gegen-Goliath-Kampf, der sich bereits seit Ende der 1980er Jahre hinter den Kulissen anbahnte, erreichte zwischen 1993 und 1996 seine dramatischen Höhepunkte – als Prince die wohl kühnsten und prägendsten Protestaktionen durchzog, die die Musikgeschichte zu bieten hat.

Prince griff Warner Bros., die, wie zuvor erwähnt, in erster Linie um den größtmöglichen wirtschaftlichen Erfolg bemüht waren, frontal an und änderte 1993 über Nacht seinen Künstlernamen. Schon eine leichte Abwandlung wäre bereits mit verheerenden Einbußen in seinem Marktwert, verminderten Verkaufszahlen und weiteren weitreichenden Folgen verbunden gewesen. Die Marke „Prince“ war immerhin eine der bekanntesten der gesamten Musikindustrie. Und er war als Künstler einer der einflussreichsten seiner Generation. Prince legte aber nochmal einen drauf. 

Er änderte seinen Künstlernamen nicht einfach nur zu einem anderen ab, sondern in ein unaussprechbares Symbol! Dieses Zeichen – eine Mischung verschiedener Symbole, u. a. denen für männlich und weiblich – führte dazu, dass er von den Medien fortan „The Artist Formerly Known as Prince“ tituliert wurde. Ein nie zuvor gesehener, äußerst drastischer Schritt! Und nicht zuletzt ein kalkulierter Versuch, den Druck auf Warner Bros. zu erhöhen, entweder seinen Forderungen nach mehr Freiheit nachzukommen, oder die Zusammenarbeit mit ihm zu beenden. Der Aufschrei der Medien, Kritiker und Fans war enorm. Es war DAS Thema in der Musikszene!

Weiter kam der Musiker dadurch allerdings in seinen Verhandlungen nicht. Bei den Proben zu den American Music Awards im Jahre 1994 legte Prince deshalb ein weiteres mal nach: Prince betrat die Bühne mit dem Wort „Slave“ auf seiner Wange – eine metaphorische Überspitzung seiner künstlerischen Einschränkungen unter Warner Bros. 

Der Umstand, dass er den „Slave“-Schriftzug im Gesicht als Schwarzer trug, und das auch noch in Amerika, einem Land mit einer schmerzhaften Historie von Sklaverei und Rassismus, machte die Aktion natürlich noch wesentlich dramatischer. Es war ein äußerst polarisierender, harter – doch nicht zuletzt eben auch aussagekräftiger und treffender Vergleich.

Die große Angst der Plattenbosse, dass er mit diesem Wort im Gesicht auch bei der Live-Übertragung der Music Awards auftritt, bewahrheitete sich nicht. Das wusste Warner Bros. zu verhindern. Kaum vorstellbar, was los gewesen wäre, wenn Prince das wie geplant im Herzen Hollywoods vor einem Publikum mit den größten Stars der Welt zur besten Sendezeit durchgezogen hätte.

Doch er gab sich damit nicht geschlagen. Natürlich nicht! Er sagte sich: „Hier nicht? Dann eben überall anders!“ – Prince fing 1995 damit an, den provokanten Schriftzug „Slave” im Gesicht auch in der Öffentlichkeit zu tragen – und zwar ständig. Erstmals im März 1995 in London, während eines Konzerts seiner „Ultimate Live Experience Tour“. Daraufhin folgten zahlreiche weitere Auftritte und Interviews. In einem solchen Interview sagte er: 

„The word ’slave‘ is a message that I’m sending to my record company, saying, ‘You’re treating me like a slave‘, but I’m not a slave. I am a free person, and I want to be able to express myself however I want to. I want to create freely, and I want to be respected as an artist. It’s a statement against the system that tries to control us, to make us into commodities. But I’m not a commodity. I’m a human being.”

Die Missstände innerhalb der Musikindustrie wurden damit endgültig ans Licht der breiten Öffentlichkeit gebracht. Prince’ mutige Aktion sorgte weltweit für Schlagzeilen, führte erstmals im großen Stil zu kontroversen Diskussionen über die Rechte von Künstlern – und zu einem großen Riss im glamourösen Bild der US-Unterhaltungsindustrie.

Der Prozess, sich von Warner Bros. zu lösen und seine Musik unabhängig zu veröffentlichen, war langwierig und mit erheblichen finanziellen Rückschlägen verbunden. Auch die Reaktionen auf Prince‘ Widerstand waren seinerzeit geteilt: Während viele seinen Mut bewunderten und ihn als Vorreiter für Künstlerrechte feierten, gab es auch einige Kritiker, die ihn als schwierig und exzentrisch betrachteten. Vor allem in den Chefetagen der Branche machte er sich selbstverständlich keine Freunde. Dennoch ließ sich Prince nicht beirren. Für ihn ging es um weit mehr als nur um geschäftliche Differenzen – es war ein Kampf für Prinzipien, ein Einsatz für seine individuelle Autonomie, ein Ringen um Freiheit. 

Am Ende setzte sich Prince durch: 1996, nach dem Aussitzen seines Vertrags, erlangte er seine künstlerische Freiheit zurück. 1999, bei den Nachverhandlungen, wurde es Warner Bros. untersagt, seine alten Hits zu vertreiben – und Prince erhielt die volle Kontrolle über seine Werke zurück. Diese Unabhängigkeit ermöglichte es ihm, Musik fortan nach seinen eigenen Bedingungen zu kreieren und zu veröffentlichen – ohne Kompromisse.

Prince hat damals nicht nur gegen eine einzelne Plattenfirma, sondern gegen ein ganzes System gekämpft! Seine Namensänderung war ein beispielloser, rebellischer Akt im Kampf für seine Freiheit. Dass er mit dem Wort „Slave“ auf seinem Gesicht öffentlich auftrat, war ein Meilenstein in der Geschichte der Popkultur. 

Prince ist ein Vorbild. Er steht dafür, dass die Bewahrung oder Rückeroberung der persönlichen Freiheit oft Mut, Opferbereitschaft, Durchhaltevermögen und Widerstandskraft erfordert. Aber auch dafür, dass ein einzelner Mensch es mit einem ganzen Wirtschaftszweig aufnehmen und sich am Ende durchsetzen kann.

Hören Sie hier auf YouTube seinen Protest-Song gegen die Musikindustrie, „Slave“, den er auf seinem 1996 erschienenem Album „Emancipation“ platzierte – dem ersten Werk, das er ohne Warner Bros. veröffentlichen konnte.

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