Beschäftigtenzahlen: Regierungspropaganda

Im Kontrafunk hörte ich eine Aussage, die wahrer kaum sein kann: Was ist der Unterschied zwischen der Tagesschau und einer Verschwörungstheorie? – Ein halbes Jahr. 

Oftmals ist es so, dass das Flaggschiff der ARD zwar selektiv-aktuell und berechnend berichtet, es aber an Wahrhaftigkeit fehlt. Wussten anständige Medien über Jahre hinweg, dass das Coronavirus aus einem Labor stammt, so halten Jens Riewa und Kollegen diese Information geflissentlich zurück, da sie immer noch dem Spruch eines ehemaligen Innenministers – „Ein Teil der Antwort könnte das Volk verunsichern“ – Glauben schenken, was eine zutiefst illiberale und paternalistische Haltung ist.

Was die Tagesschau jedoch auch ganz gerne macht, ist, eigene Verschwörungstheorien zu kreieren. Diese sind natürlich nicht in Gänze falsch, jedoch so geframet, dass sich Meldung und Wahrheit zwar nahe stehen, sich aber – wie Parallelen in der Geometrie – niemals treffen. Und eine Unwahrheit bleibt nun mal unwahr, auch wenn sie sich wie eine Wahrheit tarnt. So frohlockt Tagesschau.de, als es um die Erwerbstätigenzahlen geht: „Trotz der schwachen Konjunktur ist die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland 2024 auf ein Rekordhoch gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, gab es im Jahresdurchschnitt hierzulande 46,1 Millionen Beschäftigte – so viele wie noch nie seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990.”

Wer sich über die Jahre hinweg mit dem Arbeitsmarkt beschäftigt, hat sich an die „Rekordzahlen“ längst gewöhnt. Ähnlich wie bei der Klimadebatte, wo der ÖRR stets von den heißesten und trockensten, gleichzeitig nassesten Tagen seit Jesu Geburt berichtet, eilt auch der Arbeitsmarkt regelmäßig von Rekord zu Rekord. Zunächst ist festzuhalten, dass eine Gruppe von Arbeitnehmern stetig wächst: Beschäftigte im öffentlichen Dienst. In diesem Sektor der Nettosteuerempfänger arbeiteten im Jahr 2023 bereits fast 5,3 Millionen Menschen.

Schön gerechnete Arbeitslosenzahlen 

Die Tatsache, dass die Zahl der produktionslosen Arbeitskräfte immer weiter wächst, ist zwar traurig, nimmt man jedoch hinzu, dass die Erwerbstätigkeit pro arbeitendem Kopf in Deutschland seit 2007 stagniert, wird es problematisch. Das heißt, während Deutschland im Verhältnis zur Weltwirtschaft unproduktiver wird, stellt das gleiche Land immer mehr Arbeitnehmer ein, die, weil sie ja Staatsangestellte sind, gar nicht produktiv sein können. Robert Habeck würde sagen: Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind nicht nicht produktiv, sie schöpfen lediglich keinen Wert.

Man kann der Tagesschau zwar keine unwahre Tatsachenbehauptung unterstellen – die Zahlen von Arbeitsbehinderungsminister Heil sind ja, zumindest vornehmlich, korrekt –, aber die Unwahrheit beginnt bereits im Weglassen. Ich unterstelle, dass in der Wirtschaftsredaktion des größten deutschen Nachrichtenmagazins auch Ökonomen arbeiten, die es besser wissen müssten. Dass keiner interveniert, kann nur dadurch erklärt werden, dass dies redaktionell so vorgegeben wurde. Spätestens hier verlässt die Tagesschau den journalistischen Raum und wird zum zweiten Bundespresseamt.

Ähnlich verhält es sich beim Gegenstück der Erwerbstätigenzahlen: den Arbeitslosenzahlen. Monat für Monat verteilen Tagesschau, Spiegel, ZDF-heute, Handelsblatt schön gerechnete Zahlen. Zunächst werden Arbeitslose über 58 Jahren, warum auch immer, erst gar nicht mit einberechnet. Ebenso finden sogenannte Arbeitssuchende – oftmals eine Unterstellung –, die in Fördermaßnahmen oder Integrationskursen stecken, in der Statistik keinen Platz. Zählt man diese beiden Gruppen zu den ursprünglich arbeitslos definierten Menschen hinzu, ebenso wie Kurzzeitbeschäftigte, dann nennt man diese Menschen „unterbeschäftigt“. Dieses Wort hat sich nicht nur für den Deutschen Euphemismuspreis qualifiziert, es verzerrt schlicht die Wahrnehmung eines realistischen Bildes des Arbeitsmarktes.

Lohnnebenkosten steigen 

Dass ein gescheiterter Politiker wie Heil und seine Vorgänger auf solche Taschenspielertricks zurückgreifen müssen, ist das eine. Die Tatsache aber, dass gestandene Medien diese Fake-News Monat für Monat ungefragt verbreiten, darf man guten Gewissens als Medienskandal bezeichnen, für den sich kaum ein Kollege zu interessieren scheint. Anders gesagt: Ökonomisch gebildete Journalisten dürften durchaus wagen, die realistische Zahl zu schätzen. Da werden aus den rund 2,8 Millionen (November 2024) Arbeitslosen durch Addition von „Arbeitsmarktpolitik” und „kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit” und Kurzarbeit schnell einmal 4 Millionen und mehr. Und das ist noch konservativ geschätzt. 

Zurück zu den Erwerbstätigen und solchen, die etwas Ähnliches wie Arbeit verrichten. Ab diesem Jahr – frohes Neues an dieser Stelle! – feiern Arbeitnehmer noch einen weiteren, besonders unschönen Rekord. Die Lohnnebenkosten erreichen ganz neue Sphären: 42,3 Prozent dürfen Arbeiter und Angestellte von ihrem Bruttolohn an Krankenkasse, Renten-, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung abgeben. Auch das hat der Arbeitsbehinderungsminister – jetzt wissen Sie, warum ich ihn so nenne – zu verantworten. Damit haben die Beschäftigten nicht nur weniger Geld im Portemonnaie, auch für Arbeitgeber wird es zunehmend unattraktiver, überhaupt noch Leute einzustellen. Aber auch hier weiß Tagesschau.de die Leute zu beruhigen.

Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale ist real 

In diesem Artikel weiß ein fremdernannter Experte aufzuatmen. So sei laut Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), der Spielraum für eine Stabilisierung der Kaufkraft in der Krise genutzt worden, „ohne Schieflagen an anderer Stelle zu verursachen”. Denn die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in Bezug auf die Lohnkosten sei stabil, meint Dullien. „Wir liegen bei den Arbeitskosten wie vor den Krisen der vergangenen Jahre im oberen Mittelfeld Westeuropas und sehen etwa bei den Exporten eine wieder aufsteigende Linie.” So redet jemand, der nicht nur von öffentlichen Geldern bezahlt wird, sondern dessen Institut auch zur SPD-nahen Hans-Böckler-Stiftung gehört.

Was Herr Dullien vergisst, ist, dass die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale real ist. Diese entsteht, wenn Lohnsteigerungen die Produktionskosten der Unternehmen erhöhen und diese Kosten durch höhere Preise an die Verbraucher weitergegeben werden. Exakt das passiert gerade. Neben den erwähnten Lohnnebenkosten steigen auch weiterhin die Energiekosten, was die Unternehmen durch den Preis kompensieren müssen. Diese Preissteigerungen belasten die Kaufkraft der Arbeitnehmer, die daraufhin – logisch – weitere Lohnerhöhungen fordern, wodurch sich die Spirale fortsetzt. Und wenn man dann noch die ebenfalls erwähnte deutsche Produktivitätsflaute hinzurechnet, besteht die Gefahr einer langfristigen wirtschaftlichen Abwärtsspirale.

Auf all das könnte auch die Tagesschau kommen. Doch vielleicht hat Henryk Broder einfach recht, als er einst meinte: Zwei Drittel in der Tagesschau ist Propaganda – der Rest ist Schrott. Beim Thema Arbeitsmarkt kann ich das nur unterstreichen.

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