Als ich vor einiger Zeit durch Zufall in das „Dschungelcamp” hineinschaltete, war ich überrascht. Nicht nur, dass meine Sportmoderatorenlegende bei dem Reality-Format teilnahm, er sah zudem noch nicht mal ein bisschen so aus, wie ich ihn noch aus ZDF-Zeiten kannte. Ob die Typveränderung etwas mit den „Skandalen” beim Bezahlsender Sky zu tun hatte, bei dem er Jahre später anheuerte, ist nicht geklärt. Für mich war Jörg Dahlmann einer der besten Kommentatoren von Länderspielen, ob gegen Island oder in der WM gegen Portugal, Italien oder Uruguay – eines der TV-Highlights in meiner Jugend.
Später wird er sagen: „Ich kommentiere so, wie ich nun mal rede. Und nicht so lehrermäßig, wie manche das tun.“ Und vielleicht ist das ja der Grund, warum ich den Mann aus Gelsenkirchen so sympathisch und wahrhaftig fand. Er ist einer „wie du und ich”, wie Thomas Gottschalk – nur ohne Wetten, dass …? Und ohne schillernde Klamotte. Dafür mit dem für den Ruhrpott üblichen losen Mundwerk, das ihm letzten Endes die Karriere gekostet hat.
Sein Rauswurf beim Bezahlsender ist anhand zweier dünner, aber tiefblickender Beispiele festzuhalten. Im ersten Fall geht es um den Torwart Loris Karius, der im Winter 2020 vom FC Liverpool an Union Berlin ausgeliehen wurde. Unglücklicherweise blieb er zu diesem Zeitpunkt auch nur Bankwärmer bei dem Verein aus Köpenick. Darüber hinaus war der Torhüter zu dieser Zeit mit der Moderatorin Sophia Thomalla liiert, die ebenfalls in Berlin wohnt.
Dahlmann als politische Zielscheibe
Im letzten Spiel des Jahres trat Union Berlin im DFB-Pokal gegen den SC Paderborn an. Jörg Dahlmann war für Sky als Kommentator im Einsatz. Als Loris Karius eingeblendet wird, lässt sich der Journalist zu folgendem Satz hinreißen: „Jetzt in Berlin sitzt er eben nur auf der Bank. Hat den Vorteil, dass er zu Hause kuscheln kann mit seiner Sophia Thomalla. Aber für so eine Kuschelnacht mit Sophia würde ich mich auch auf die Bank setzen.”
Was folgt, ist ein Shitstorm der besonderen Art. Man warf Dahlmann Frauenfeindlichkeit vor, woraufhin er sich auf Instagram etwas devot, wohl auch aus der Befürchtung heraus, seinen Job zu verlieren, rechtfertigte: „Einige werfen mir Sexismus vor. Nein, das war nullkommanull sexistisch gemeint. Aber sollte es so angekommen sein, entschuldige ich mich bei den Zuhörern und auch bei Sophia Thomalla.“
Ohne den Fall zu sehr zu besprechen, darf gesagt sein, dass Frau Thomalla sich gar nicht herabgewürdigt fühlte: „Ich habe mir den Ausschnitt immer und immer wieder angeschaut und bis heute nicht begreifen können, warum diese Sätze Grund genug waren, Jörg Dahlmann von seinem Job zu befreien. Weil er jetzt gern mit mir gekuschelt hätte? Oder weil er privat mit beruflich vermischte? Oder wollte man ihn so oder so loswerden und hatte nur auf den entscheidenden Moment gewartet, ihn abzusägen? Alle drei Erklärungen sind für mich absurd.”
Sie moderieren politische Haltung
Ein zweiter Fall nur wenige Monate später beendet schließlich endgültig die Karriere von Jörg Dahlmann. Der Moderator kommentierte die Zweitliga-Partie zwischen Hannover 96 und Erzgebirge Aue. Nach einer vergebenen Torchance des Japaners Sei Muroya von Hannover 96 fiel folgender Satz: „Es wäre sein erster Treffer für 96 gewesen. Den letzten hat er im Land der Sushis geschossen.”
Nun kann man über Humor streiten – der Autor dieser Zeilen hat immerhin gelacht –, aber nicht über die Reaktion: Dahlmann verlor im Zuge dieser beiden „Entgleisungen” seinen Job. Und das, obwohl weder das vermeintliche Opfer Simone Thomalla Sexismus empfunden hat, noch es strittig ist, dass aus Japan das leckere Sushi stammt.
Diese beiden Beispiele reihen sich ein in eine unangenehme, weil politisch korrekte Maschinerie, die am Ende des Tages die Selbstzensur zum Ergebnis hat. Auch der genannte Thomas Gottschalk wird wohl nicht mehr eine Samstagabendshow moderieren, weil ihm von einer woke-linken Meinungsdiktatur klar zum Verständnis gegeben wurde, dass seine Art zu moderieren unerwünscht ist.
Wenn dieser Medienzirkus – und das ist im Falle von Jörg Dahlmann eben nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der aufgelöst werden muss – weiterhin dem schulmeisterlichen Dekret der politischen Korrektheit folgt, dann haben wir am Ende nur noch schrecklich sterile Sendungen von grauenhaft genügsamen Gestalten, die sich zwar Moderatoren nennen, doch nicht mehr eigentlich die Sendungen moderieren.
Das, was ich mag, ist Freiheit im Wort
Sie moderieren vielmehr eine persönliche Haltung, die sie selbst in sich tragen. Oder noch schlimmer: Sie moderieren eine politische Haltung, die sie gar nicht haben, nur aus Angst, ihren Job zu verlieren. Sie spielen dem Zuschauer etwas vor, um ihre eigene Meinung zu kaschieren. – So oder so ist das gleich falsch. Das Endergebnis: Ein verbales Testbild von Leuten, die es eigentlich besser wissen sollten. Kollegen, die eigentlich ihren Beruf insofern ernst nehmen sollten, dass – bevor eine krude Haltung kommt – erst einmal der Nachrichtenwert stehen sollte.
Rudolf Augstein wurde mit dem Satz berühmt, als er richtigerweise meinte, man solle „sagen, was ist“. Heute berufen sich Journalisten, die eigentlich ideologische Aktivisten sind, auf einen Satz, der nur so falsch sein kann, wie er falsch ist: „Sagen, was sein soll.“ Oder noch schrecklicher: „Sagen, was ich denke.“
Jenseits des Kommentars – und da hat wiederum Vicco von Bülow recht – bleibt die Meinung des Journalisten eine unmaßgebliche Meinung.
Im Falle von Jörg Dahlmann bleibt die Tragik im Detail. Fußball im Speziellen und Sport im Allgemeinen haben schlicht keinen politischen Anspruch zu haben! Und es fehlt am Humor.
Humor ist oftmals die Abwesenheit von politischer Korrektheit. Exakt das ist es, was die Tugendwächter der Sendeanstalten – es kommt nicht umsonst von Anstalt – so stört. Sie wollen einen politisch reinen Korridor ohne Typen wie Dahlmann. Charakter-Moderatoren stören im Reich der klinisch reinen Sendungen.
Die Frage bleibt, ob die Zuschauer diese Art von jakobinischen Sendungen möchten. Ich jedenfalls möchte es nicht. Ich möchte mehr Leute wie Jörg Dahlmann und mehr Kollegen wie Thomas Gottschalk, die sich die Freiheit des Wortes auf die Fahnen geschrieben haben, um uns unterhaltsame Samstagabende bei Wetten, dass …? zu bescheren – und unpolitische, dafür nicht minder unterhaltsame Fußballspiele im ZDF.
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