Er sollte den Aufbruch in eine Politikwende bringen, der Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ von SPD und CDU. Vor allem für die Unions-Wähler hält dieser jedoch viele Enttäuschungen parat, was auch für die Energiepolitik gilt. Diese knüpft nahtlos an die Energiewendepolitik der Vorgängerregierungen an, sodass eine grundlegende Besserung der fatalen Lage Deutschlands eher unwahrscheinlich wird. Eine Bestandsaufnahme.
Fangen wir mit einem positiven Aspekt an: Dem in politischen Formulierungen geübten Leser fällt durchaus die eine oder andere Formulierung im Abschnitt „1.4 Klima und Energie“ des Koalitionsvertrags auf, die erkennen lässt, dass dieses Land durch seine Energiepolitik ein großes Problem hat. Diese Erkenntnis spiegelt sich auch darin wider, dass die beiden Parteien ein „Monitoring in Auftrag geben möchten“, um den aktuellen Zustand der Energiepolitik einer grundlegenden Bestandsaufnahme zu unterziehen.
Wenn eine solche Bestandsaufnahme von unabhängigen Experten durchgeführt wird, die nicht den Übergang zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien als gesetzt sehen, könnte sich vielleicht die Erkenntnis durchsetzen, dass kosmetische Korrekturen an der bisherigen Politik nicht ausreichen werden, um Deutschland aus der Krise zu führen.
Die Probleme sind groß und dies spiegelt sich leider auf der Maßnahmenseite des Koalitionsvertrags nicht wirklich wider. Immer und immer wieder verliert dieser sich in sehr granularen Details, während die großen Probleme kaum thematisiert werden oder große Interpretationsspielräume lassen. Was soll nun angesichts eskalierender Strompreise, zunehmender Versorgungsunsicherheit und als Resultat dessen gegen eine Deindustrialisierung unternommen werden, die den Wohlstand und damit absehbar auch den sozialen Frieden dieses Landes zerstört? Die Antwort des Koalitionsvertrages ist ernüchternd: Man möchte „Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten“.
Dieses Maßnahmenpaket wird dann durch eine Senkung der Stromsteuer, der Umlagen und Netzentgelte konkretisiert, also letztlich durch Entlastungen über den Steuerzahler. Eine tiefergehende Reflexion, warum wir eigentlich ein Strompreisproblem haben und was strukturell dagegen getan werden müsste, wird leider unterlassen. Insofern ist auch das Adverb „dauerhaft“ in obigem Satz mehr als problematisch oder möchte die Regierung tatsächlich die Stromkosten dauerhaft durch Staatszuschüsse senken, ohne sich mit den Ursachen zu beschäftigen?
Leider muss man hiervon ausgehen, denn das Dokument ist durchzogen von einem „Weiter-so-Grundton”, der immer wieder beteuert, dass man die sogenannten Erneuerbaren Energien entschlossen ausbauen möchte. Auf diese Weise knüpfen beide Parteien nahtlos an die Politik der Ampelregierung an. Dass deren Hoffnungen auf ein neues Wirtschaftswunder durch die „grüne Transformation“, wie dies Bundeskanzler Scholz versprach, katastrophal scheiterten und ins Gegenteil mündeten, scheint bei den Verhandlungsparteien entweder nicht angekommen zu sein oder wird hartnäckig ignoriert. Das ist kein gutes Signal.
Bayern und Saarland auf dem Holzweg
Die einseitige Fixierung auf den Ausbau der sogenannten Erneuerbaren Energien trotz aller zutage tretenden Probleme ist für Unionswähler auch deshalb irritierend, weil die Partei vor dem Wahltermin immer betont hat, dass sie die Reaktivierung der abgeschalteten Kernkraftwerke zumindest prüfen wollte. Im Koalitionsvertrag findet sich hierzu kein Wort mehr. Entweder war der Widerstand der Sozialdemokraten zu stark oder dieses Thema war für die Union von vornherein eine Opferposition, die man nicht wirklich zu halten bereit war. Dies ist umso bemerkenswerter, da zwei Ministerpräsidenten an den Verhandlungen beteiligt waren, für die ein solcher Schritt eigentlich essenziell gewesen wäre: Markus Söder (CSU) aus Bayern und Anke Rehlinger (SPD) aus dem Saarland.
Für die Stromversorgung Bayerns ist die Abschaltung der Kernkraftwerke Isar und Gundremmingen ein schwerer Schlag gewesen, trotzdem erklärte Markus Söder nach Vorlage des Vertrages, dass die Reaktivierung „wirtschaftlich keinen Sinn mehr mache“, obwohl gegenteilige Expertisen, zuletzt vom Verband Kerntechnik Deutschland, vorgelegt wurden.
Gerade Bayern ging stattdessen in den letzten Jahren den Weg des beschleunigten Solarausbaus, lernt jedoch aktuell, dass dieser sehr teuer und ineffektiv ist: So musste im Jahr 2024 bereits eine Terawattstunde (TWh) Solarstrom abgeregelt werden, weil temporäre Überproduktion zur Mittagszeit im Sommer die Netze überlastet, während im Winter, wenn Solaranlagen naturgemäß über Monate hinweg keine nennenswerten Strommengen liefern, das Land in prekäre Versorgungssituationen gerät. Ein Königreich für sichere, wetterunabhängige Versorgung – mag man dazu sagen – aber diese Option hat Herr Söder leider ausgeschlagen. Die bayrische Industrie und ihre Beschäftigten sind angesichts dieses Kurses sicherlich nicht zu beneiden.
Kaum weniger rational ist es, dass die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sich nicht für kostengünstige Stromerzeugung einsetzt. Gerade das Saarland leidet erheblich unter dem Niedergang der energieintensiven Industrie. Die angeschlagene Stahlindustrie sucht nun die Flucht nach vorn in einer Transformation zur Stahlerzeugung mit „grünem Wasserstoff“.
Neben vielen anderen Problemen machte dabei der Chef der Dillinger Stahlholding klar, dass er hierfür günstigen Strom, idealerweise im Bereich von 4 Cent pro kWh benötigt. Ein Kernkraftwerk wie Neckarwestheim könnte einen solchen Preisbereich erreichen, innerhalb der Energiewendestrategie bleibt dies unerreichbar. Warum dann die Unternehmensführung und die Gewerkschaften nicht mehr Druck auf die Politik ausüben, bleibt für den geneigten Beobachter unverständlich. Oder glauben die genannten Akteure wirklich, dass eine Dauersubventionierung ihres Strompreises durch den Staat eine tragfähige Geschäftsgrundlage für die saarländische Stahlindustrie ist?
Stattdessen taucht aber im Koalitionsvertrag ein anderes Konstrukt auf: Man möchte „Leitmärkte für emissionsarme Produkte in der Grundstoffindustrie“ schaffen. Dies ist nichts anderes als ein verheerendes planwirtschaftliches Konstrukt: Abnehmer von Stahlprodukten sollen auf eine noch festzulegende Art gezwungen werden, den teuren „grünen Stahl“ abzunehmen. Dass eine solche Vorgehensweise in der gesamten Wertschöpfungskette die Kosten weiter nach oben treibt, ohne einen ökonomischen Vorteil der Endprodukte auf dem Weltmarkt zu generieren, dürfte die Talfahrt des Industriestandorts Deutschland eher beschleunigen.
Sozialer Sprengstoff
Für den Verbraucher im Energiewendeland Deutschland hält der Koalitionsvertrag eine weitere unangenehme Tatsache bereit: „Wir unterstützen die Einführung des ETS2“. Dabei handelt es sich um das Emissionshandelssystem, das ab 2027 EU-weit auf Heizöl, Erdgas und Kraftstoffe eingeführt werden soll und somit die privaten Heiz- und Mobilitätskosten signifikant nach oben treiben wird.
Fairerweise sei angemerkt, dass diese Festlegung im Koalitionsvertrag keine wirkliche Überraschung ist, da eine Bundestagsmehrheit aus SPD, Grünen und CDU bereits vor der Bundestagswahl die Einführung des ETS2 in Deutschland beschlossen hat. In Richtung der Union ist jedoch kritisch anzumerken, dass ihr energiepolitischer Sprecher, Andreas Jung, vor der Wahl betonte, dass „in den nächsten fünf Jahren der Preis in etwa auf dem Niveau bleibt, auf dem heute der deutsche Preis ist.” – Bei Caren Miosga erfuhren die Unions-Wähler am 13. April jedoch eine andere Wahrheit, als Friedrich Merz betonte: „Es wird zunächst einmal für alle teurer … Dieses europäische einheitliche System … werden wir in Deutschland einführen … und dann wird es sukzessive teurer, weil wir einfach dafür sorgen wollen.“
Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland 70 Prozent der Haushalte mit Gas oder Öl heizen, ist dies eine Vorgehensweise mit enormem sozialem Sprengstoff, den der ohnehin sich drastisch verschuldende Staat kaum abfangen kann.
Bleibt zum Schluss die Frage, was sich die Koalitionspartner vorgenommen haben, um Deutschlands Stromversorgung sicher zu erhalten. Die Bedrohungen nehmen deutlich zu – einerseits durch Dunkelflauten in den kalten Monaten, in denen das Fehlen sowohl von Solar- als auch von Windleistung zu bedrohlichen Mangelzuständen führt, andererseits durch das tagtägliche Problem in Sommermonaten, dass der überbordende Ausbau der Photovoltaik, den diese Regierung offenkundig fortsetzen möchte, uns in Überversorgungszustände zur Mittagszeit hineinmanövriert.
Diese Zustände könnten künftig nur noch durch Abschaltung ganzer Regionen beherrscht werden – besonders betroffen wäre Markus Söders Bundesland Bayern. Auf diese beiden Problemfelder, die beide auf die bedarfsinkongruente Stromlieferung durch Erneuerbare zurückzuführen sind, liefert der Koalitionsvertrag eine zweifelhafte Antwort. So will man „den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 … technologieoffen anreizen“ und „dazu sollen künftig Reservekraftwerke nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen“.
Der Bau von Gaskraftwerken ist inzwischen ein leidiges Thema in diesem Land, da dies bereits 2023 von Energiekonzernen energisch angemahnt wurde, aber von Robert Habecks Ministerium bis heute nicht in ein tragfähiges Konzept überführt werden konnte. Die neue Regierung wird nun bestenfalls bis Ende 2025 entsprechende Ausschreibungen für diese 20 GW vorlegen können, aber selbst in diesem Best Case ist es mehr als zweifelhaft, dass diese Kraftwerksleistung zum 1. Januar 2030 zur Verfügung steht.
Kein Umdenken in Sicht
Das Jahr 2030 hat hierbei eine gewisse Symbolbedeutung, denn für dieses Jahr wurde von Herrn Habeck der Kohleausstieg für die westlichen Bundesländer versprochen. Dass dieses Versprechen gehalten werden kann, ohne ernsthaft die Versorgungssicherheit zu gefährden, ist inzwischen äußerst unwahrscheinlich geworden.
Darüber hinaus hat die Kraftwerksstrategie eine erhebliche wirtschaftliche Schlagseite, an der die neue Regierung offenbar festhalten möchte: Der Ausbau der sogenannten erneuerbaren Erzeuger soll weiter beschleunigt werden, während die zu bauenden Gaskraftwerke nur dann als Backup einspringen sollen, wenn diese Erzeuger nur wenig Strom liefern. Die gleiche Rolle sollen die angesprochenen Reservekraftwerke einnehmen.
Eine solche Strategie maximiert jedoch die Kosten: Einerseits führt der weitere Ausbau der Erneuerbaren zu immer höheren Kosten, da insbesondere für die Windkraft zunehmend ungünstigere Standorte gewählt werden müssen und die Kosten des Netzausbaus inzwischen auf über 500 Milliarden Euro taxiert werden. Gegen diese Kostenexplosion vermisst man entschlossene Maßnahmen.
Im Gegenteil: Die EEG-Subventionen, die im vergangenen Jahr 18 Milliarden € erreichten und weiter ansteigen werden, werden nicht einmal für Neuanlagen abgeschafft oder wenigstens reduziert. Andererseits lassen sich die zu bauenden Gaskraftwerke als reine Backup-Kraftwerke nicht ökonomisch betreiben – erst recht nicht mit Wasserstoff, der auf absehbare Zeit wesentlich teurer als Erdgas bleiben wird. Als Konsequenz werden so auch diese Gaskraftwerke subventioniert werden müssen.
Das ist eine doppelte Kostenfalle, die man geringer ausfallen lassen könnte, wenn die Gaskraftwerke vollständig in den Strommarkt integriert würden, gegebenenfalls mit CCS, der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid.
Wir bräuchten dringend eine Abkehr vom überteuerten Ziel der 100 Prozent erneuerbaren Stromversorgung und stattdessen regelbare, grundlastfähige Kraftwerke wie Kernkraftwerke und Gaskraftwerke auf dem Strommarkt.
Leider ist ein solches Umdenken im Koalitionsvertrag in keinem Satz zu erkennen. Es bleibt wohl nur die Hoffnung, dass das angekündigte „Monitoring“ ökonomisch sinnvollere Pfade als den gegenwärtig verfolgten aufzeigt und die Regierung diese aufnimmt. Sonst wird der Niedergang des Landes fortschreiten.
1 Kommentar. Leave new
Fast möchte man diese Koalitionsvertrags-Fakten, die Herr Canne beschreibt, verdrängen. Doch muss man sich ihnen stellen und diese auch anderen Bürgern bewusst machen, so schwer es einem fällt. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Bedeutung dieser Fakten von den CDU-Abgeordneten nach erfolgter Regierungsbildung baldmöglichst erkannt werden und dann entsprechend gehandelt wird. Auch andere Staaten der EU sind inzwischen unwillig, diesen wohlstandszerstörenden Unsinn der EU weiter mitzutragen.