Bei manchen Meldungen fragt man sich unwillkürlich, was die Satire eigentlich noch darf, wie es Kurt Tucholsky einst formulierte. Nehmen wir Patrick Sensburg, den Vorsitzenden des Deutschen Reservistenverbands. Dieser forderte allen Ernstes die Wiedereinführung der gelben „Panzerschilder“ an Autobahnbrücken, da die Bundeswehr nicht wisse, „über welche Brücke sie noch Panzer bringen kann“.
Diese Schilder, offiziell MLC-Schilder (Military Load Class), zeigen die maximale Belastung einer Brücke an und waren im Kalten Krieg Standard. Seit 2009 sind sie nicht mehr vorgeschrieben, während rund 16.000 Brücken im Bundesbesitz als baufällig gelten. Sensburgs Forderung unterstreicht nicht nur den maroden Zustand der Infrastruktur, sondern auch eine nostalgische Sehnsucht nach einer Ära, in der militärische Logistik die Politik prägte.
Offenbar träumen die Apparatschiks der Kriegspolitik davon, in die Zeiten des Kalten Krieges zurückzukehren. Diese Sehnsucht machte auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil am 15. April 2025 bei Markus Lanz im ZDF deutlich. Der Sozialdemokrat schlug indirekt vor, die Automobilindustrie zugunsten der Rüstungsindustrie zurückzudrängen, da staatliche Investitionen in Bomben, Raketen und Panzer die Wirtschaft ankurbeln könnten. In Wolfsburg, wo Volkswagen residiert und Niedersachsen Anteile hält, klingt das wie ein perfider Plan, die Region in eine Rüstungsschmiede zu verwandeln.
Für VW wäre dies kein Neuland: Während des Zweiten Weltkriegs stellte das Volkswagenwerk die Produktion von zivilen Fahrzeugen ein und fertigte Kübelwagen, Flugzeugteile und die Vergeltungswaffe V1. Rund 20.000 Zwangsarbeiter, darunter KZ-Häftlinge, schufteten unter menschenunwürdigen Bedingungen. Das Werk, ursprünglich für den KdF-Wagen geplant, wurde zum Rückgrat der NS-Kriegswirtschaft, während die Propaganda eine trügerische Massenmotorisierung verhieß. Erst nach dem Krieg begann die Käfer-Ära.
Der selbstverliebte Wertewesten
In ein ähnliches Horn blies Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Ob er sich an die unrühmliche Kriegsgeschichte von Porsche und Daimler zurücksehnt, bleibt unklar. Ferdinand Porsche sicherte sein verschuldetes Konstruktionsbüro durch Nähe zu Hitler und Staatssubventionen, während er den KdF-Wagen für die Nazis entwickelte. Er profitierte von Rüstungsaufträgen, setzte Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ein und wurde nach dem Krieg schnell rehabilitiert, um die Käfer-Ära einzuleiten. Daimler-Benz wiederum nutzte NS-Subventionen für Rennwagen und Wehrmacht-Motoren, während SS-Mitglied Jakob Werlin Einfluss bei Hitler sicherte. Auch die Stuttgarter setzten massiv Zwangsarbeiter ein und machten Profite, die ihren globalen Aufstieg nach 1945 ermöglichten. Beide Unternehmen zeigen, wie tief die Automobilindustrie in die NS-Kriegsmaschinerie verstrickt war – eine Vergangenheit, die heute seltsam verdrängt scheint, wenn Ministerpräsidenten die Rüstung als Wirtschaftsmotor preisen.
In einer Welt, in der Krieg als Frieden verkauft wird, Sonnenblumen zu Leopard-2-Panzern mutieren und Pazifisten zu Bellizisten werden, während die sogenannte „böse Rechte“ – ehrlich gesagt nie so kriegslüstern, wie behauptet – sich von dieser Rhetorik distanziert, braucht es offenbar SPD- und Grünen-Politiker, die durch ihre Politik die heimische Wirtschaft in ein Nordkorea light verwandelt haben. Nur ein jahrelanger Krieg, so die Logik, könne die Ökonomie aus dem Jammertal hieven. Das Ganze geschieht auf dem Rücken der Ukrainer, die vorgeblich geschützt werden sollen.
Ja, die Ukrainer sind die ersten Opfer dieses Krieges – nicht nur durch Russland, sondern auch durch einen selbstverliebten „Wertewesten“, der sich selbst am besten gefällt, wenn ukrainische Soldaten mit deutschen Waffen auf dem Schlachtfeld sterben.
Cheflogiker der moralischen Armut
Hätten Sie gedacht, dass im Jahr 2025 der Tod wieder ein Meister aus Deutschland ist? Der Unterschied zur NS-Zeit – neben deren Einzigartigkeit – liegt in der positiven Konnotation des Krieges. Waffen sind links, Panzer sind sexy, Rüstung ist geil. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Ein Land, das den schlimmsten Krieg des letzten Jahrtausends entfesselte, steht heute an vorderster Front, um einen Konflikt zu befeuern, den die Ukraine nicht gewinnen kann. Statt die maroden Brücken zu reparieren, sollen Schilder aufgestellt werden, damit Panzerfahrer gewarnt sind, falls die Infrastruktur unter ihnen zusammenbricht. Diese Prioritätensetzung ist nicht nur absurd, sondern symptomatisch für eine Politik, die die Kunst der Diplomatie verloren hat.
Die Rhetorik, Konflikte mit Waffen zu lösen, offenbart die tiefe Unfähigkeit deutscher Politiker, die Sprache der Diplomatie zu sprechen. Diese Wortlosigkeit führt dazu, dass Soldaten und Zivilisten sterben. Sie wollen keinen neuen Kalten Krieg – die Bellizisten lieben den heißen Krieg, weil er ihnen Bedeutung verleiht. Das ist keine Satire, sondern die Logik des Todes.
Deutschland, in seiner vermaledeiten Dekadenz, ist der Cheflogiker in einem Zeitalter moralischer Armut. Die Forderung nach Panzerschildern ist kein Witz, sondern ein Symbol für eine Politik, die den Krieg normalisiert, während die Brücken des Landes – und der Vernunft – weiter bröckeln.