Das Werk „Stolz und Vorurteil” von 1813 ist der bekannteste Roman der britischen Schriftstellerin Jane Austen. Das Werk ist zugleich Liebesroman und eine zeitgenössische Studie der englischen Gesellschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Um es nicht spannend zu machen: Die Grete kriegt ihren Hans – aber erst nach einer endlosen Folge von Verzögerungen und Komplikationen, die eben auf Stolz und Vorurteile zurückzuführen sind.
Ganz nebenbei: Stolz (lat. superbia) ist im Christentum die zentrale Todsünde. Alle anderen leiten sich davon ab. Synonyme des Stolzes sind Hochmut, Anmaßung, Überheblichkeit Arroganz und Prätention, gemeint sind Personen, die ihren Wert, ihren Rang oder ihre Fähigkeiten unrealistisch hoch einschätzen.
Die durch Superbia erzeugten Tendenzen im Verhalten wirken sich äußerst negativ auf eine angemessene Realitätsbewältigung aus. Nicht selten hört man im Kontext dringender weltpolitischer Probleme, dass deren Lösung durch die Bemühungen der Konfliktparteien, ihr „Gesicht zu wahren“, deutlich erschwert wird: Ein Nachgeben in strittigen Punkten könnte als Eingeständnis von Schwäche missverstanden werden, könnte der Reputation eines Landes oder seiner Repräsentanten schaden und quasi deren Aura von Standhaftigkeit oder Siegeswillen beeinträchtigen.
Ist man einmal falsch abgebogen, verbieten Stolz und falsche Selbstachtung oft, Fehler einzugestehen und auf „Los“ zurückzugehen – was vermutlich das Vernünftigste wäre. Was bleibt, ist nurmehr die immer gewaltsamere Erzwingung der eigenen Position, ohne Rücksicht auf Kollateralschäden und mittel- bis langfristige Folgen.
Stolz ist im Kern auch eine arrogante Überbewertung des eigenen Egos: Beim ursprünglichen Sündenfall wurde der stolze Luzifer aus dem Himmel geworfen, weil er sein wollte wie Gott.
Musterbeispiel eines überwertigen Nationalstolzes ist wohl die USA: „God’s own country“, „shining city on the hill“, „one indispensable nation“ – sprechen für sich. Wem bei jeder Unterschrift Jesus persönlich die Feder führt, der braucht sich wohl weiter keine Sorgen zu machen.
Man braucht aber keineswegs über den Atlantik zu schauen, um die fatalen Folgen des Stolzes zu erkennen. Auch in Europa versuchen sich Macron und Starmer an einer Politik, die längst nicht mehr von den wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten der jeweiligen Länder gedeckt ist. Und auch die deutsche Politik tut sich schwer, Fehler einzugestehen und abzustellen. Sowohl was Corona als auch was Russlandpolitik und Ähnliches anbelangt, wird einfach auf problematischen Wegen weitergemacht – zum Schaden der eigenen Wirtschaft und Bevölkerung.
Bezahlt wird das mit Vertrauens- und Reputationsverlust – und nicht zuletzt durch exorbitante Schulden. Stolz kostet. Das war schon immer so.
In den frühen 70er-Jahren gab es in den USA eine Schule, die ein standardisiertes Training zum Self Improvement anbot: das EST (Erhard Seminars Training, Inc.), eine Organisation, gegründet von Werner Erhard im Jahr 1971. Sie bot einen zweiwöchigen (6-tägigen, 60-stündigen) Kurs an, offiziell „The est Standard Training“ genannt. Ziel war es, mit Konzepten, lose basierend auf dem Zen-Buddhismus, die Fähigkeit zu entwickeln, das Leben so zu erleben, dass sich Situationen, die man verändern wollte oder mit denen man sich abfand, von selbst klärten – einfach durch das Leben selbst.
Man mochte von derartigen kalifornischen Erleuchtungsseminaren halten, was man wollte – aber ein zentrales Gebot Erhards habe ich behalten: „Fehler sofort zugeben!“
Dieses Gebot wurde als eine der wichtigsten Grundlagen positiver Verhaltensänderung betrachtet, weil das Beharren auf oder Vertuschen von Fehlern diese erst in ihrer Wirkung verstärkt und am Ende zu fatalen Ergebnissen führt. Fehler macht jeder, Irrtümer sind nicht auszuschließen. Im Anfangsstadium können sie noch leicht korrigiert oder berichtigt werden – aber wenn das Übel erst einmal Wurzeln geschlagen hat, ist es sehr schwer, es wieder auszurotten.
Eine Grundfrage, die nun gestellt werden müsste, ist die nach dem Ursprung von Fehlern und Unrichtigkeiten. Offensichtliche Ursachen wie bewusste Lügen sollen zunächst beiseite bleiben.
Schon die saubere Trennung zwischen Fakten (Sachverhalten) und Meinungen – notwendig für korrektes Urteilen – scheint schwierig. Ein Beispiel:
„Panama ist ein Staat in Mittelamerika, auf dessen Territorium ein Kanal Atlantik und Pazifik verbindet.” – Sicher korrekt!
„Der Panama-Kanal wurde von den Vereinigten Staaten angelegt, also gehört er ihnen.” – Da wird man geteilter Meinung sein, sicherlich.
Oder: Oft wiederholt: „Russland hat die Ukraine 2022 überraschend überfallen.” – Überraschend? Kommt man nicht zu einer völlig anderen Einschätzung der Lage, wenn man den Ursprung der Probleme 2014 oder gar 1991 verortet?
Dass der Beruf des Faktencheckers immer mehr an Bedeutung gewinnt, scheint logisch. Aber: Wer checkt die Faktenchecker?
Das Beharren auf einer bestimmten Definition eines „Fakts“ wirkt umso dubioser, je massiver es propagiert wird. Man sieht: Fakten gehen in Meinungen über, und diese wiederum sind oft unterfüttert mit moralischen Werturteilen, die im Kern nicht selten faktenfrei sind:
„Putin ist Diktator, Selenskyj ist Präsident.” – Das Framing ist offensichtlich. Dergleichen Beispiele ließen sich zu Dutzenden finden.
Führen solche Urteile zu selbstschädigendem Verhalten – wie etwa in der europäischen Energiepolitik –, dann werden Fakten auch gerne ignoriert. Im Kern will keiner wissen, wer Nord Stream gesprengt hat – das Ergebnis könnte peinlich sein. Die Vermutung, die Ukraine könnte daran mitgewirkt haben, wird verdrängt, ebenso wie die Kappung des Gastransits in die EU durch eben jene Ukraine.
Hier stören die Fakten die erwünschten Meinungen – und je offensichtlicher das ist, desto verbissener wird an Narrativen festgehalten. Narrativ heißt „Erzählung“, nicht Bericht. Jeder Gymnasiast der Mittelstufe sollte den Unterschied kennen.
Wie zeigt sich nun Superbia im kommunikativen Prozess?
Einmal – nicht selten – als Weigerung, die manchmal immerhin potentiell unstrittigen Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Oder im Ausweichen auf verwandte Themen, in Angriffen ad personam: Wenn der oder die das oder jenes sagt, kann es nicht wahr und relevant sein, denn sie sind ja … Leugner, Nazis etc.
Dann zeigt sie sich in der Weigerung, in eine wirkliche Diskussion über die Bewertung der Fakten einzutreten im stolzgetriebenen Beharren auf der eigenen Meinung, dem Vorurteil (prejudice) eben. Das geht in der Regel einher mit einer Überhöhung der eigenen Position: „Westliche Werte“, „unsere Demokratie“, „regelbasierte Ordnung“ und dergleichen.
Für sich selbst werden Ziele wie „Frieden“, „Gerechtigkeit“, „Humanität“ in Anspruch genommen – und mit Zähnen und Klauen verteidigt.
Dass die Korrektur fehlerhaften oder mit der Zeit unangemessenen Verhaltens möglich ist, beweist die Immigrationspolitik Dänemarks oder die Atompolitik Finnlands: Dort haben sogar die Grünen dem Ausbau der Kernkraftwerke zugestimmt, vermutlich in der Erkenntnis, dass die Technik ja nicht stehengeblieben ist und Atomenergie die Grundlast für Windräder und dergleichen zur Verfügung stellen kann.
Dass bei uns die Emissionen trotz knallharter grüner Politik ständig ansteigen, scheint für die ideologiegetriebene Politklasse des Landes ein Nebenwiderspruch zu sein. Hauptsache sauber in den Abgrund! Der Stolz auf die eigene moralische Überlegenheit lässt keinerlei Korrektur zu. Deutsch sein heißt eben treu sein, auch dem größten Blödsinn!
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Deutsch sein bedeutet wahrscheinlich, daß wir ein auserwähltes Volk sind. Das dümmste Volk unter den zivilisierten Nationen der Welt. Man hält an einer Ideologie fest bis zum Untergang, komme, was wolle. Dies war schon unter dem Kaiser und unserem Adolf so. Man kämpft weiterhin auf dem Irrweg, obwohl klar ist, daß dieser in den Abgrund führt, da dieser Weg ja der einzig richtige ist nach der alles beherrschenden Doktrin. Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen.
Wir sind (waren ) ja eine stolze Nation.