Der Niedergang der Institutionen und ihre Erneuerung

Wirtschaft, Horatio, Wirtschaft!

Stellen wir uns vor, ein Mann, der nie gelernt hatte, ein Fahrzeug zu steuern, und sich dafür auch nicht interessierte, setzt sich hinter das Steuer und fährt binnen kurzem mit dem Fahrzeug in den Straßengraben oder gegen einen Baum am Straßenrand. Schuld an dem Unfall, behauptet er empört, kaum unverletzt aus dem Auto gestiegen, sei nicht er, sondern das Lenkrad, weil es rund ist, oder der Baum, weil er am Straßenrand stand, oder der Straßengraben, den ein Rechtspopulist gegraben haben muss, um ihm das Recht am Führen eines Autos streitig zu machen, oder am besten die Straße selbst, die natürlich jeder, der nicht Putins Fake News aufsitzt, als zu schmal erkennt, weshalb eindeutig die putinhörigen Straßenbauer die Schuld am Unfall tragen. 

Der Mann könnte Robert Habeck heißen und das Auto wäre der Wirtschaftsstandort Deutschland, oder Christian Lindner, der sich ständig von Robert Habeck sagen lässt, wie er lenken soll, oder Karl Lauterbach, der sich die Maske nicht vor den Mund, sondern über die Augen zieht, oder der Mann ist doch eine Frau, nämlich Nancy Faeser, und das Auto ist die Demokratie, die Migration oder die innere Sicherheit, oder Annalena Baerbock, die sich beim Fahren Bekleidungsvorschläge machen läßt. Aber vielleicht war das Auto auch ein Kleinbus, in dem die Bundesregierung saß und bei dem nach der Einteilung von Olaf Scholz jeder mal ans Steuer durfte. So oder so, das Auto oder der Kleinbus ist am Ende doch Deutschland.

Inzwischen ist es Politikern und Medien geglückt, ihre Welt zu schaffen, die nichts mit der Wirklichkeit, aber alles mit ihrer abenteuerlichen und realitätsfernen Deutung selbiger zu tun hat. Man kann die Wirklichkeit verschweigen, man kann Lügenbilder wie Potjomkinsche Dörfer vor ihr errichten, man kann Menschen einreden, glaubt euren Ohren nicht, traut euren Augen nicht, nicht der Mathematik und nicht der Physik, man kann ihnen sogar vorgaukeln, dass um so dümmer und einfältiger sie handeln, sie nur als um so schlauer gelten werden, und um so brutaler und intoleranter, um so denunziatorischer sie agieren, als um so moralischer sie angesehen werden. 

Doch, was immer man auch unternimmt, die Wirklichkeit bleibt die Wirklichkeit und ein Denunziant bleibt ein Denunziant. Um so größer der Widerspruch zwischen eigener Welt und der Wirklichkeit klafft, gelingt die Sicherung der Herrschaft nur durch die Verabsolutierung der eigenen Macht, wodurch die Macht sich selbst delegitimiert und Herrschaft gegen den Machtverlust abgesichert werden muss – und dadurch immer stärker zur Willkür wird. Denn Herrschaft auf der Grundlage der Gewalt anstatt der Macht beruht auf Willkür und nicht auf Legitimität. Macht bedarf immer der Legitimierung. In dem Maße, wie sie Legitimität einbüßt, in dem Maße kippt sie in die Willkür, die als einziges Mittel die Gewalt besitzt, denn Gewalt muss im Gegensatz zur Macht nicht legitimiert werden. 

Herrschaft zerfällt, wenn sie ihre beiden Funktionen nicht mehr erfüllen kann, erstens, wenn sie sich nicht an ihre eigenen Gesetze und Regeln hält, also das, was sie legitimiert, und zweitens, wenn sie den Interessenausgleich zwischen wesentlichen, nicht unbedingt zwischen allen, aber zwischen wesentlichen Gruppen der Gesellschaft, vor allen zwischen denen, die die Gesellschaft tragen, nicht mehr organisieren oder ausbalancieren kann. 

Denn Herrschaft ist notwendiges Unrecht, dass der Verrechtlichung bedarf, um zum Recht zu werden. Man darf an Augustinus Aurelius erinnern, der im 4. Buch von De Civitate Dei schreibt: „Was sind überhaupt Reiche, wenn die Gerechtigkeit fehlt anderes als große Räuberbanden? Sind doch auch Räuberbanden nichts anderes als kleine Reiche. Sie sind eine Schar von Menschen, werden geleitet durch das Regiment eines Anführers, zusammengehalten durch Gesellschaftsvertrag und teilen ihre Beute nach Maßgabe ihrer Übereinkunft.“ 

Da Gerechtigkeit gerade durch sozialdemagogischen Missbrauch zu den am meisten missverstanden Begriffen zählt, sei hier nur soviel gesagt, dass unter Gerechtigkeit das Prinzip verstanden wird, das jedem gleichermaßen sein Recht gewährt wird. Auf anderer Ebene kann man unter Gerechtigkeit das Handeln einer Regierung verstehen, die sich an ihr eigenes Recht hält, dem Interessenausgleich nachkommt und jedem Bürger gleichermaßen sein Recht gewährt. 

Menschen sind keine Engel und sie erliegen alle der Macht, die zu den gefährlichsten Drogen der Welt gehört und die deformiert. Von großer Einsicht in die Geschichte der Menschen und in ihren Charakter hat Tolkien die Verführung und die deformierende Kraft der Macht in der Parabel vom Herrn der Ringe dargestellt, denn selbst die Wesen, die der Macht am fernsten stehen, bleiben vor ihrer Wirkung nicht verschont. Man könnte auch mit Lord Acton sagen, dass Macht korrumpiert und absolute Macht absolut korrumpiert. Damit es nicht zur absoluten Korruption, die sich dann auf alle Bereiche der Gesellschaft ausbreitet, kommt, muss die Macht von der Freiheit eingehegt werden – und die Freiheit wiederum beginnt beim Einzelnen. 

Ist der einzelne Bürger nicht frei, ist es auch die Gesellschaft nicht. Zur Einhegung und Begrenzung von Macht, aber auch zu ihrem legitimen Gebrauch beispielsweise, um die Hoheitsrechte des Staates nicht gegen, sondern für den Bürger einzusetzen, so zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, von Recht und Gesetz, des Bildungs- und des Gesundheitswesen und der Infrastruktur als Beispiel, ist Freiheit als Grund- und Ankerrecht essentiell. Voraussetzung und Garantie für einen funktionierenden Staat, für wirtschaftlichen Erfolg und ein normales Zusammenleben ist das Funktionieren der Institutionen des Staates. Grundlegend für alle Institutionen und staatliche Organe ist das Institut der Gewaltenteilung. 

Das alles mag wie Binsenweisheiten klingen und auch wie Binsenweisheiten langweilen. Aber diese Binsenweisheiten geraten in Vergessenheit. Sie sollen auch aus dem Gedächtnis gelöscht werden, wie auch die einfache Tatsache, dass das Grundgesetz das Abwehrrecht der Bürger gegen den stets übergriffigen Staat ist, weil die Institutionen, die die Freiheit garantieren, ausgelöscht werden, um die Herrschaft des Brandmauerkomplexes oder Brandmauerkombinats, des Komplexes aus Politik, Medien, Kultur, der Bürokratie und Teilen der Wirtschaft, das parteipolitisch von SPD, FDP, Grüne und Union abgedeckt wird, aufrechtzuerhalten. Der Staat ist seiner Natur nach übergriffig – und wäre er nicht übergriffig, so wäre er kein Staat. Deshalb muss er durch starke Institute der Freiheit eingehegt werden. 

Obwohl die Eliten immer weniger ihrer Aufgabe gerecht werden, sie dysfunktional agieren, weil das Resultat ihrer Herrschaft darin besteht, Probleme zu schaffen, anstatt sie zu lösen, wächst ihr Anspruch auf Herrschaft. Die Ursache dafür liegt im Verlust von Wirklichkeit. Man muss die existentiellen Probleme, die politisch geschaffen werden, nicht tiefer analysieren, weil sie jedem bekannt sind, die politisch geschaffene Habeck-Rezession, die in die Habeck-Depression übergehen wird, die politisch erzeugte Migrationskrise, die politisch gewollte Energiewende als Energieende, das politisch gewollte Euro-Debakel und schließlich die politisch vorangetriebene innere Verfeindung der Gesellschaft zur Rettung der Herrschaft unter Verwendung einer der ältesten und verruchtesten Herrschaftserhaltungsprinzipien des Prinzips „divide et impera“, teile und herrsche. 

Dieses Prinzip zerstört die Gerechtigkeit, weil es grundsätzlich abschafft, dass jedem Bürger gleichermaßen sein Recht gewährt wird. Ohne es näher auszuführen, sei hier nur an die Willkür in der Behandlung von Geimpften und Ungeimpften, überhaupt den brutalen und totalitären Grundrechteentzug durch die Merkel-Administration erinnert. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass es Angela Merkel eine gewisse Genugtuung bereitete, als sie in ihrer Fernsehansprache vom 18. März 2020 verkündete: „Keine Veranstaltungen mehr, keine Messen, keine Konzerte und vorerst auch keine Schule mehr, keine Universität, kein Kindergarten, kein Spiel auf einem Spielplatz. Ich weiß, wie hart die Schließungen, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, in unser Leben und auch unser demokratisches Selbstverständnis eingreifen. Es sind Einschränkungen, wie es sie in der Bundesrepublik noch nie gab.“ 

Der merkelsche Ausnahmezustand zeichnete sich durch die Entfernung der Freiheit aus dem Alltag der Menschen und aus dem öffentlichen Diskurs und durch die Beugung des Rechts aus. Dass sie zuvor demokratische Wahlen rückgängig machte und dass die Republik das so einfach hinnahm, zeigt, wie sehr die Institutionen in Merkels Postdemokratie bereits demoliert worden waren. In einem Interview ließ die junge Angela Merkel in einem verunglückten Scherz einen tiefen Blick in ihre psychische Struktur zu. Sie drückte „tiefes Misstrauen zu basisdemokratischen Gruppierungen“ aus und fügte hinzu: „Vielleicht habe ich da ein autoritäres Verhalten in mir.“ 

Gaus, erfahren in Interviews, fragt genau dort nach: „Sie haben möglicherweise ein autoritäres Bedürfnis, ein Bedürfnis, autoritär zu sein …“ 

Merkel begriff sofort den Fehler, der ihr unterlaufen war, und relativierte: „Nach einer gewissen Strukturiertheit der Arbeit, die aber dann was mit Autorität zu tun hat.“ 

In der Corona-Diktatur fand Merkels Herrschaft ihre reinste, fast idealtypische Form. Im Infektionsschutzgesetz wurde der Föderalismus aufgeweicht, außerdem die Freiheitsrechte der Bürger, überhaupt die Bürgerrechte geschleift, wenn Polizisten ohne richterlichen Beschluss die Wohnung von Bürgern stürmen dürfen. Indem Merkel ein neues Quasi-Organ-Institut schuf, die Konferenz der Ministerpräsidenten, höhlte sie die Gewaltenteilung aus. 

Grosso modo wird man die Auflösung der Gewaltenteilung unter dem Begriff Postdemokratie fassen dürfen. Die Ära Merkel ist eben deshalb noch nicht vorbei, weil Merkel die erste postdemokratische Politikerin Deutschlands war und die Transformation der Demokratie in die Postdemokratie vorantrieb. Ihre Ampel-Erben setzen diese Politik fort, denn zwischen den Grünen, den Sozialdemokraten und Angela Merkel, die die beste Kanzlerin war, die die Grünen je hatten, bestehen im Grunde keine großen Unterschiede – und Friedrich Merz unterscheidet sich nur in zwei Nuancen von Angela Merkel, nämlich, dass ihm ihr kalter, brutaler Machtinstinkt fehlt und er deshalb auch zweitens von außen sichtbar panischer reagiert. Hatte er tags zuvor noch geäußert: „Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird. Wo soll der Wasserstoff denn herkommen? Den haben wir nicht.”, beeilte sich Merz einen Tag später zu versichern: „Ich bin ein Befürworter der regenerativen Energie und der Nutzung von Wasserstoff – und somit auch einer grünen Stahlproduktion“.

Postdemokratie, ein Begriff ursprünglich von Linken und Grünen entwickelt, richtet sich nun gegen sie selbst, da sie die Herrschaft haben, zumal in Deutschland, wo die Brandmauer die Zementierung grüner Herrschaft garantiert. Denn unter Postdemokratie ist die Abschaffung der Demokratie zu verstehen, weil sie die demokratische Legitimation durch Machtmissbrauch ersetzt. Die Macht der Parlamente wird ausgehöhlt, indem die Entscheidungen der Legislative in die Exekutive, aber auch in die Judikative verlagert werden. Die Legislative wird zum bloßen Theater, wenn, wie in Sachsen und in Thüringen Konsultationsmechanismen implementiert werden. 

In Rumänien erklärt ein Verfassungsgericht unter Beifall der EU-Administration und dem zustimmenden Lächeln des Brandmauerkomplexes die Wahlen für ungültig, weil den dysfunktionalen Eliten das Wahlergebnis nicht passt. In Deutschland wollen die Herrschaften von Neu-Versailles das Beamtenrecht zu einem Gesinnungsrecht umbiegen und Zensur einführen. 

Bürger werden von Politikern mit Klagen überhäuft, durch die Staatsanwaltschaft und durch Polizei bedroht. Man muss wahrlich den Kollektivisten Höcke nicht mögen, aber der Prozess in Halle war ein politischer Schauprozess und das Urteil ein politisches. Das Volk wird immer mehr für die Herrschenden zum Feind, der gründlich überwacht werden muss und dem nur die Information zu Teil werden darf, die von den Herrschern genehmigt wird. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht überparteilich, er framet und sendet teils auch Unwahrheiten. Er betreibt Propaganda. 

Da die Eliten dysfunktional agieren, da sie den Wohlstand des Landes zerstören, können sie ihre Herrschaft nur erhalten, indem sie die Institutionen des Staates, die die Freiheit und die Bürgerrechte garantieren, aushöhlen und unter Unrechtsgesetzen begraben. Sie tendieren zu einem Punkt, wo aus der Herrschaft eine Form der Gewaltherrschaft und der Willkür wird. Doch da sie die Probleme nicht lösen können, alte verschärfen und neue schaffen, wird ihnen das nichts nützen.

Friedrich Merz spricht gern von einem Politikwechsel. Er hat nicht verstanden, dass ein Politikwechsel mit dem Wechsel der Politiker beginnt. 

Neue Politiker benötigt das Land und eine Renaissance des Politischen. Der Druck der Verhältnisse wird beides erzwingen. Was aber nötig ist, ist eine Bewegung der Freiheit, eine Partei der Freiheit, die aber existiert noch nicht. Die vordringliche Aufgabe in Deutschland besteht darin, dass die Freiheit – und damit die deutschen Bürger in Deutschland – wieder ein politisches Gewicht und eine politische Vertretung bekommen. Ihre erste Aufgabe wird darin bestehen, die Institutionen der Republik wieder aufzurichten und die Demokratie zu erneuern, Freiheit in der Wirtschaft und in der Gesellschaft als sine qua non unserer Zukunft, nein, schon unserer Gegenwart zu erkennen. 

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