Die Trauma-Industrie

Diesen Text gibt es auch als Episode im Wurlitzer, dem Podcast des Sandwirts und im Televisor des Sandwirts: Hier.

Haben wir uns an die Attentate der Schreckensmänner schon gewöhnt? Sie kommen zumeist aus Afghanistan, Syrien oder Afrika und erzeugen zunächst Wut, Trauer und Betroffenheit. Dann stellt man fest, dass es kurzfristig radikalisierte Einzeltäter sind, und psychiatrische Gutachten bescheinigen ihnen Schuldunfähigkeit. Die Begründung: Sie sind traumatisiert. Zeit Online hat dem unlängst sogar die Wendung gegeben: Wir haben sie nicht vor sich selbst geschützt! – Die Diagnose Trauma funktioniert also als Universalentschuldigung und begründet einen akuten Therapiebedarf. 

Natürlich gibt es reale Anlässe für Traumata, Kriege zum Beispiel, aber auch schmerzhafte Erinnerungen an die Sklaverei, den Holocaust oder 9/11. Und oft wirkt die traumatische Beziehung zur Vergangenheit geradezu identitätsstiftend. Aber in den letzten Jahren beobachten wir eine wahre Inflation der Traumata. Es hat sich ein Markt des Leidens entwickelt, der von den psychiatrischen „Experten“ einer Trauma-Industrie bewirtschaftet wird.

Das Trauma beglaubigt die nackte Wahrheit des Opfers und die Authentizität seines Leidens. Leiderfahrung wird geradezu zur Wahrheitsbedingung. Es ist kein Zweifel am Leiden mehr erlaubt. Auf diese Weise wird die Neurose abgeschafft und pathologisches Verhalten normalisiert. Das Trauma gilt jetzt als normale Reaktion auf eine abnormale Situation. Es bringt die Anerkennung als Opfer und begründet Rechte und Ansprüche. 

Zum Opfer gehört der Zeuge. Und zwar geht es um Zeugenschaft sowohl vor als auch hinter der Kamera. Der Zuschauer, bestürmt von Gewalt und Leid aus einer lebensgefährlichen Welt, erleidet ein Fern-Trauma durch fernsehen. Und der Journalist wird zum teilnehmenden Beobachter der Traumata vor Ort. Meist verzichtet er dann auf die einfache Berichterstattung und wird zum Aktivisten. Dem entspricht in Deutschland dann auch eine auf diesen Fernsehbildern basierte Politik, die man „feministische Außenpolitik“ genannt hat.

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