Die Vier von der Tankstelle 

Bei manchen Artikeln in der Presse – hier einer von Marion Horn in der Bild vom 11. Mai 2025 – fragt man sich, an wen sie eigentlich gerichtet sind, wer der Adressat ist.

Zunächst einmal die Fakten: Dabei waren Macron, der französische Präsident ohne parlamentarische Mehrheit, Starmer, der Brite, der gerade von Nigel Farage empfindlich deklassiert wurde und in den Umfragen in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen scheint, Merz, Friedrich zweite Wahl, dessen Koalition jetzt schon in den Umfragen dahindümpelt und bereits zu bröckeln beginnt, und Herr Tusk, der Pole, dem ebenfalls im eigenen Land eine Wahl mit ungewissem Ausgang bevorsteht – sie alle sind nach Kiew zu Freund Selenskyj gereist.

Nun, eine Zugfahrt, die ist lustig – und statt sich mit lästiger Innen- und Wirtschaftspolitik auseinanderzusetzen, kann man ja auch mal nette Bilder großer Einigkeit produzieren. Und die müssen nun „an den Mann“ oder vielleicht auch „an die Frau“ oder ein anderes diverses Geschlecht gebracht werden.

Frau Horn schreibt zu Fotos der vier händchenhaltenden Kumpels:

„Gänsehaut-Momente in Kiew. Schauen Sie sich die Fotos in diesem Text gerne genauer an. Sie erzählen eine Geschichte von Hoffnung, die meines Erachtens sogar weit über den Versuch hinausgeht, die Ukraine zu retten. Was sich da am Samstag in der von Krieg gezeichneten Stadt Kiew ereignete, war mehr als ein diplomatischer Pflichtbesuch (…) Es waren kleine Gesten, die Vertrauen verrieten: zustimmende Blicke, ein fester Händedruck, leise Berührungen, aufrichtiges Lächeln, ein offenes Wort zwischen den Zeilen.“

So viel Gefühligkeit, so viel Schmelz – man riecht förmlich den Apfelkuchen, den Ursula den Jungs mitgegeben haben könnte. Und Frau Horn fährt fort:

„Ich bin stolz auf dieses Quartett. Und ja, ich bin stolz, dass unser neuer Kanzler ein Teil dieses Quartetts ist. Es war das Aufkeimen eines Selbstbewusstseins, das längst überfällig war – die stille, aber kraftvolle Botschaft: Wir können das. Gemeinsam (…) Es war kein distanziertes Protokoll, sondern ein Miteinander, das gewachsen schien aus vielen Gesprächen, gemeinsamen Krisen und dem Bewusstsein, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Man tauschte Blicke, die Verständnis ausdrückten, man sprach mit leiser Entschlossenheit, aber auch mit dem Mut zur Klarheit.“

Dem Kommentator kommen hier fast die Tränen – und an Klarheit ließen die Vier auch nichts zu wünschen übrig: Putin solle gefälligst einem Waffenstillstand ohne Vorbedingungen zustimmen – also, auf gut Deutsch: Waffenlieferungen sollten innerhalb dieses Zeitraums natürlich weiterhin möglich sein. Darauf scheint sich der renitente Russe nicht einzulassen, zumal es an der Front eher gut für ihn läuft.

Und dann hört man noch von Donald, dass er Selenskyj tatsächlich aufgefordert haben soll, sich nach Istanbul zu begeben und dort ohne eigene Vorbedingungen zu verhandeln. Wir ahnen: Bei diesem ganzen Hin und Her wird wohl nichts herauskommen – außer einer Story für Tradwives und Sofageneräle.

Und der Fritze mittenmang: Zwischen Macron, der ihm vermutlich den französischen Atomschutzschirm verkaufen will – was das kosten soll, darüber erfuhren wir nichts – und ob die gallischen Waffen nach Jahren des Einrostens überhaupt noch einsatzbereit sind, das weiß auch keiner. Und Starmer, dessen Britannia nicht mehr die „Waves rulet“ – unlängst soll eine der königlichen Raketen beim Probeschuss fast auf das eigene U-Boot gefallen sein. Shit happens.

Und die USA? Die spielen nicht richtig mit. Dazu kommt eine bemerkenswerte Veränderung in der amerikanischen Haltung gegenüber Israel: Netanjahu soll zunehmend „out“ sein. Trump reist zu den Arabern – nach Jerusalem will er nicht schauen. Die besseren Geschäfte könnten mit den Saudis zu machen sein. Und: Ein Abkommen mit dem Iran scheint möglich, mit den Houthis gibt es eine Übereinkunft, und die USA wollen Lebensmittel nach Gaza liefern – ohne israelische Kontrolle.

Überhaupt: Die israelische Gesellschaft scheint kriegsmüde. Immer mehr Reservisten wollen nicht mehr kämpfen. Die Hamas, hört man, sei stärker als je zuvor. Da kommt es gerade recht, dass Herr Wadephul zu Besuch kommt.

So schreibt der bekannte Kolumnist Freimann in der Washington Post:

„Aber diese ultranationalistische, messianische israelische Regierung ist kein Verbündeter Amerikas. Denn dies ist die erste Regierung in Israels Geschichte, deren Priorität nicht der Frieden ist (…) Ihre Priorität ist die Annexion des Westjordanlands, die Vertreibung der Palästinenser aus Gaza und die Wiedererrichtung israelischer Siedlungen dort.“

Und weiter:

„Die Vorstellung, dass Israel eine Regierung hat, die sich nicht länger wie ein amerikanischer Verbündeter verhält – und auch nicht als solcher betrachtet werden sollte – ist eine schockierende und bittere Pille für Israels Freunde in Washington. Aber sie müssen sie schlucken. Denn mit ihrer extremistischen Agenda untergräbt diese Netanjahu-Regierung unsere Interessen.“

Die WAPO ist ungefähr das für die USA, was die Prawda für den Iwan ist: Da wird die offizielle Politik verkündet. Das sind auf jeden Fall neue Töne. Aber die Bundesrepublik scheint in die Rolle der USA schlüpfen zu wollen – zumindest, was die Finanzierung der gegenwärtigen Konflikte betrifft. Viel Spaß dabei.

Und Trump hat gerade zwischen Indien und Pakistan vermittelt – bravo! Während man hierzulande auf der Suche nach Fettnäpfchen ist, in die man tappen kann. Wird schon klappen – da kann man ja beruhigt sein.

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