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Andrew Lloyd Webber gilt als Mr. Musical. Ob „Sunset Boulevard“, „Cats“ oder „Das Phantom der Oper“ – der Brite schaffte es immer wieder, interessante Geschichten durch poppig-pathetische Musik einem breiten Publikum nahe zu bringen. Ebenso bei seinem Werk „Evita“. Dort geht es um die argentinische Präsidentengattin Eva Perón. Das Musical zeigt die Geschichte einer armen, dafür umso attraktiveren Dame aus der Provinz, die sich bis zur First Lady hocharbeitete. Das wohl bekannteste Lied aus dem Musical ist „Don’t Cry for Me, Argentina“:
Don’t cry for me, Argentina
The truth is, I never left you
All through my wild days, my mad existence
I kept my promise
Don’t keep your distance
Vor einem Jahr wählten die Argentinier Javier Milei zum Präsidenten ihres Landes. Nun ist es nicht bekannt, wie gut dem Libertären „Evita“ gefällt. Dennoch sind Parallelen unverkennbar. Milei wuchs in einfachen Verhältnissen in Palermo auf, einem Stadtteil von Buenos Aires. Sein Vater verdiente sein Geld zunächst als Busfahrer. Später betrieb er ein kleines Transportunternehmen. Und vor allem: Er misshandelte seinen Sohn. Später wird Javier Milei sagen, dass er regelmäßig von seinem Vater mit dem Gürtel verprügelt wurde.
Mileis Erfolge können sich sehen lassen
Zwar war der Ökonom Javier Milei in der libertären Szene seit Jahren bekannt, jenseits dessen aber wussten nur wenige Menschen mit dem Namen etwas anzufangen. Erst als sich abzeichnete, dass der 54-Jährige argentinischer Präsident werden würde, regte sich vor allem in Europa Widerstand. Im Kontinent des prosperierenden Sozialstaates ist es wenig gern gesehen, wenn andere Länder den Weg der Freiheit suchen, statt sich auf das Wohl und Wehe des Staates zu verlassen.
So wetterten deutsche Medien gegen eine „Revolution von rechts“ eines Mannes, der „erzkonservative Werte“ vertrete. Inwieweit freie Liebe, offene Grenzen und die Legalisierung allerlei Drogen mit „erzkonservativen Werten“ zu tun haben, verriet der Schreibtischanalyst zwar nicht, dennoch war das Feindbild geboren: Keiner verkörperte individuelle Freiheit wie Milei – etwas, was deutsche Kollektivisten fürchten wie Veganer den Kannibalen.
Dabei können sich Mileis Erfolge durchaus sehen lassen. Medienwirksam halbierte der neue Präsident die Ministerien um die Hälfte. So umfasst das neue Kabinett nur noch die Ressorts Justiz, Gesundheit, Innenpolitik, Verteidigung, Infrastruktur und Humankapital, Wirtschaft und Außenpolitik. Von den ursprünglich 18 Kabinettsmitgliedern sind nur noch neun übrig. Gleichzeitig sanierte er den Haushalt, was zur Folge hatte, dass zehntausend Staatsangestellte arbeitslos wurden. Trotz Massenprotesten ist der argentinische Staatshaushalt nun seit einem halben Jahr ausgeglichen.
Kurzfristig stieg die Armut
Doch das Wichtigste: Die Hyperinflation ist gestoppt. Eine hohe Inflation zerstört neben der Wirtschaftskraft vor allem das Vertrauen der Bürger in die Währung, welches für eine funktionierende Ökonomie unabdingbar ist. Laut Statista ist die jährliche Inflationsrate im September 2024 im Vergleich zum Höchststand vom April bereits um mehr als 80 Prozentpunkte gesunken. Die stark ansteigende Inflationsrate, die er beim Amtsantritt übernommen hatte, konnte er in nur wenigen Monaten in eine rasch fallende Inflationsrate umkehren.
Dies wird auch jenseits Südamerikas bemerkt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) findet beispielsweise lobende Worte über Argentinien: „Die Umsetzung des Programms hat zu einer beträchtlichen Reduzierung der Inflation und des Haushaltsdefizits geführt,“ so die IWF-Sprecherin Julie Kozack. Der IWF gilt als größter Geldgeber Argentiniens. Das Land hat bei der Finanzinstitution mehr als 40 Milliarden Dollar Verbindlichkeiten. Aufgrund der Reformpolitik könnte Argentinien nun Zinserleichterungen ins Haus stehen.
Zur Wahrheit gehört aber auch: In dem einen Jahr unter Milei ist die Armut in Argentinien noch weiter angestiegen. Glaubt man den Prognosen, wird sich dieser Trend im Jahr 2025 durch das einsetzende Wirtschaftswachstum umkehren. Ähnlich wie bei Währungsreformen muss das Volk leider durch eine Talsohle – Hans-Werner Sinn spricht hier von 6 bis 18 Monaten –, bis es dann wieder besser wird. Diese Talsohle ist aber nicht die Schuld von Milei, sondern seiner korrupten, sozialistischen Vorgänger.
Milei, der Überzeugungsttäter
Was Milei ebenfalls durchführt, wo es nur geht: Privatisierungen. Ob der Energiekonzern Energía Argentina S.A, der Wasserversorger Agua y Saneamientos Argentinos S.A. (bekannt als AYSA); Milei möchte die Staatsgewalt so weit zurückstutzen, dass sich auch nur privatwirtschaftliche Betriebe für privatwirtschaftliche Belange einsetzen. Und er will mit seinem Land Teil des Weltkapitalmarktes werden. Die massenhafte Privatisierung der Staatskonzerne ist hierbei ein wichtiger Schritt.
Außenpolitisch setzt Milei ebenfalls neue Akzente. So lehnt er einen Beitritt zu den BRICS ab und verweist darauf, dass Argentinien sich vermehrt auf bilaterale Beziehungen konzentrieren wolle. Eine besonders gute Beziehung versucht er mit Israel aufzubauen. Im Februar traf Milei Staatspräsident Jitzchak Herzog im jüdischen Staat. Dieser sagte, sein Gast habe „Liebe und Zuneigung sowohl für das jüdische Volk als auch für den Nationalstaat dieses Volkes“ gezeigt. Milei hingegen betonte, dass noch elf argentinische Staatsbürger in der Hand der Hamas seien. Es war ein emotionaler Besuch, der seinen Höhepunkt an der Klagemauer fand, als Milei Arm in Arm mit dem Rabbi Wahnish seinen Gefühlen freien Lauf ließ und weinte.
Solche Bilder zementieren die Authentizität eines Überzeugungstäters. Javier Milei mag nicht perfekt sein. Er wird Fehler machen. Doch er ist mehr als nur ein Strahl der Hoffnung. Wenn er so weitermacht, wird er zum Stern am freiheitlichen Himmel, der bis nach Europa leuchten könnte. Und sicherlich würde der Ökonom auch diese Zeilen aus „Don’t Cry for Me, Argentina“ unterschreiben:
Looking out of the window, staying out of the sun
So I chose freedom, running around trying everything new
But nothing impressed me at all
I never expected it to
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