Ein neuer Faktor: J.D. Vance

Ich kann mir ja manchmal einen Blick in die Glaskugel oder den Bildschirm nicht verkneifen und muss zugeben, dass mich einerseits das Attentat auf Trump nicht wirklich überrascht hat – zu häufig haben meine amerikanischen Freunde von einer derartigen Möglichkeit gesprochen –, was aber wirklich quasi ohne Vorwarnung kam, war die Ernennung des bis dahin relativ unbekannten J.D. Vance zum „Running Mate“.

Machen wir uns nichts vor: Sollte Trump tatsächlich als Präsident vereidigt werden, dann würde Vance wohl sein Nachfolger und wenn sich das Paar nicht zu ungeschickt anstellt, dann läge vor Europa eine längere Vance-Epoche: Grund genug, sich den Herrn genauer anzusehen.

Werdet erwachsen!

Vance hat beim republikanischen Nominierungsparteitag eine umjubelte Rede gehalten, die mit fast allen Selbstverständlichkeiten bisheriger amerikanischer Politik bricht. Dabei wirkt er auf mich überzeugt und überzeugend, ein bemerkenswerter Kontrast zu der bisherigen US-amerikanischen Gerontokratie.

Was da im Busch ist, wird von Ibrahim Naber am 19.7.24 in der „Welt“ knapp zusammengefasst: „Bei einem Trump-Sieg würde J.D. Vance Vize-Präsident der USA werden. Und er hat bereits Pläne: Europa soll militärisch auf eigenen Füßen stehen, die Hilfen für die Ukraine ein Ende haben. Die Verteidigung gegen Russland müsste dann neu aufgestellt werden.“

Seine Einlassungen zur Bundesrepublik sind unmissverständlich (BR24 vom 14.4.2024): „Kritik übte Vance auf der Sicherheitskonferenz an der aktuellen Ampel-Bundesregierung und ihrer Industriepolitik. Während Putin immer stärker werde und die russische Armee andere europäische Länder attackiere, beginne Deutschland mit einer Deindustrialisierung. Europa müsse eine stärkere Rolle bei seiner eigenen Sicherheit übernehmen, das gehe nicht ohne Industrie.“

Im Mai äußerte sich Vance noch einmal deutlich schärfer über die deutsche Regierung. Bei einem Vortrag in den USA sagte er: „Wenn Putin um jeden Preis besiegt werden muss, liebe deutsche Freunde, dann hört auf, euer eigenes Land im Namen einer lächerlichen grünen Energiepolitik zu deindustrialisieren!“

Das heißt, dass die gegenwärtige Ampelpolitik nun nicht mehr nur von der Realität, sondern auch von einer massiven Veränderung der Haltung unseres Hegemons umzingelt sein könnte.

Die Ukraine am Hals

Bedenklich ist aus deutscher Sicht, welche Pläne Vance für die nahe Zukunft Europas offenlegt. „Unsere Großzügigkeit in der Ukraine neigt sich dem Ende zu“, schreibt er. Es sei jetzt genug, Zeit für Frieden. 

Ähnliche Töne stimmt Trump an. Er hat wiederholt gesagt, dass er den Krieg zwischen Russland und der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden könnte.

Wem die Abhängigkeit der ukrainischen Armee von bestimmten Waffensystemen und Munition aus den USA bewusst ist, wer dazu die öffentlichen Forderungen Russlands für einen Waffenstillstand kennt, weiß: Dies würde auf mittlere Sicht das Ende der heutigen Ukraine bedeuten.

Sie wäre zu einer Art Diktatfrieden gezwungen, mit großen Gebietsverlusten im Osten und Süden. Und wahrscheinlich auch mit einer Teilzerschlagung der ukrainischen Armee, wie es sich der Kreml schon bei den Verhandlungen 2022 ausgemalt hat.

Dass sich hier eine massive Veränderung der Rahmenbedingungen des europäischen außenpolitischen Handelns ankündigt, scheint offensichtlich. Vance glaubt übrigens auch nicht, dass Putin weiter nach Westen vordringen wolle, wie es hierzulande gebetsmühlenartig wiederholt wird. Eigentlich ist es ganz einfach: Westeuropa wird auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, den Ukrainekrieg waffentechnisch aufrechtzuerhalten, wenn sich die USA verabschieden. Und das hat Vance angekündigt.

Also sollte man sich auf eine militärische Niederlage der Ukraine einstellen. Mit einer für uns fatalen Folge, nämlich vermutlich einer massiven Flüchtlingswelle, nebenbei vor allem auch der neonazistischen Gruppen innerhalb der Ukraine. Dass darauf im Kern niemand vorbereitet ist, braucht nicht erwähnt zu werden. 

In der „Welt“ heißt es: „Gleichzeitig muss die EU, allen voran die Bundesregierung, die militärische Unterstützung für die Ukraine jetzt massiv ausweiten. Das wäre das einzig richtige Signal an den Kreml vor den US-Wahlen. Eine starke ukrainische Armee ist in jeder Hinsicht Europas ureigenes Interesse. Wer das zweieinhalb Jahre nach Putins Invasion nicht begreift, will es nicht verstehen. Bei einem potenziellen Zerfall der Ukraine könnten bis zu zehn Millionen Menschen zusätzlich das Kriegsland verlassen, wie „WELT“ im Februar berichtete.“ 

In epischen Schlachten

Und was passiert dann? Schließen Polen, Ungarn und Rumänien die Grenzen und wenn ja, wie? Oder winken sie die flüchtenden Massen „a la italiana“ nach Westen durch? Da dürfte die Kartoffelsuppe knapp werden, das scheint klar! Und: Das droht nicht in zehn Jahren, sondern in einem halben Jahr!

Nun, die Bundeswehr hat für zwei Tage Munition, so hört man, und kann keine einzige kampffähige Brigade aufstellen. Mit unseren europäischen Freunden sieht es nur unwesentlich besser aus. Dazu kommt eine zunehmende Verschuldung plus wahrscheinlicher Verteilungskämpfe und ein aufziehender Wirtschaftskrieg durch die BRICS.

Interessant sind auch die Aktionen des bekannten amerikanischen Medienunternehmers Tucker Carlson: Zum einen hat er eine bemerkenswerte Rede in Milwaukee gehalten und zum zweiten Vance sehr ausführlich interviewt. Was mir dabei aufgefallen ist, ist der massive Rückgriff auf religiöse Motive. 

Nun glaubt man das von den Amerikanern zu kennen: Christliche Fundamentalisten, die in ihren Holzkirchen „Halleluja“ singen. Mir scheint das zu kurz gegriffen und man könnte von einem laizistisch-pseudoaufgeklärten europäischen Standpunkt da einer Täuschung verfallen. Carlson sagt in dem Interview, dass er den Eindruck hat, die Auseinandersetzung zwischen „Wokeismus“ und der neuen republikanischen Bewegung habe eine spirituelle Dimension. Ich habe ihn so verstanden, als sei für ihn da die Vorstellung wirkender geistiger Kräfte da. Auch Vance sieht sich wohl in einer derartigen Schlacht. Beide wirken merkwürdigerweise sehr optimistisch. 

Warten wir ab.

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1 Kommentar. Leave new

  • Christian Geller
    24. Juli 2024 9:23

    Man kann dem Team Trump/Vance nur alle Daumen drücken, ja für sie beten.
    Europa sollte von den USA die Freiheit „geschenkt“ bekommen. Das Gesicht von Plapperlena, Habeck & Co. angesichts der totalen Niederlage der Ukraine kann ich kaum erwarten.
    Dazu kommt dann ein massiver wirtschaftlicher Einbruch, der den grünen Zeitgeist wegspült wie ein Tsunami eine Sandburg. Es bleibt spannend….

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