Die Erbschaftsteuer muss weg!

Während sich das politische Vorfeld der Staatssozialisten und ihre NGOs in Gießen Straßenschlachten mit der Polizei liefern, verschärfen die Parteikader und Jugendorganisationen den Ton in der öffentlichen Debatte. Von Grünen, Linken und Jusos wird der Ruf „Tax the Rich“ immer lauter – und neuerdings auch viel härter formuliert: „Eat the Rich“. 

Eine Erhöhung der Erbschaftsteuer wird geradezu als moralisch unausweichlich eingefordert. Gleichzeitig diskutiert die „Albanien-Regierung“ (rot-schwarz) die Einbeziehung von Vermögenseinkünften in die Bemessungsgrundlage für die Zwangsbeiträge zur sogenannten Sozialversicherung. Warum aber könnte gerade die Neidsteuer schlechthin, die Erbschaftsteuer als Erstes abgeschafft oder zur Ländersache gemacht werden?

Das „Imkerprinzip“

Was die Staatssozialisten fürchten: Die Anreize in der jüngeren gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung haben sich zugunsten der Leistungsbereiten, Sparer und/oder Vermögenden verschoben; diese könnten erstmals in großer Zahl zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit von der Politik gelangen, und das wäre der Untergang der etatistischen Organisationen, wie wir sie heute kennen.

Der von Ludwig von Mises (1881 – 1973) nicht allzu hoch geschätzte Kollege Franz Oppenheimer (1864 – 1943) sprach von der Politik als der Bewirtschaftung des Menschen mit dem Mittel Zwang und er nannte es das „Imkerprinzip“. (Allerdings soll sein Doktorand Ludwig Erhard (1897 – 1977) seinen Doktorvater Oppenheimer hochgeschätzt haben.) 

Man lasse den Arbeitsbienen gerade so viel, dass sie weiterhin Überschüsse produzieren können. Damit die Bienchen aber arbeitsam und folgsam bleiben, nimmt man ihnen mehr, als sie zu ihrer Subsistenz eigentlich bräuchten, und gibt es ihnen dann geschmälert „zurück“ in Form von niedrigen Renten, einem abgewirtschafteten Gesundheitssystem, Zwangsbeschulung, ÖRR, ÖPNV und so weiter.

Erbschaftsteuer debunked

Im Einzelnen möchte ich heute aber auf die Erbschaftsteuer eingehen, denn sie muss weg und bei ihr kann als Erstes angesetzt werden, um die deutschen Länder auf einen Reformkurs zu führen und eine Brücke in die Freiheit zu bauen. Die Forderungen nach einer Erhöhung der Erbschaftsteuer gehen mit pseudo-ökonomischen wie pseudo-ethischen Argumenten einher, und diese sollen im Folgenden debunked werden. 

Das wird freilich keinen Etatisten oder Staatssozialisten überzeugen, denn anreizgetrieben wie sie nun einmal sind, muss es ihnen gerade recht sein, dass die Erbschaftsteuer gesamtgesellschaftlich negative ökonomische Auswirkungen hat und ethisch unhaltbar ist. Ist doch nichts gefährlicher für Politiker, als von der Politik unabhängige, wirtschaftlich souveräne Individuen in großer Anzahl, die ihre Angelegenheiten selbst und ohne den „Zwangs- und Unterdrückungsapparat“ (Ludwig von Mises) des Staates regelbasiert besorgen können. 

Lady Bertram („Mansfield Park“)

Ein populäres Argument ist, dass Erbschaft ein leistungsloses Einkommen sei. So what? 

Das geht niemanden etwas an. Ich will gar nicht darauf hinaus, dass auch die Erben, wie etwa die Ehefrau oder die Kinder und Enkel, ihrerseits durch die Unterstützung des Erblassers einen erheblichen Beitrag zu dessen Vermögenserwerb beigetragen haben, dass die Familie etwas insgesamt erwirtschaftet und die Vermögenswerte regelmäßig innerhalb dieser Familie vererbt oder verschenkt werden. 

Auch nicht auf den Widerspruch der ansonsten kollektivistisch Gesinnten, dass sie beim Thema Erbschaft zu einem radikalen Individualismus neigen und sie nicht das Kollektiv, die Familie, als Denkobjekt vermenschlichen, was sie sonst so gerne tun, wenn sie vom „Staat“ oder der „Gesellschaft“ wie von einem handelnden Wesen mit eigenen Zielen sprechen, dem man die Hand schütteln könnte. 

Nein, nehmen wir ruhig an, die Alleinerbin wäre eine Lady Bertram, wie sie der Jane Austen Fan aus „Mansfield Park“ kennt, die ihr Leben lang wirklich keinen Finger krumm gemacht hat, sondern einen Großteil ihrer Zeit phlegmatisch mit ihrem Mops auf dem Divan zubrachte. Und sie erbt jetzt ein riesiges Vermögen von Sir Thomas (in Wirklichkeit erbte damals der erstgeborene Sohn, aber für das Argument erbt jetzt die Lady, und ebenso für das Argument nehmen wir hier an, dass wir Sir Thomas nicht nachweisen können, dass er sein Vermögen unredlich erworben hätte). 

Fakt ist: Lady Bertram schuldet niemandem einen Anteil an ihrem Erbe. Woher sollte diese Schuld auch kommen, wenn Lady Bertram sich nicht dazu verpflichtet hat? Eine „Schuld“ entsteht handlungslogisch aus einer freiwilligen Verpflichtung, aus der für den anderen spiegelbildlich ein Recht folgt, etwas zu fordern. Inhalt und Umfang der Schuld und der Gläubiger gehen aus der Vertragsgrundlage hervor. Man kann Lady Bertram zwar zwingen, sie nötigen, etwas abzugeben, aber das hat eben nichts mit Schuld oder Pflicht zu tun, auch wenn Etatisten im Glauben an einen metaphysischen Rechtspositivismus bei „erzwungenem Recht“ ebenso von „Pflicht“ sprechen wie bei vertraglichen Pflichten. Handlungslogisch sind Zwang und Pflicht aber zwei Paar Stiefel.

Da sitzt nun Lady Bertram mit ihrem – tatsächlich – völlig leistungslos erworbenen Vermögen, und niemand hat ein Recht, es ihr wegzunehmen, außer in seiner Phantasie. Das ist auch nicht „ungerecht“, weil es eben völlig einwandfrei Recht ist: Der Erblasser wollte es ihr vererben und der Wille des Erblassers ist ihr rechtsgültiger Anspruch auf das Erbe. 

Niemand kam dabei zu Schaden. Niemand steht jetzt schlechter durch die Erbschaft der Lady Bertram, als er vorher stand, als das Herrenhaus und Mansfield Park noch Sir Thomas gehörte. Der Juso oder Linke hatte vorher keinen Anspruch darauf und danach hat er ihn auch nicht. Der Verlust des Linken durch die Erbschaft von Lady Bertram ist: null. Also genauso null wie der Anspruch auf einen „gerechten“ Anteil daran.

Ungleichheit ist nicht per se ungerecht

Es ist nicht ungerecht, dass die einen mehr und die anderen weniger haben, weil Recht eben handlungslogisch eine normative Interaktion voraussetzt, also dass sich die Rechtschaffenden freiwillig zu etwas verpflichten. Ungleichheit hat mit Gerechtigkeit erst einmal gar nichts zu tun, es sei denn, die Ungleichheit wurde durch eine Ungerechtigkeit herbeigeführt. Ungerecht und unmoralisch sind sämtliche Fälle, die unter Oppenheimers „Imkerprinzip“ zu subsumieren sind, also das Bewirtschaften friedlicher Menschen mit Zwang. Kommt es hierdurch zur Ungleichheit, etwa dass den einen genommen und den anderen gegeben wird, dann ist diese Ungleichbehandlung (nimm den Sparern und Fleißigen und gebe es den Müßiggängern und Bedürftigen) natürlich eine Ungerechtigkeit. Aber nicht so im Falle der Lady Bertram. Bei ihrem Vermögenserwerb ging es gerecht zu. 

Erbschaftsteuer macht Arme ärmer

Ökonomisch kann man noch anführen, dass die Erbschaftsteuer dem privaten, investiven Sektor Kapital entzieht und es dem konsumtiven Sektor des Staates zuführt. Im ersteren geht es um Effizienz, also das Verhältnis des Wertes von Input und Output, im Letzteren nur um Effektivität – die Wertschätzung des Inputs interessiert nicht, weil die Mittel mit Zwang erworben werden und der Betroffene nur gehorchen oder sich auflehnen kann, aber nicht gefahrlos ablehnen. 

Dieser Kapitalentzug zu Lasten des effizienten Sektors führt zu einem geringeren Kapitalstock und dieser – ceteris paribus – zu einem Sinken der Grenzlöhne. Leidtragende sind also ebenso die Arbeitnehmer.

Auch dass das wesentliche Vermögen der Erben mittelbar in der Hand der Konsumenten ist, wird den Staatssozialisten nicht überzeugen. Den Löwenanteil des Vermögens machen regelmäßig nicht Bargeld und das Familienheim aus, sondern Produktivkapital in Form von Betriebsvermögen oder Unternehmensanteilen. In der Marktwirtschaft müssen die Produktionsmittel im Interesse der Kunden eingesetzt werden. Wenn die Konsumenten mit den bezahlten Preisen nicht sämtliche Aufwendungen des Produzenten decken, macht dieser Verluste und wird bei dauerhaften Verlusten insolvent, sodass das Kapital – aus der Sicht der Kunden – in bessere Hände gelangt. 

Von seinen Produktionsmitteln kann der Reiche auch nicht abbeißen. Autos beispielsweise werden ja nicht für die Familie mit dem größten Aktienpaket produziert, sondern für die Kunden des Automobilherstellers. 

Auch die Anreize, die die Erbschaftsteuer setzt, sind ökonomisch nachteilig: Statt zu investieren, wird der potentielle Erblasser bei Erbschaftsteuern ceteris paribus zur Konsumtion zu Lebzeiten neigen – oder auswandern –, was wiederum den Kapitalstock und damit auch die Löhne schrumpfen lässt.

Okay, Freiheitsverkäufer, go for it!

Wir wissen, all diese ethischen und ökonomischen Argumente, dass die Erbschaftsteuer unsozial, unmoralisch und gesamtgesellschaftlich ökonomisch nachteilig ist, wird keinen linken oder rechten Etatisten überzeugen. Deren Motive sind anders gelagert, wie ich in meinem Buch „Die Erlöser. Eine kurze Psychologie der Politik“ dargelegt habe. Aber von Zeit zu Zeit kommt ein populistischer Etatist, der gerissen genug ist, sich bei den Nettosteuerzahler als „Freiheitsverkäufer“ anzubiedern, und so sind unterschiedliche Erbschaftsteuersätze in den Bundesländern bereits zur Sprache gekommen. Betreten nun neben Freiheitsverkäufern auch noch Antipolitiker die Bühne, die bereit sind, ein Stück des Weges in die Freiheit gemeinsam zu gehen mit den „Etatisten im Freiheitspelz“, besteht eine Chance auf eine Brücke in die Freiheit.

Die Erbschaftsteuer muss also weg. Sie ist unmoralisch und ungerecht und trifft mittelbar auch die Ärmsten und diese besonders. Die Abschaffung der Erbschaftsteuer ist eine Brücke in die Freiheit, und wenn erst einmal genug solcher Brücken gebaut sind, werden die geänderten Informations-, Gesellschafts- und Kapitalstrukturen im 21. Jahrhundert schon dazu führen, dass Etatismus und Staatssozialismus genauso wieder von der Bildfläche verschwinden, wie sie am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgetaucht sind.

Andreas Tiedtke - Die Erlöser Mockup StapelDer Autor dieses Artikels hat in der Edition Sandwirt das Buch „Die Erlöser. Eine kurze Psychologie der Politik“ veröffentlicht.

Beitrag teilen …

Der nächste Gang …

Julian Marius Plutz Blog

Butter als Krisen-Orakel

Der Tag, an dem Sitting Bull erschossen wurde 

1 Kommentar. Leave new

  • Olga Tasz
    16/12/2025 10:26

    Rückfrage: „Die Anreize in der jüngeren gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung haben sich zugunsten der Leistungsbereiten, Sparer und/oder Vermögenden verschoben.“
    Ja? Ist das so? Worin zeigt sich das denn beispielsweise?

    Und NEIN (I): die deutschen Länder werden genauso wenig, wie irgendwelche anderen politischen Strukturen auf Reformkurs geführt werden. Denn Strukturen entstehen nicht spontan – sie werden gezielt konstruiert, und zwar auf Reformresistenz hin. Sonst wäre der Spass der Machthaber längst vorbei.

    Schliesslich NEIN (II): Wenn „Freiheitsverkäufer“ und Antipolitiker ein Stück des Weges gemeinsam gehen, dann wird das Ergebnis allenfalls ein fauler Kompromiss sein – vergleichbar dem, was die These vom Minimalstaat in seiner praktischen Umsetzung erwarten liesse.

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fill out this field
Fill out this field
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
You need to agree with the terms to proceed

Autoren