Die Bild titelt am 27.3.2025: „Neue Koalition will Lügen verbieten. Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.” – Wie realistisch ist das? Werden Lügen bald bestraft? Was würde das für die Verbreitung der Wahrheit bedeuten?
Der Beobachter dieser Debatte denkt sich schon seit langem, ja dann macht doch endlich! So schwer kann das doch nicht sein. Ich bin es auch leid, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwangsgebührenfinanziert angelogen zu werden. In meinem Fall geht es um Milei und seinen Erfolg in Argentinien, den ich unter JavierMileiDE auf X praktisch täglich dokumentiere und kommentiere. Natürlich weiß niemand, wie das dort ausgeht. Anhänger der Praxeologie, wie die Philosophie der österreichischen Schule der Nationalökonomie heißt, der auch Milei anhängt, wissen, dass die Zukunft denklogisch ungewiss sein muss.
Aber warum müssen ARTE und die Tagesschau die offensichtliche Unwahrheit verbreiten und mich auch noch dafür zahlen lassen? Selbst beim Spiegel ärgert mich das, auch wenn ich den nicht zahlen muss.
Also: Wie würden die staatlichen Akteure das konkret angehen, Lügen strafrechtlich zu verfolgen?
Basteln wir uns einen Paragrafen …
Zunächst ist das nichts grundlegend Neues. Die Verleumdung ist seit Menschengedenken strafbar und in §187 des Strafgesetzbuches wie folgt geregelt:
„Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
Der zitierte §11 Absatz 3 StGB konkretisiert: „Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.”
Man nehme aus §187 StGB die Worte „in Beziehung auf einen anderen” und „welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist” heraus und hat schon eine gute Basis.
Die Worte „wider besseres Wissen” muss man wohl durch „vorsätzlich” ersetzen, weil regelmäßig nicht beweisbar sein dürfte, dass jemand die sichere Kenntnis in Bezug auf die Unwahrheit der behaupteten Tatsache hat. Der Paragraph würde sonst ins Leere laufen. Er trifft ohnehin nur die Fälle, in denen die „Lüge” nicht als Meinung oder alternative Sichtweise verpackt wird.
Etwas störend ist, dass dies auch für den privaten Bereich gelten würde. Das wäre zu viel des Guten. Selbst die beziehungs- oder freundschaftsrettende Notlüge wäre so strafbar. Auch das eigene Kleinkind dürfte man nicht anlügen. Aber nichts leichter als das, dann streichen wir eben auch noch die Worte „wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und” …
Außerdem soll ja nicht jede Lüge in jeder Versammlung von Freunden an der Bar bestraft werden, sondern nur die medial verbreiteten Lügen. Wer will schon langweilige Geschichten ohne Übertreibung und Ausschmückung hören. So wären auch noch die Worte „in einer Versammlung oder” zu streichen und wir erhalten mit einer kleinen redaktionellen Anpassung und einer neuen Überschrift:
„§187a Verbreiten von Lügen im öffentlichen Raum
Wer vorsätzlich eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, wird, wenn die Tat öffentlich durch Verbreiten eines Inhalts (§11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
So einfach ginge das. Das Lügen ohne Absicht der Verbreitung mittels Schrift- Bild- oder Tonträgern würde den Tatbestand nicht erfüllen, wäre also straffrei. Das schützt auch den, der ohne eigene Verbreitungsabsicht aufgezeichnet wird. Er wäre straffrei, derjenige, der die Aufzeichnung verbreitet, dagegen strafbar.
Es könnte falsch sein …
Warum wird das aber niemals kommen? Weil Lügen zum politischen Geschäft gehört und Propaganda Lügen ist. Wenn es diesen §187a StGB gäbe, hätte ich die Verantwortlichen bei ARD und ARTE anzeigen können. Das hätte selbst gegolten, wenn die verbreiteten Texte nicht selbst schon den Beweis der Lüge beinhalten. Ein Beispiel soll das verdeutlichen:
ARTE behauptet in einem Beitrag noch 2025, dass die Armut in Argentinien unter Milei gestiegen ist. Das ist objektiv falsch. Alle verfügbaren aktuellen Statistiken besagen das Gegenteil. Die Behauptung erfüllt daher den so genannten objektiven Tatbestand.
Die Redakteure könnten sich nun darauf hinausreden, sie hätten es nicht besser gewusst und die letzte offizielle Statistik, die zwar nur das erste Halbjahr 2024 erfasst hat, sage auch noch aus, dass die Armut gestiegen sei. Sie hätten daher nicht „vorsätzlich” gehandelt.
Diese Argumentation scheitert aber m.E. an den juristischen Feinheiten der Abgrenzung zwischen grober Fahrlässigkeit und Vorsatz. Umgangssprachlich könnte man sagen, dass es nicht ausreicht, sich besserem Wissen schlicht zu verschließen. Der Jurist würde technisch genauer von der Abgrenzung zwischen bewußter Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz sprechen. Dies ist ein ganz enger Grat: „Es könnte falsch sein, aber ich hoffe, dass es stimmt”, wäre noch fahrlässig. „Es könnte falsch sein, aber das ist mir egal” wäre strafbarer Vorsatz.
Bei dieser Abgrenzung wird auch herangezogen, was man vom Täter erwarten darf. Hier fällt dem so genannten Qualitätsjournalismus die Qualität auf die Füße. Von diesem darf man erwarten, dass er eine wichtige Aussage zumindest einmal googelt. Wahrscheinlich beim mit Zwangsgebühren finanzierten Qualitätsjournalisten sogar, dass er auch andere, leicht zugängliche Quellen, wie etwa die offiziellen Webseiten der argentinischen Regierung, befragt. Unterläßt er dies, zeigt er damit, dass es ihm egal ist. Er erfüllt den Tatbestand des bedingten Vorsatzes und ist damit strafbar.
Meinungsfreiheit oder Propagandafreiheit?
Mich würde das ganz besonders freuen, weil meine tägliche Berichterstattung über Milei auf X leicht für jeden ehrlichen Journalisten zu finden ist. Und wie ich könnte jeder Wahrheitsliebende auf jedem Gebiet die Wahrheit auf X, YouTube oder Wikipedia einstellen und so unter Zuhilfenahme des Strafrechts verhindern, dass er und andere öffentlich-rechtlich straffrei angelogen werden können. Je einfacher die Wahrheit auffindbar ist, desto schwerer wird das Lügen, vor allem für den mit Zwangsabgaben bezahlten Qualitätsjournalisten.
Tatsächlich bin ich als Libertärer natürlich gegen die Bestrafung von Aussagen, die niemand glauben muss, keinen persönlichen Angriff darstellen und die auch sonst keine negative Wirkung auf einzelne Personen oder deren Eigentum haben können. Aber wenn der Apparat schon die Meinungsfreiheit unterdrückt, dann doch bitte auch die eigene!
Die strafrechtlich eindeutige Behandlung der Lüge würde dem Normalbürger sogar einen Vorteil verschaffen. Er ist nämlich kein Qualitätsjournalist. Von ihm kann, zumindest bis zum ersten Mal, nicht ohne Weiteres verlangt werden zu recherchieren, vor allem, wenn er seine Aussage noch als Meinung veröffentlicht oder aus dem Kontext ersichtlich ist, dass das mal eben so schnell dahingesagt wurde.
Es ist nicht schwer zu verstehen, dass der staatliche Propagandaapparat kein Interesse an einem derartigen Ungleichgewicht hat. Die Strafbarkeit der Lüge wird daher nicht kommen. Auch wenn die Koalition richtig erkannt hat, dass die Lüge, wie die Verleumdung auch, nicht unter die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes fällt, aber eben auch nicht unter die Propagandafreiheit.
Und stellen Sie sich einmal spaßeshalber die Frage, welche Anforderungen für, sagen wir, einen Wirtschaftsminister unter diesen fiktiven Umständen bestehen würden: Hat er doch als verantwortliche Führungsperson auch noch Zugang zu allen staatlichen Daten und einen Apparat, um diese auszuwerten! Weiß er die Antwort nicht positiv oder passt ihm die Wahrheit nicht, bliebe nur die Unkenntnis als Ausweg. Das wären langweilige Interviews, wenn jede Frage unbeantwortet bleibt … Und der anschließende Faktencheck erst. Das Interview darf ja nur verbreitet werden, wenn der Qualitätsjournalist die Fakten geprüft hat. Da müssten dann wohl die meisten der wenigen Antworten auch noch rausgeschnitten werden. Goldene Zeiten für die Wahrheit würden anbrechen!
Das gleiche würde möglicherweise für wissenschaftlich unterlegte Behauptungen gelten. Vor allem, wenn sie auf komplexen Modellen beruhen, die oft schon wegen ihrer mathematisch unberechenbaren chaotischen Struktur stark unterschiedliche Ergebnisse bei nur geringfügig abweichenden Eingabedaten liefern. Ob der Wissenschaftler da das gleiche Selbstbewusstsein im Auftritt zeigt wie bisher?
Auf dem Weg nach Nordkorea
Meine Vermutung, dass die Strafbarkeit der Lüge nie kommen wird, da sie nicht im Interesse des Propagandaapparates liegt, wird auch vom Koalitionsvertrag unterstützt:
In Zeile 3329 der Koalitionsvereinbarung findet sich nur folgender Abschnitt: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können. Systematisch eingesetzte manipulative Verbreitungstechniken wie der massenhafte und koordinierte Einsatz von Bots und Fake-Accounts müssen verboten werden. Wir werden durchsetzen, dass Online-Plattformen ihren Pflichten hinsichtlich Transparenz und Mitwirkung gegenüber der Aufsicht nachkommen, sowie eine verschärfte Haftung für Inhalte prüfen.”
Hier findet sich also nichts dergleichen. Vielmehr soll ein politisch besetztes Gremium beauftragt werden, mittelbar über wirtschaftlichen Druck sicherzustellen, dass der Propaganda die Wahrheit nicht entgegengesetzt werden kann. Oder wie habe ich sonst das Wort „Informationsmanipulation” zu verstehen? Und natürlich darf es kein Klagerecht oder Recht zur Strafanzeige durch den angeblich doch betroffenen Souverän geben. Der angelogene Bürger selbst soll bitte nicht gegen eine Lüge vorgehen können.
Als Freund der Freiheit bin ich zuversichtlich, dass auch diese Unterdrückungsmechanismen ins Leere laufen werden. Da ist zunächst der wirtschaftliche Druck, der, zumindest aktuell, die Gefügigkeit der Portale stark reduziert. Seit Musk mit X eine Plattform zur Verfügung stellt, die gewillt und in der Lage ist, der Diktatur durch veröffentlichten Widerstand und Klagen die Stirn zu bieten, müssen alle anderen aufpassen. X kann meines Erachtens ohne großen Aufwand zu einer Art YouTube ausgebaut werden und einen privaten, nur für Freunde einsehbaren Account bietet X schon an. Das so gannte Frontend, sprich die Optik, an Facebook anzugleichen, kann da nicht das große Thema sein. Und mit Grok, der mit X verbundenen KI, entsteht gerade eine Suchmaschine, die Google gefährlich werden kann.
Und schließlich stehen die dezentralen Lösungen schon bereit. Ein Mastodonserver in Argentinien, der von Spenden und nicht von Werbung lebt, ist nur schwer anzugreifen. Da bleibt dann nur das letzte Mittel der chinagleichen Diktatur, das Abschotten des europäischen Internets. Die Möglichkeit hierfür soll übrigens laut Koalitionsvertrag vorbereitet werden, was dort unter „Innovation” läuft. Zeile 2153 lautet: „Die Menschen können sich auf einen digital souveränen und handlungsfähigen Staat verlassen.” Man beachte das Wort souverän!
Aber auch das wird nicht genügen. Der Internetzugang über Satellit wird zum Normalfall werden, wenn jedes mobile Telefon die Verbindung herstellen kann. Dann bleibt nur der Weg Richtung Nordkorea.
Bis dahin sind die Freunde der Freiheit ohnehin in Argentinien und beobachten von dort aus das Geschehen mit, wie der Argentinier sagen würde, ausreichend Popcorn auf dem Schoß.
¡VLLC!