Na Servus! – Das war der Juli 24

Diesen Text gibt es auch als Video mit Wolfgang Herles im Televisor des Sandwirts: Hier.

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Was für ein Monat! Vielleicht sogar einer für die Geschichtsbücher. Er bietet sozusagen ein demokratisches Königsdrama wie von Shakespeare, der heute natürlich für Netflix schreiben würde. 

Erster Akt: Der alte König ist alt, ein guter alter König. Dann verpatzt er die große Show im Fernsehen und mit einem Mal ist er nur noch alt, was schon daran zu erkennen ist, dass er es selbst nicht wahrhaben will. Sein Volk registriert und diskutiert nun jeden Versprecher, als käme es in der Politik darauf an. Es scheint, als ob zwei alte weiße Männer alles sind, was diese alte Demokratie, älter als die Französische Revolution, noch so aufzubieten hat. 

Zweiter Akt: Auf den kaum jüngeren Herausforderer des Königs wird geschossen. Das Projektil streift nur sein Ohr. Der Unterschied zwischen einem Attentat und einem Attentatsversuch. Nun ist es ein Heldenepos. Der verfehlte Held reckt die Faust. Seine Anhänger glauben, der Allmächtige selbst habe Donald Trump gesalbt. Unbesiegbar scheint er jetzt, was man schon daran erkennen kann, dass selbst die Internetmilliardäre aus dem Silicon Valley, die bisher gegen ihn waren, für seinen Wahlkampf spenden. Jetzt sieht der alte König noch älter aus.

Aber wozu jetzt noch der ganze Aufwand, an seiner Stelle eine oder einen Jüngeren in die aussichtslose Schlacht zu schicken? Soll Sleepy Joe doch ganz allein verlieren! Doch dazu hat er keine Lust.

Also setzt der dritte Akt wundersame Kräfte frei: Niemand wäre noch ein paar Stunden zuvor auf die Idee gekommen, Vizekönigin Kamala Harris könnte dem Job im Weißen Haus gewachsen sein. Hauptsache, sie ist selbst kein alter weißer Mann. Jetzt lässt sie Donald Trump alt aussehen. Wie durch ein Wunder scheint die Wahl wieder offen. 

Aber wie das Stück zu Ende geht, wissen wir nicht. Bei Shakespeare sind es ja immer fünf Akte. Der vierte Akt ist eine Schlammschlacht. Kübel von Schmutz. Komödie oder Tragödie? Das wird erst der letzte Akt zeigen. Haben wir ein Lehrstück in Sachen Demokratie gesehen? Oder eine zerrissene Nation am Rand des Bürgerkriegs?

Deutschland, du hast es nicht besser. Präsidenten werden in den USA vom Volk gewählt und bleiben höchstens acht Jahre lang. Kanzler werden nicht vom Volk gewählt und bleiben, wenn es blöd läuft, eine halbe Ewigkeit. Jeder hat eine Stimme, aber nicht jede Stimme zählt gleich viel. Das Wahlsystem entscheidet. Die Parteien entscheiden darüber, wer regiert und mit wem. Der kleine König Olaf hat nicht mehr viel zu melden, hat nichts mehr zu bieten. Aber das lächelt er weg, denn darauf kommt es ja gar nicht an. Irgendwie Kanzler bleiben, auch wenn es aussichtslos scheint!

In diesem schönen Monat Juli wurde auch in England gewählt. Und weil dort, anders als bei uns, Wahlkreise gewonnen werden müssen, um ins Parlament einzuziehen, genügen der Labour Party relativ geringe Gewinne, um die Zahl ihrer Sitze im Unterhaus mehr als zu verdoppeln. Nach 14 Jahren und einer Serie von fünf konservativen Premiers ist der geadelte Sozialdemokrat Sir Keir Starmer neuer Premier. Er hat seine Partei in die Mitte zurückgeführt. In der Mitte werden Wahlen gewonnen oder verloren.

Auch Frankreich hat einen demokratischen König, einen, der sich für besonders schlau hält. Emmanuel Macron hat es versäumt, sich um die Probleme Einwanderung und Sicherheit zu kümmern. Dann hat er aber geglaubt, mit Neuwahlen zum Parlament das nationalistische Rassemblement National der Marine Le Pen stoppen zu können. Das hat er geschafft. Aber in der zweiten, entscheidenden Runde tricksten die Franzosen sich selbst aus, machten die neue linke Volksfront zur stärksten Kraft.

Mit Jean-Luc Mélenchon wählte die bürgerliche Mitte ihren eigenen Metzger, einen kommunistischen Antisemiten, einen Antidemokraten, der mit Putin und der Hisbollah sympathisiert. Aber der deutsche Mainstream schwappt schier über vor Begeisterung über die linke Brandmauer im Nachbarland.

Wohin man auch schaut: Der größte Feind der alten Demokratien ist ihre eigene Dekadenz. 

Na Servus!

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