Parallelen zwischen Nationalsozialismus und DDR-Realsozialismus

Im Gegensatz zu vielen Beiträgen in diesem Medium wird dieser weitaus weniger wissenschaftlich und viel mehr persönlich gefärbt ausfallen. Es geht viel um „Bauchgefühl”, und das befiel mich im zarten Alter von zwölf Jahren, als ich während eines Familienurlaubs alleine auf dem Dachboden des Ferienhauses nächtigen durfte, im Staub auf einer Matte mit Petroleumlampe und Schlafsack. Aufregend!

Aufregend war auch die Ausstattung des Dachbodens: Jugendbücher, Romane und Ratgeber für die deutsche Hausfrau aus den 30ern und 40ern des inzwischen vergangenen Jahrhunderts. Der sein ganzes junges Leben lang orthodox-kommunistisch erzogenen Feriengast, nämlich ich, machte sich begierig über die Lektüre her, und es fielen ihm fast die Augen heraus. Es war – von einigen Vokabelabweichungen wie „Volk” oder „Reich” abgesehen und der Nuance, daß „Lebensraum” damals wohl wichtiger war als der in der DDR unablässig beteuerte „Frieden” – um ein sehr ähnliches Metier handelte. 

Die Parallelen drängten sich dermaßen auf, daß sie nicht ignoriert werden konnten im Sinne von „allgemeine Abenteuerliteratur für junge Leute, Zusammenhalt, Kameradschaft usw.”, wie sie sicherlich in jedem Land zu finden ist. Erstens die Feindschaft gegen alle „Bonzen, Plutokraten, Kapitalisten, Raffzähne, Blutsauger” usw. Gegen die hatte der HJ-Pimpf eine genauso herzliche Abneigung wie der DDR-Thälmannpionier. Ihr Tun, ihre bloße Existenz war die Ursache allen Unheils auf der Welt: Ausbeutung, Ungerechtigkeiten, Kriege. Wenn sie nicht ohnehin Konfliktpartei waren, hetzten sie die Völker in Stellvertreterkriegen aufeinander. 

Demgegenüber die romantische Verklärung Rußlands – gegen ein so aufrichtig edles und tiefgründiges Volk zu Felde gezogen zu sein schmerzte den Erzähler aus dem Weltkrieg vielleicht nicht direkt, aber die Ritterlichkeit, mit der man sich achtungsvoll begegnete, wurde nicht nur beiläufig erwähnt. 

Das Ganze wäre nicht ganz so bemerkenswert, hätte nicht die DDR mit jeder Zeitungsmeldung, jeder Nachrichtensendung, zu jeder Politschulung an Pionier- und FDJ-Veranstaltungen ihren derartig unbedingten Antagonismus zu der düsteren Vergangenheit herausgestellt, daß für jeden Heranwachsenden klagbar war: Das Land war 1933 von „Faschisten” heimgesucht worden, die nur mit Hilfe der Sowjetarmee 1945 vertrieben werden konnten – aus dem östlichen Landesteil allerdings nur. Im Westen saßen sie noch und planten mit Hilfe der Amerikaner den nächsten Angriff, von dessen unmittelbarer Durchführung sie nur unsere stetige Wachsamkeit abhalten konnte.

Von einem solchen Literaturfund abgesehen gab es im politischen und medialen Alltag weitere auffällige Parallelen. 

Die Israelis sind unser Unglück!

So galt neben dem „großen Feind” USA und seinem mächtigsten Verbündeten ausgerechnet das kleine Israel als Konflikt- und Kriegsgrund Nummer eins im Nahen Osten, unter all seinen friedlichen arabischen Nachbarn. Man ließ den Antisemitismus gerne unter dem Teppich fallen: Nie hätte man die Bewohner dieses Staates „Juden” genannt. Es waren Israelis, und als solche noch schlimmer als die Amerikaner, die konnten zumindest noch mit Friedensbewegten wie Angela Davis oder Dean Reed punkten. 

In einer frühpubertären Diskussion (ob es da um Ausgangszeiten oder Taschengeld ging, ist leider verblaßt) erfuhr ich selbst „wie Israel” zu sein: jedes Zugeständnis als neue Nullinie, um weitere zu erpressen – nun, das war einmal ein Argument!

Abseits der bloßen Propaganda war der Judenstaat der einzige, gegen den sich militärisches Handeln der sonst so „friedlichen” DDR nachweisen ließ: Im Yom-Kippur-Krieg stellte sie unter dem Namen „Geheimoperation Aleppo” den Syrern zwölf MIG-21 des Jagdfliegergeschwaders 8 der NVA aus Marxwalde inklusive zwölf Piloten und etwa dreißig Technikern zur Verfügung. Den NVA-Angehörigen wurde der Einsatz freigestellt und alle entschieden sich für eine Teilnahme. Der einzige Grund, warum es nicht zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen der mit Phantasieuniformen ausgestatteten DDR-Version der „Legion Condor” und Israel kam war, daß sie zu spät dran waren: Nach der Verlegung war der Krieg bereits zu Ende.  

Frei, sozial und national

Einer der ersten Faktoren, bei dem das DDR-Regime genau agierte wie seine Vorgänger, war die Auflösung der Länder zugunsten von der Zentrale verwalteter kleinerer Einheiten, die „Bezirke” statt „Gaue” genannt wurden. Er nahm den Bewohnern ihre regionalen Identitäten und erstickte die Möglichkeit einer wie auch immer gearteten Selbstverwaltung im Keim. Die so geschaffene Vereinheitlichung des Staatsvolks vorausgesetzt, läßt sich der Nationalismus der DDR in Phasen einteilen, die teils konträr gegeneinander standen. Anfangs, das Ziel war noch die Wiedervereinigung als „neutraler” deutscher Staat, gab es keine DDR- sondern weiterhin die deutsche Staatsbürgerschaft. Indem die Bundesrepublik als Vasall der Westalliierten dargestellt wurde, beanspruchte die DDR den aus ihrer Sicht positiven Teil des Deutschtums und vereinnahmte ihn. Das ging so weit, daß man als „Erben des Hitlerfaschismus” kurzerhand die Amerikaner und ihre Verbündeten abstempelte, die DDR also an diesem Teil der deutschen Geschichte unbeteiligt war.

Otto Grotewohl sagte dazu auf dem Kongreß der deutschen Jugend am 20.3.1955: „In Deutschland wird nicht amerikanisch, sondern deutsch gesprochen.” Walter Ulbricht stellte zudem klar, daß es falsch sei, die deutsche als eine “Geschichte der deutschen Misere” darzustellen.

Auch in den Bezeichnungen für Institutionen oder Organisationen der DDR kam anfangs ausschließlich der Begriff „deutsch” vor.  

So gab es die „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft”, die SED-Parteizeitung „Neues Deutschland”, „Nationale Front des Demokratischen Deutschland”, und ausgeschrieben war auch die SED die „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands”. In der Gewinnung an Personal für die sozialistische Aufbauarbeit war man sowieso nicht zimperlich und warb unverblümt um ehemalige NSDAP-Mitglieder, mit der original zitierten Formulierung: 

“Verstaatlichung der Banken. Brechung der Zinsknechtschaft, Zertrümmerung der Konzerne und Truste, Abschaffung des Bildungsprivilegs, Gleichberechtigung aller Schaffenden, Bodenreform, Schutz der friedlichen Entwicklung und des Friedens überhaupt, die SED hat es verwirklicht!

Wenn Du Hitler gefolgt bist, um Deutschland zu dienen, so bist Du unser Mann.”

Während der Propagadaapparat unermüdlich daran arbeitete, die DDR als „antifaschistisch” zu framen, fiel die Anwerbung der nach wie vor sozialistischen Funktionäre auf fruchtbaren Boden: Beim Fall der Berliner Mauer saßen noch 14 ehemalige Mitglieder der NSDAP im SED-Zentralkomitee.

Nach dem Mauerbau vollzog die SED eine entschiedene 180°-Wende in dieser Politik, der Traum von einer Wiedervereinigung war aufgegeben und die deutsche Nation damit hinfällig. Statt dessen stand nun an, die „DDR-Nationalität” zu propagieren und den Begriff „deutsch” nur noch in geschichtlichen Zusammenhängen zu verwenden. Westdeutsche waren nun genauso Ausländer wie Franzosen oder Italiener. Das Land verwandelte sich in eine Drei-Buchstaben-Abkürzung, seine Parteien, Massenorganisationen und Presseerzeugnisse in mit Bindestrich davon abgetrennte Begriffe. Ab und zu, in offiziellen Ansprachen, tauchte noch der ausgesprochene Name auf, Ältere kennen noch Honeckers geflügeltes Wort von der “Deudschedemokradscheblik”. 

Die Idee der DDR-Nationalität ging nicht auf: Die sowieso schon ihrer regionalen Identität beraubten Ostdeutschen identifizierten sich nie mit dem abgespaltenen Teilstaat ohne richtigen Namen. Da half es auch nichts, die anderen „Bruderländer” zunehmend als Abkürzung zu nennen, etwa „VRP” für „Volksrepublik Polen” oder „SRR” für „Sozialistische Republik Rumänien”. Im Urlaub erfuhren die DDR-Bürger, daß die anderen durchaus z.B. stolze Polen waren.

Aus der Erkenntnis, daß es ganz ohne Deutschtum nicht ging, vollführte die SED Anfang der Achtziger einen weiteren Schwenk und begann, historische, bis dato als reaktionär verfemte Personen wie Friedrich . von Preußen, Scharnhorst, Bismarck als „für ihre historische Periode” positiv besetzte Figuren darzustellen. Als sichtbares Zeichen wurde z.B. das monumentale Reiterstandbild Friedrichs des Großen wieder an seinen Platz Unter den Linden nach Ost-Berlin verlegt. 

Das beeindruckendste Filmzeugnis aus jener Periode ist die DEFA-Serie „Sachsens Glanz und Preußens Gloria”, welche die brandenburgisch-sächsischen Beziehungen 1697–1763 zeigt und dabei auf sämtliche sozialistischen oder sonstwie auf Klassenkampf abzielenden Aspekte verzichtet.

Aus dem Volk, mit dem Volk, für das Volk

Einmal im Leben durfte jeder männliche DDR-Bürger – rechtswidrigerweise auch die aus Ost-Berlin – die DDR von der Seite erleben, an der die DDR die alten Traditionen besonders pflegte: beim „Ehrendienst” in der Nationalen Volksarmee, kurz NVA. Das Erlebnis, wenn man das so nennen darf, war eines der Gegensätze: Natürlich gab es einmal pro Woche Politunterricht, in dem man das als Zivilist Gelernte endlos repetiert bekam: Die DDR verteidigte tapfer den Frieden in Europa, ohne den gab es Atomkrieg, d.h., ohne die „Staatsbürger in Uniform” war dieser zwangsläufig

Und dieser Term war Fake. Er wurde nicht nur im Osten nicht verwendet, sondern ein beträchtlicher Teil der Ausbildung wurde darauf verwandt, dem Rekruten klar zu machen, daß er sich da so viele Stufen darunter befand wie vorher noch nie und nie wieder später (eine Gefängnisstrafe nicht eingerechnet). Der per Zwangsdienst eingezogene DDR-Bürger sollte sich bloß nicht einbilden, irgendwelche Rechte innezuhaben. Die begannen erst ab der Offiziers- oder Berufsunteroffizierslaufbahn, darunter begnügte man sich mit großzügigem Wegschauen, wenn die Mannschaften sich gegenseitig schikanierten.

Die Inhalte der militärischen Ausbildung waren im auffälligen Gegensatz zur Politausbildung ausschließlich offensiver Natur. Weil sich mein Standort in unmittelbarer Nähe West-Berlins befand, gingen sämtliche Übungs-Angriffsbefehle „in Richtung Funkturm!” Auf großen Truppenübungen wurde die umkämpfte bzw. zu überschreitende Linie generell mit schwarz-rot-golden gestrichenen Pfählen angezeigt, so wie an der innerdeutschen Grenze. Und dann war da noch „Schulzenslust”, die Häuserkampfanlage in Lehnin. Hier übte der NVA-Soldat die Einnahme von West-Berlin: Die Anlagen hatten den Charakter der Großstadt Berlin, es gab eine U-Bahn-Station, einen Bahnhof und sogar einen Flughafen. 

Mit der vormilitärischen Ausbildung ging es bereits im zarten Jugendalter los. Was dem Dritten Reich seine HJ-Sondereinheiten, war der DDR ihre paramilitärische Massenorganisation „Gesellschaft für Sport und Technik (GST)”. Der Beitritt war zwar keine Pflicht, doch ohne Mitgliedschaft kein Segelfliegen oder Motorfliegen, kein Schieß-, oder Tauchsport, kein Amateurfunk, kein Segeln oder Fallschirmspringen. All diese für Heranwachsende sehr attraktiven Aktivitäten waren Monopol der GST – der Joker waren jedoch günstigst zu erwerbende Führerscheine für Zweirad, Pkw und Lkw.

Wer dem Lockruf widerstand, auf den wartete dennoch die Wehrerziehung in Form eines Pflichtfaches in den letzten Schuljahren plus die Absolvierung von GST-„Wehrlagern”. Nicht-Mitglieder konnten dort unter anderem schon einmal testen, wie es war, Unterster in einer Hierarchie zu sein, in der die militärische Ausbildung wesentlich war für den Status eines Mitglieds der Gesellschaft. 

Weitere Lektüre

Das Thema dieses Artikels ist natürlich Gegenstand umfangreicher Kontroversen, Sie werden kaum einen DDR-Anhänger davon überzeugen, lediglich weiterer Sachverwalter in Sachen „die deutsche Volksgemeinschaft” gewesen zu sein. 

Empfehlen möchte ich besonders den Artikel von Joachim Fest „War Adolf Hitler ein Linker?” aus der sogenannten Feindes-TAZ.

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