Pavel Durov verhaftet!

Diesen Text gibt es auch als Episode im Wurlitzer, dem Podcast des Sandwirts: Hier.

Die freie Rede ist in Europa mit einem scheuen Reh zu vergleichen. Von weitem sieht man es, wie es sich reckt und streckt, wie es springt, manchmal liegt es auch. Kommt man näher, so verschwindet es. Wie die Wahrheit laut der Band Großstadtgeflüster eine Matroschka ist – „Sie ist eine Fata Morgana, kommst du ihr nah, ist sie plötzlich nicht mehr da“ –, verschwindet die freie Rede zugunsten der Hegemonie einer kleinen Elite, die andere Sichtweisen verbieten wollen, unter dem Vorwand des Kampfes gegen „Desinformation“, „Hass und Hetze“ und anderer Luftwörter.

Und so braucht es auch niemanden zu wundern, dass der Milliardär und libertäre Unternehmer Pavel Durov verhaftet wurde. Der Gründer von VKontakte und Telegram, dem beliebten Instant-Messenger, wurde am 24. August am Pariser Flughafen Le Bourget von der Polizei festgenommen und abgeführt. Der 39-Jährige kam aus Aserbaidschan und wurde wie üblich von seinem Leibwächter und seinem Assistenten begleitet. Die Vorwürfe der Behörden lauten, wie „Le Monde“ zu berichten scheint, wie folgt: Drogenhandel, Cybermobbing, organisierte Kriminalität und die Verherrlichung von Terrorismus. Die Justiz wirft Pavel Durov fehlende Moderation und Zusammenarbeit mit den Ermittlern vor, um gegen die kriminelle Nutzung seines Messengers vorzugehen. Durov bestreitet das.

Auf einen prominenten Unterstützer kann sich der Unternehmer, der sowohl die französische als auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt, verlassen: Elon Musk. In einer Vielzahl von Beiträgen auf seiner Plattform X äußerte sich Musk nach Durovs Verhaftung kritisch zum Vorgehen der französischen Justiz. Er teilte zudem ein Video, in dem Durov Musk und seine Haltung zur Meinungsfreiheit während eines Interviews lobte. „Moderation ist ein Propagandawort für Zensur“, erklärte Musk laut „Business Insider“.

„Ein Angriff auf die grundlegenden Menschenrechte“

Genau darum geht es: Der Geist von X, das früher Twitter hieß, ist, ebenso wie der Geist von Telegram, zutiefst freiheitlich und humanistisch. Musk und Durov gehen davon aus, dass der Mensch in der Lage ist, Informationen selbst einzuschätzen und zu überprüfen. Dieses positive Menschenbild widerstrebt den Linken zutiefst. Um den „neuen Menschen“ zu erschaffen, muss der alte Mensch weg. Und elaborierte, also ideologisierte und dogmatisierte Menschen müssen dem neuen Menschen erst einmal zeigen, wo der Hammer hängt, was richtig ist und was falsch, was gut ist und was böse. Diese postklerikale Haltung ist das Gegenteil eines positiven Menschenbildes. Sie macht die Person unmündig, weil eine kleine Elite weiß, was für die Bevölkerung gut ist und was nicht.

Daher muss „moderiert“ werden: Moderieren heißt zensieren. Denn eine einzelne Person, der Moderator, teilt die Beiträge in wertig und unwertig ein. Doch welche Konsequenzen diese Moderationen haben, bleibt schleierhaft. Müssen die Moderatoren Juristen sein, oder Politiker? Oder beides? Vielleicht Soziologen oder gar Psychologen? Die Entscheidung, welche Beiträge „moderiert“, also zensiert, und welche stehen gelassen werden, bleibt eine zutiefst subjektive, also willkürliche Entscheidung. Eine der ersten Eigenschaften einer Diktatur ist neben Repression und Elitarismus eben genau das: Willkür. Beginnt die Willkür, hört die freie Rede auf zu existieren.

Noch deutlicher wird ein Mann, der am eigenen Leib erfahren hat und genau weiß, was es heißt, der freien Rede beraubt zu werden: Edward Snowden. Der ehemalige CIA-Whistleblower hat die Festnahme von Telegram-Gründer Durov in Frankreich scharf verurteilt. Sie sei „ein Angriff auf die grundlegenden Menschenrechte, auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit“, schrieb der in Russland lebende Snowden am Sonntagnachmittag auf X.

„Scheitert das System am Menschen? Oder der Mensch am System?“

Snowden weiter: „Ich bin überrascht und zutiefst betrübt, dass Macron sich auf das Niveau einer Geiselnahme herabgelassen hat, um sich Zugang zu privater Kommunikation zu verschaffen. Das ist nicht nur eine Schande für Frankreich, sondern für die ganze Welt.“ 

Auch Macron äußerte sich auf Elon Musks Plattform X: „In einem Rechtsstaat werden die Freiheiten in sozialen Netzwerken wie auch im realen Leben innerhalb eines gesetzlich festgelegten Rahmens ausgeübt, um die Bürger zu schützen und ihre Grundrechte zu achten“, so Frankreichs Präsident.

Es bedarf schon einer gewissen moralischen Flexibilität, man könnte auch Chuzpe sagen, um zu verstehen, dass alle möglichen Politiker Elon Musk kritisieren, weil er auf seiner Plattform freie Rede zulässt und weniger „moderiert“, also zensiert, während alle möglichen Politiker X als Primärquelle für ihre Statements zu aktuellen Themen nutzen. Musk dürfte es freuen, doch besonders glaubwürdig verhalten sich diese moralinsauren Politiker nicht. Immerhin suchte der eine oder andere dieser staatlich finanzierten Tugendwächter die Plattform. Zwar nicht besonders schlau, aber immerhin konsequent.

Freie Rede in Deutschland ist eine Mischung aus einer Matroschka und einem scheuen Reh. In dem zu Beginn erwähnten Lied der formidablen Band Großstadtgeflüster heißt es in der ersten Strophe: „Scheitert das System am Menschen? Oder der Mensch am System? Überwindet unsre Schlauheit alle Grenzen? Oder sind wir schlicht zu blöd zum Leben?“ 

Darum geht es. Wollen wir uns bereitwillig einem System unterwerfen, das die freie Rede immer weiter in ein Tugendwächtersystem voll von Unterwerfung, Knechtschaft, Obrigkeitshörigkeit und Appeasement verwandelt?

Konstruktiver Widerstand gegen die illiberalen Kräfte 

Oder ziehen wir das unbequemere, weil freiheitliche Denken vor? In einer Welt, in der selbst der Holzweg ein legitimer Weg ist. In einer Welt, in der wir keine Menschen „führen“, sondern sie lassen, wie sie sind. In einer Welt des Humanismus, der Freiwilligkeit und der freien Rede. Denn eines ist sicher: Die Würde des Menschen, die den Geist des Grundgesetzes definiert, ist weder eine Würde noch menschlich, wenn es keine freie Rede mehr gibt! 

Pavel Durov steht hierfür gerade. Französische Behörden, jenseits der Bekundungen von Macron, dies sei keine politische Festnahme, wollen diese abschaffen. Doch nicht nur in Paris, auch in Berlin sitzen die Gegner der freien Rede. Ob Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder weitere Bestrebungen, Richtlinien wie den Digital Service Act in nationales Gesetz zu gießen, bedrohen das Individuum auf eine Weise, die dieses Land, jenseits der DDR, seit 1945 nicht mehr kennt.

Ich gestehe: Mir macht das Angst. Manchmal ist Angst doch ein guter Ratgeber, denn sie schärft den Blick auf das Wesentliche. Und das lautet: Konstruktiver Widerstand gegen die illiberalen Kräfte!

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Der nächste Gang …

Delegitimation

Oliver Gorus Blog

Die Zwölf Stuttgarter Artikel

1 Kommentar. Leave new

  • Wie immer gedankenloses Geschreibe eines Staubsaugervertreters. X und telegram als zutiefst humanistisch zu bezeichnen, sich auf Musk als Retter der Meinungsfreiheit zu beziehen. Bei diesem Text muss man nicht links o rechts stehen, um zu erkennen, dass das nur ein fettes Nichts ist, ähnlich wie das Erscheinungsbild des “Autors”.
    Grüße aus Chemnitz

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