Es gibt immer wieder Gründe, sich kritisch über Schule, Lehrer oder Schüler zu äußern. Unlängst habe ich das anhand von persönlich Erlebtem selbst gemacht. Mit einigem Abstand habe ich dann jedoch überlegt, wie Schule eigentlich besser funktionieren könnte. Nach einigem Hin und Her musste ich mir dann eingestehen: Ich weiß es nicht! Allerdings, und das möchte ich ausdrücklich geltend machen, das ist auch nicht meine Aufgabe.
Heißt das, ich muss jetzt in die Ecke derjenigen gehen, die stets an allem herummeckern? Damit fühle ich mich nicht so richtig wohl. Was also kann ich tun?
Fange ich mal mit dem Praktischen an. Ich habe eine Fabel geschrieben, „Der Eisbär und der Pinguin“. Sie handelt von der Klimaerwärmung, von Tieren, die darunter leiden, die sich dann aufmachen, die Kälte zu suchen, am Äquator aufeinandertreffen, gemeinsam weiterziehen und mit „militanten“ Methoden versuchen, das Problem zu lösen – ähnlich den Klimaklebern heute –, daran scheitern und schließlich auf einen Trick verfallen, mit dem sie tatsächlich die Menschen mit all ihren Kompetenzen und Ressourcen hinter sich bringen und zu guten Schluss gemeinsam das Klima retten. Eine Fabel eben. Gedacht war sie, Managern ein paar Prinzipien zu vermitteln, wie man motiviert, Menschen auf Ziele fokussiert und auf schlaue Weise führt.
Allerdings ist das – und das war eine für mich durchaus bittere Erkenntnis – für Manager in einer Fabel nicht so leicht zu durchschauen. Aber für Kinder! Und so kam es denn, dass ich einige Jahre lang in schöner Regelmäßigkeit vor Schulklassen Lesungen gemacht habe. So viel zum Praktischen, denn das war ja schließlich auch so eine Art Bildungsauftrag, oder so.
Was kann ich noch tun? Ich könnte Impulse setzen, denn das ist schließlich mein Beruf. Einfach mal ein paar Fragen aufwerfen, die das Thema Schule in ein anderes Licht rücken. Damit löse ich zwar kein Problem, aber vielleicht regt es jemanden von den Mächtigen und/oder Berufenen zum Nachdenken an. Oder zum Widerspruch; auch das wäre mir recht, wenn er Folge eines Nachdenkens ist.
Also denn: Hier ein paar Impulse.
Impuls 1: Wer ist eigentlich der Kunde der Schule?
Wenn wir uns Schule als Unternehmen vorstellen, stellt sich die Frage nach dem Kunden an erster Stelle. Oft wird dabei „Schüler“ oder „Eltern“ geantwortet. Mancher weicht auch aus und sagt, Schule ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber was wäre denn, wenn ich mal „Wirtschaft“ als Antwort in den Ring werfe?
Die Schule liefert der Wirtschaft (ersatzweise kann man hierfür auch Universitäten oder Behörden einsetzen) das Produkt Schüler. Das würde bedeuten, dass die Wirtschaft, also der Kunde, definiert, wie Schüler, also die Produkte, sein müssen. Welche Kompetenzen müssen sie besitzen, welche Einstellungen und Verhaltensweisen, welche Widerstandsfähigkeit und so weiter?
Also müsste Wirtschaft maßgeblichen Einfluss nehmen auf die Definition der Bildungsziele und auf die Kriterien, die deren Erfüllung beschreiben. Ich bin mir sicher, dass dabei etwas anderes herauskäme als das, was sich gegenwärtig in Lehrplänen findet.
Impuls 2: Was kostet ein Schüler?
Jedes Produkt hat seinen Preis, der von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Der Kunde, in unserem Falle die Wirtschaft, muss den Preis für das Produkt Schüler an den Hersteller, die Schule, bezahlen. Es käme zu einer direkten Leistung/Geld-Beziehung zwischen Wirtschaft und Schule, die dann nicht mehr (oder nur noch anteilig im Sinne einer Grundlast) vom Staat bezahlt würde.
Gute Produkte, also nach den Kriterien des Kunden Wirtschaft gut ausgebildete Schüler, würden höhere Preise erzielen. Sind die Schüler knapp, muss der einzelne Betrieb tiefer in die Tasche greifen. Brauchen die Unternehmen keinen Nachwuchs (was ziemlich sicher nicht passieren wird), bleiben die Schulen auf ihren Schülern sitzen, zumindest auf den schlechten. Stellt sich heraus, dass ein Schüler nicht die versprochenen Anforderungen erfüllt, kann er zurückgegeben werden.
Impuls 3: Welche Lehrer braucht das Land?
Sollte es tatsächlich passieren, dass Impuls 1 und 2 auf fruchtbaren Boden fallen und umgesetzt werden, oder zumindest anteilig, dann hätte das Konsequenzen für die Lehrer und für die Schulleitungen. Diese müssten dann nämlich nicht nur Lehrpläne erfüllen, sondern unternehmerisch wirtschaften.
Lehrer müssten sich detailliert mit den Anforderungen der Kunden beschäftigen, was sie im Übrigen auch besser qualifizieren würde, wirtschaftskompatible Schüler auszubilden. Lehrer beziehungsweise Schulleitungen müssten intensive Beziehungen zu Wirtschaftsunternehmen aufbauen, Markt- und Bedarfsanalysen machen, die Schüler und deren Qualität präsentieren und „verkaufen“.
Möglicherweise könnten Kunden verlangen, dass die Schüler nach dem Übergang ins Berufsleben noch einige Jahre betreut werden (klassischerweise wird so etwas als Serviceleistung bezeichnet). Schulen könnten sich das vielleicht sogar extra bezahlen lassen.
All dies sind Anforderungen an die Lehrerschaft und an das Schulmanagement, die heute überhaupt nicht im Portfolio sind. Zusätzlich zu Empathie und Sachkunde müssten Lehrer einen ausgeprägten Leistungswillen und hohe Kundenorientierung entwickeln. Ergo steht Schule vor dem Problem, solche „Lehrer“ zu finden oder heranzubilden.
In einem solchen System ließen sich vermutlich auch klare Leistungs- und Gratifikationskriterien etablieren. Damit hätten Lehrer die Möglichkeit, überdurchschnittlich viel zu verdienen, und damit würde der Beruf auch für Menschen interessant, die es heute eher in die Hochleistungsbereiche zieht – Lehrermangel wäre vorbei. Der Schule könnte das guttun.
Nachsatz:
Manch einem mögen diese Impulse zu ruppig sein. Okay. Allerdings gebe ich zu Bedenken, dass, wenn wir nicht radikal etwas ändern in unserem Bildungssystem, wir international immer weiter nach hinten durchgereicht werden. Unsere Absolventen werden eines Tages auf einem globalisierten Arbeitsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sein und sich mit den miesen Jobs begnügen müssen. Unsere Wirtschaft wird nicht die Leute bekommen, die sie braucht, um ihrerseits wettbewerbsfähig zu sein beziehungsweise wieder zu werden.
Jedes System, so auch ein Bildungssystem, kommt nach einer Phase des Hochlaufs und einer Blütezeit in den Abschwung. Das ist völlig natürlich und niemandem vorzuwerfen. Der Abschwung lässt sich nur aufhalten, indem man die Bedingungen und Regeln ändert, die Karten neu mischt.
Einfach nur Geld in ein „sterbendes“ System zu pumpen, kann es nicht reformieren, sondern verlängert nur das Leiden. Ich weiß nicht, ob meine drei Impulse wirklich zielführend sind, aber sie könnten mal ein bisschen aufrütteln.
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Lieber Herr Fourier!
Ihre drei Impulse haben mir sehr gefallen. Das wäre tatsächlich etwas fundamental Neues für den Lehrerberuf, wenn der Erfolg des Schülers in der Wirtschaft die Gratifikation des Lehrers beeinflusst.
Ja, das würde das Schulsystem revolutionieren, wenn der Schüler den Anforderungen nicht gerecht wird, dann würde man diesen Schüler an die Schule zurückgeben können. Dieser müsste dann nachgeschult werden. Das würde ein sich verbesserndes System bewirken.
`Habe Sie auf der Seite des „Sandwirts“ entdeckt mit, dem Essay bei achgut.com , wie man eine globale Temperatur misst.
Herzliche Grüße