Im Wahlkampfgetöse fast untergangen ist, dass der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Kernenergieausstieg der Ampelregierung (zum Ausstieg siehe meinen Beitrag hier im Sandwirt vom 17.04.2023), der von Juli 2024 bis Februar 2025 tagte, am 19. Februar 2025 seinen Abschlussbericht vorgelegt hat.
Solch ein Untersuchungsausschuss ist eines der schärfsten Instrumente des Parlaments, um Fehlverhalten der Regierung aufzudecken. Umso bestürzender, dass der Vorsitzende dieses Untersuchungsausschusses, Stefan Heck von der CDU, den zuständigen Minister Habeck in den Befragungen mehr oder weniger in Watte gepackt hat.
Vermutlich tat er das, um die Grünen als seinerzeit noch möglichen Koalitionspartner nicht zu sehr zu verprellen – ein Verhalten von CDU/CSU, mit dem wir uns in diesem Artikel noch weiter beschäftigen werden.
Deindustrialisierungsgesetz
Aufgedeckt wurde immerhin, dass das von Bundeskanzler Olaf Scholz im Herbst 2022 verfügte „Machtwort“, demzufolge die letzten drei Kernkraftwerke bis zum 15.4.2023 weiterlaufen sollten, ein zwischen Scholz und Habeck abgekartetes Stück war (mehr dazu von mir können Sie hier bei Kissler kompakt vom 17.01.2025, ab 1h:26m hören).
Doch dieses Possenspiel hatte auch einen hohen Preis: Für das Stillhalten der Grünen erzwangen diese vom Bundeskanzler, dass das umstrittene Energieeffizienzgesetz von Rot-Grün-Gelb durch den Bundestag gewunken werden sollte. Es wurde tatsächlich am 19. April 2023 durch das Bundeskabinett verabschiedet, Ende September 2023 vom Bundestag beschlossen und trat am 1. Januar 2024 in Kraft.
CDU/CSU stimmten zwar ihrerseits gegen das Gesetz – aber unter den neuen Mehrheitsverhältnissen nach der Bundestagswahl ist nicht zu erwarten, dass über seine eigentlich zwingend notwendige Aufhebung in der nächsten Legislaturperiode ernsthaft diskutiert werden wird. Schauen wir uns dieses Gesetz also zunächst einmal genauer an, das die Energiepolitik der neuen Regierung unter Führung der CDU maßgeblich bestimmen wird.
Es kann ohne Übertreibung als das deutsche Deindustrialisierungsgesetz bezeichnet werden. Es verfügt, dass der Energieverbrauch in Deutschland bis 2045 um 45 Prozent auf 1.400 Terrawattstunden nahezu halbiert werden soll. Schon bis 2030 sollen 26,5 Prozent weniger Endenergie, also nur noch 1876 Terawattstunden in Deutschland verbraucht werden.
Es ist ein wahres Monstergesetz planwirtschaftlicher Prägung und wird Deutschland, wie wir es kennen, zerstören. Auf 90 Seiten wird minutiös festgelegt, wie viel Prozent in jedem Bundesland Jahr für Jahr an Energie einzusparen ist und welche Einsparziele die Industrie und Haushalte zu erfüllen haben. Als ob in einem Land der Energiehöchstpreise nicht bislang jeder in Industrie und Haushalten versucht hat, Energie einzusparen.
Schrumpfkurs fürs Land
Nun muss man dazu wissen, dass der Endenergieverbrauch in Deutschland in den letzten 20 Jahren bei etwa 2500 Terawattstunden nahezu konstant geblieben ist (siehe folgende Grafik, Quelle: Umweltbundesamt), obwohl das Bruttoinlandsprodukt von 2003 auf 2023 um 87 Prozent angewachsen ist.
Erst in den letzten drei Jahren ging der Endenergieverbrauch in Deutschland durch die von der Ampelregierung ausgelöste Deindustrialisierung durch Verknappen von Strom- und Gasangeboten auf 2267,5 Terawattstunden im Jahr 2023 zurück.
Dass der Endenergieverbrauch tatsächlich, wie im Gesetz vorgesehen, halbiert wird und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) weiter wachsen kann, ist völlig ausgeschlossen. Das BIP wird schrumpfen, wie ich weiter unten zeigen werde. Der Bundeskanzler, die SPD und die FDP sind von den Grünen durch das Energieeffizienzgesetz auf einen Schrumpfkurs für unser Land geführt worden, und CDU/CSU werden den nun wohl eher mitgehen als korrigieren.
Steigender statt sinkender Energieverbrauch
Aber es ist noch viel schlimmer: Wir wissen alle, dass der Energieverbrauch in den nächsten Jahren durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, Aufbau von Rechenzentren und zunehmende Digitalisierung steigen wird. Daher wird in den USA alles mobilisiert, um den steigenden Energieverbrauch mit sicherer und preiswerter Energie zu befriedigen, seien es Kernkraftwerke oder fossile Kraftwerke.
Der Ampelregierung ist mit ihrem Energieffizienzgesetz nur eingefallen, wie man es den Betreibern von Rechenzentren in Deutschland schwerer machen kann: So sollen ab 1. Januar 2024 50 Prozent des Stromverbrauchs der Rechenzentren aus erneuerbaren Energien und ab 2027 (!) 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen.
Was machen die Betreiber von Rechenzentren bei Dunkelflaute in Deutschland? Sie werden einen Bogen um Deutschland machen. Der Gesetzgeber kümmert sich nicht darum, Rechenzentren mit möglichst preiswerter Energie zu versorgen, sondern regelt, dass Rechenzentren mit hohem Kostenaufwand die Abwärme nutzen sollen. Auf diese Weise wird der Boom, der durch Künstliche Intelligenz erzeugt werden wird, an Deutschland vorbeigehen.
Deutschland spart sich zum wirtschaftspolitischen Zwerg – das wollten Rot und Grün – und die FDP hat hier kräftig mitgeholfen. Und die Welt wird weiter ihren Wohlstand mit neuer Technologien wachsen lassen und dies mit wachsendem Energieverbrauch bewerkstelligen, wie die Grafik von McKinsey zeigt:
Planwirtschaftliches Einspargesetz
Die Ampelregierung hat mit dem Energieeffizienzgesetz einmal mehr auf das falsche Pferd gesetzt. Das Gesetz hat nämlich gar nichts mit Energieeffizienz zu tun, sondern ist ein brutales, planwirtschaftliches Einspargesetz – ein Weniger-Energieverbrauch-Gesetz und ein Weniger-Wohlstand-Gesetz.
Denn ein Blick zurück zeigt: In allen Ländern der Erde gibt es eine parallele Entwicklung zwischen Wohlstand, Energie- und Stromverbrauch, wie die nächste Grafik zeigt. Auf diesen Zusammenhang bezieht sich die lesenswerte Broschüre „Bettering human lives“ des neuen US-Energieministers Chris Wright.
Wie sehr Deutschland durch die Ampelregierung auf den rot-grünen Holzweg geraten ist, zeigt eine weitere Grafik von McKinsey, die die
Produktionsbedingungen für Solarenergie und Windenergie weltweit vergleicht. Rechts sind gute Solareinstrahlung und oben gute Windverhältnisse.
Die schlechtesten Bedingungen findet man im unteren linken/roten Quadranten. Und dort finden wir Deutschland, das Land, das zu 100 Prozent seiner Energieversorgung durch erneuerbare Energien erzeugen will.
Jetzt versteht man, dass 100 Prozent erneuerbare Energien in Deutschland nur zusammengehen können mit solch einem „Energieverarmungsgesetz“ wie dem Energieeffizienzgesetz. Beides gehört ersatzlos gestrichen, wenn es Deutschland wieder besser gehen soll.
Blockade der Grünen droht weiter
Warum besteht denn nun keine Aussicht, dass eine neue CDU-geführte Bundesregierung den rot-grünen Holzweg verlassen wird? Zum einen wird sich die SPD als – angesichts der Brandmauer – einziger in Frage kommender Koalitionspartner dagegen stemmen, von ihr mit beschlossene Gesetze rückgängig zu machen.
Zudem sind CDU/CSU und SPD dann ja nicht nur in der neuen Bundesregierung in einer Koalition, sondern weiterhin auch in Berlin, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Und in Schleswig Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ist die CDU mit den Grünen in einer Regierungskoalition.
Diese wiederum sind auch in den Landesregierungen von Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Rheinland Pfalz. Sie können damit im Bundesrat die Stimmabgabe aller diese Länder zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern (SPD-Linke) mit 35 von 69 Stimmen blockieren.
Das macht übrigens auch die Regierungsbildung in Hamburg (3 Stimmen im Bundesrat) nach der jüngsten Bürgerschaftswahl so bedeutend. Nur mit einer SPD-CDU-Koalition in Hamburg könnte die Blockade der Grünen (mit dann nur noch Einfluss auf 32 Stimmen einschl. Mecklenburg-Vorpommern) gebrochen werden.
Die Tür zu Grün soll offen bleiben
Angesichts dieser Konstellationen ist das Verhalten der CDU in der Energie- und Klimapolitik nicht eindeutig. In ihrem Wahlprogramm stand zwar der markige Satz: „Deutschland erlebt eine tiefgreifende De-Industrialisierung. Wir müssen endlich verstehen: Klimaschutz braucht eine starke Wirtschaft.“ Doch im selben Programm ist auch zu lesen, dass an dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nicht gerüttelt werden soll.
Dabei könnte man nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom März 2021 (siehe dazu mein Buch „Unanfechtbar?“) auch auf 2050 gehen – das ist zwar ein genauso unsinniges Datum wie 2045, würde aber immerhin fünf Jahre Zeitgewinn verschaffen. Doch Friedrich Merz will diesen Weg nicht gehen.
Es steht zwar zu vermuten, dass er persönlich bei diesem Thema eher kritisch ist und weiß, wie das alles auf die Wirtschaft wirkt. Aber er weiß auch, wie die anderen in der Partei (wie etwa der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Energie seiner Fraktion, Andreas Jung, der schon als zukünftiger Minister gehandelt wird) denken, und er muss sich immer die Tür zu Grün offen halten.
Heiße Lust zum Thema Windkraft
Entsprechend ambivalent war denn auch das Verhalten der CDU/CSU zu Beginn dieses Jahres zum Thema Windenergie. Am 15. Januar 2025 fand im Deutschen Bundestag eine Anhörung zum Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion für mehr Steuerung und Akzeptanz beim Windenergieausbau statt.
In diesem Entwurf hieß es: „Der Windenergieausbau gelingt nur mit ambitionierten Zielen und Schaffung von Akzeptanz vor Ort. Hierzu ist ein abgestimmtes Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen unerlässlich. Für das Gelingen der Energiewende und eines beschleunigten Ausbaus von erneuerbaren Energien ist dabei von entscheidender Bedeutung, dass die Flächenplanungen vor Ort durch klar ausgewiesene Windenergiegebiete gesteuert werden können. Nur so entsteht eine breite Akzeptanz vor Ort. Dafür braucht es eine bundesrechtliche Lösung. Ohne eine solche Regelung droht das Risiko, dass der Ausbau der Windenergie ins Stocken gerät und an Dynamik verliert.“
Und das von einer Partei, deren Kanzlerkandidat noch im November 2024 in der ZDF-Talkshow bei Maybrit Illner klargestellt hatte: „Wenn wir alles richtig machen, können wir die Windräder irgendwann wieder abbauen – sie sind hässlich und passen nicht in die Landschaft.“
„Lex Sauerland“?
Für Merz ist Windkraft in Talkshows nur eine „Übergangstechnologie“, doch in Wahrheit steckt hinter dem vollmundigen Bekenntnis zum Ausbau der Windenergie der CDU-Initiative im Bundestag eine „Lex Sauerland“ für ihn.
Denn Hintergrund für seinen Vorstoß ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster. Dieses hatte Ende September die Regionalplanung für die Windkraft in Nordrhein-Westfalen aufgehoben. In der Folge ist es dort nicht mehr möglich, den Windkraftausbau zu beschränken. In NRW befürchtet man deshalb einen Wildwuchs von Windrädern.
Das Interessanteste aber ist, dass das grüne Wirtschaftsministerium von Robert Habeck bereits zugesagt hatte, die Initiative von Friedrich Merz zu unterstützen. Potenzielle Koalitionspartner haben sich so schon mal in Zusammenarbeit geübt. Friedrich Merz revanchierte sich auch gleich brav beim Grünen Kollegen und gab im Januar 2025 zu Protokoll, er glaube nicht mehr an die Rückkehr der Atomkraft.
Weitgehend unbemerkt
Die folgenreichste Unterstützung eines rot-grünen Gesetzentwurfs durch die CDU hat es aber im Deutschen Bundestag am 31. Januar 2025 gegeben. Ausgerechnet an dem Tag, an dem sich CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD eine erbitterte Debatte über den von der CDU eingebrachten Entwurf zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ und dessen potenzielle Verabschiedung mit Hilfe der AfD lieferten.
An diesem Tag – und deswegen ist das auch in der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt geblieben – hat die CDU/CSU unmittelbar vor der Befassung mit dem hochexplosiven Thema zusammen mit SPD und Grünen noch ein Gesetz mit dem harmlosen Namen „TEHG-Europarechtsanpassungsgesetz 2024“ verabschiedet. Dieses Gesetz ist der Hammer, nur haben es die wenigsten bemerkt. Ein Effekt, über den die beteiligten Parteien bestimmt nicht unglücklich waren …
Worum es da geht, beschreibt Habecks Ministerium folgendermaßen: „Mit der Verabschiedung kann nunmehr die bereits im Jahr 2023 in Kraft getretene Reform des europäischen Emissionshandels in deutsches Recht umgesetzt und die Grundlagen für dessen Vollzug geschaffen werden. (…) Die Reform des EU-Emissionshandels hat die Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 und einer Netto-Treibhausgasneutralität bis 2050 zum Ziel.“
Es wird teurer
Der Ökonom und Publizist Hans Martin Esser hat die Folgen im Cicero so beschrieben: „Was so harmlos daherkommt, ist grundstürzend für die Bewohner Deutschlands, vergleichbar an Einfluss mit der seit zehn Jahren verstärkten Migration – und es geschah weitgehend unbeobachtet.“ (…) Dabei ist damit bereits jetzt klar, dass ab Neujahr 2027 (…) ein Gesetz zur Anwendung gebracht werden soll, das die Inflation antreiben und also Gas-, Öl- und Treibstoffpreise direkt betreffen wird. Außerdem frisst sich dies auch in die Produktions- und letztlich in die Supermarktpreise durch.“
Wie hoch die Teuerungen konkret sein werden, kann im Moment noch niemand exakt sagen.. Die Webseite Finanztip erwartet zunächst moderate Preissteigerungen von 2,8 Cent pro Liter beim Benzin und 3,2 Cent beim Diesel. Bis 2030 könnte sich der CO₂-Aufschlag jedoch laut Schätzungen auf 61 Cent pro Liter summieren.
Hans Martin Esser schreibt dazu: „Im Rahmen der Evaluierung haben sich auf nationaler und EU-Ebene bereits Eckdaten ergeben, mit denen man aber geflissentlich nicht an die Öffentlichkeit geht. Es geht dabei darum, bis 2050 klimaneutral zu werden. Aber bereits 2030 ist ein Zwischenziel, das zu erreichen nur funktioniert, wenn der Preis für eine Tonne CO2 schon am Neujahrstag 2027 bei über 200 (!) Euro liegen wird. Der Liter Super würde in der Sekunde von Silvester auf Neujahr 2027 von rund 1,85 auf ungefähr 2,30 Euro steigen.“
Und für das Heizen eines durchschnittlichen Einfamilienhauses, bei dem im Jahr 30 000 kWh an Gas verbraucht werden, prognostiziert er: „Es entstehen hierbei circa sechs Tonnen Kohlenstoffdioxid jährlich. Nehmen wir also einen CO2-Preis von 220 Euro für 2027, von 250 für 2028, 280 für 2029 und von 300 Euro für 2030 an, so wird dies zu einer Mehrbelastung von rund 120 Euro monatlich allein für CO2 im Bereich Heizen führen.“
Die Hoffnung trügt
Dieses in aller Stille mit Beteiligung von CDU/CSU beschlossene Gesetz birgt also einen gefährlichen Sprengstoff. Dabei hätte das Parlament für die Umsetzung in deutsches Recht von den EU-Vorgaben her Zeit bis 2027 (!) gehabt.
Ohne Not hat man sich jetzt aber kurz vor der Wahl noch festgelegt – zu einem Zeitpunkt, wo es in anderen Ländern wie in der Slowakei, in Tschechien, in Polen schon wachsende Widerstände gegen das Gesetz gibt.
Die Hoffnung, dass sich der rot-grüne Kurs der Energiepolitik in den wirtschaftlichen Abgrund und die Verarmung der Bevölkerung nach den Wahlen unter einer von CDU/CSU geführten Bundesregierung ändern wird: Allem Anschein nach trügt sie. Wer es sich mit niemandem verderben will, kann keine Kurskorrektur hinbekommen.
Der FDP-Abgeordnete Michael Kruse hatte in der Debatte über das Gesetz angemerkt: „Die ‚schwarzrotgrüne Koalition‘ steht.“ Und es steht zu befürchten, dass sich daran auch mit den Grünen in der Opposition nicht Entscheidendes ändern wird.
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Wo ist denn diese Koalition „schwarz“ im Sinne des Wahlprogramms der Union? Mir kommt es vor wie eine Rot-Grüne Koalition.