Soylent-Green – Eine Ökodystopie wird 50

„Soylent Green“ kam im April 1973 in den USA in die Kinos, die deutsche Synchronfassung startete im Mai 1974 unter dem Titel „… Jahr 2022 … die überleben wollen“. Der Film ist ein Thriller, mir gefällt er auch heute noch, weil Grundannahmen für sein Szenario von Zukunft der Realität ziemlich nahe kommen. 

Kein Wunder: zerstörte Landschaften, verschmutzte Flüsse, Seen, Meere, Raubbau an Böden, Mangel an Rohstoffen, Energie, Wohnraum und qualitativ hochwertiger Nahrung sind mir seit der Kindheit vertraut. Was am Beginn des Movies sekundenschnell als historischer Zeitraffer von Fotos ländlicher und kleinstädtischer Idylle des 19. Jahrhunderts bis zu den Horrorvisionen industrieller Müllkippen rast, ist auch eine Reise meiner Lebensjahrzehnte. 

Thüringer Wald und Erzgebirge verkahlten zusehends durchs Einwirken von Qualm vor allem aus Braunkohlekraftwerken, auf Saale und Mulde bei Halle schwammen übelriechende Schaumteppiche, um Bitterfeld herum vergiften bis heute in Tagebau-Restlöchern Chemieabfälle den Untergrund und das Wasser: 200 Millionen Kubikmeter sind immer noch kontaminiert – so viel wie in zwei, drei Talsperren passen. Die Glocke graubrauner Abgase über der Stadt Berlin in der Morgendämmerung ist unvergessen, das nach Chlor riechende Trinkwasser, das Leben in verrottenden Altbauten. Und dann sagt einer, der im New York des fiktionalen 2022 in einer engen Bruchbude haust, was ich aus Abrisshäusern meiner Jugend kenne: „Uns geht’s ja noch gut.“

Redlich sind nur Loser

Es ist der Held des Films, kein guter Mensch, sondern ein korrupter Bulle namens Robert Thorn. Charlton Heston spielt ihn; sein breites Grinsen macht ihn sympathisch. Er hat nicht die mindesten Skrupel zu nehmen, was er kriegen kann, und dank seines Mitbewohners Sol Roth, eines gewieften alten Rechercheurs beim Aufklären schwerer Straftaten, gerät er an lohnende Fälle. Der Mord an einem hochrangigen Wirtschaftsboss mit direktem Draht zur Regierung verschafft beiden eine lukullische Mahlzeit mit frischem Gemüse und – als Höhepunkt – einem Stück echten Rindfleisch. Wie sie genüsslich die am Tatort gestohlenen Leckerbissen verschmausen, wässert einem den Mund. Mir fällt dazu der Spruch aus der sozialistischen Mangelwirtschaft ein: „Wenn jeder jedem was klaut, kommt keinem was weg.“ 

Szenen eines dysfunktionalen Staates, dessen „Diener” korrupt und fast zu jeder kriminellen Tat bereit sind, wenn sie sich bereichern können – oder einfach nur überleben wollen – sind zweifellos die Stärke vieler realistischer Filme. „Soylent Green” erhielt einige Preise, war ein Publikumserfolg und wird gerade wieder in Medien beachtet, weil er Gedanken des „menschengemachten Klimawandels”, verursacht durch übermäßige CO2-Emissionen, und den Treibhaus-Effekt ebenso aufgreift wie die Thesen des „Club of Rome” von den „Grenzen des Wachstums”. Wahrscheinlich gehört er zum favorisierten Genrekino grüner Aktivisten und Klimakleber. Dabei beruht seine Sprengkraft vor allem auf Szenen, die gesellschaftliche und politische Symptome heutigen Weltgeschehens vorwegnehmen, und da er sie aus der Realität der 70er Jahre abzuleiten versteht, und ihr Eintreffen zwar nicht unmittelbar bevorsteht, aber deutlich wahrzunehmen ist, seien sie hervorgehoben:

Notstand schlägt Menschenwürde

  • New York 2022 ist eine dramatisch überbevölkerte Stadt. Der Regisseur Richard Fleischer lässt in Treppenhäusern, auf Müllkippen und Autofriedhöfen vegetierende Menschen als graue Masse auftreten. Aus ihr rekrutieren sich Kriminelle – etwa der Mörder des von James Cagney gespielten Industriellen Simonson. Einzige Impulse sind stummes, stumpfes Warten auf Lieferungen von Nahrung und spontane Rebellion, wenn sie ausbleiben. Der Staat hat eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, Bewaffnete kontrollieren sie. Es gib keine Fluchtwege. 
  • Scharf abgegrenzt sind die „Gated Communities“ der Oberklasse: Die Führer von Wirtschaft und Staat genießen ein privilegiertes Leben inklusive eigener Dienstleister – die einzig erkennbare Form von „Mittelstand“. In Luxusappartements gehören Leibwächter und attraktive junge Frauen zur Ausstattung. Sie bezeichnen sich selbst als „Inventar“. Ohne Einspruch erheben zu können, werden sie von neuen Wohnungsinhabern übernommen, wenn sie gefallen.
  • Lebensmittel sind durch rot- und gelbgefärbte Surrogate ersetzt. Sie werden aus Soja („Soy“) und Linsen („Lentils) produziert. Der einzige Fernsehkanal bewirbt als neues Produkt „Soylent Green“ aus Meeresplankton – wegen besseren Geschmacks ist es hoch begehrt, wird aber nur an Dienstagen verkauft, das Angebot reicht nie aus.
  • Der Megakonzern Soylent ist aufs engste mit dem Staat verflochten. Seine Produkte machen den Notstand beherrschbar, das Monopol garantiert den Profit.
  • Nur völlig überlastete Kirchen leisten medizinische und soziale Betreuung. Bei einem Priester beichtet der Manager Simonson, was hinter dem grünen Kraftfutter steckt – er wird denunziert und erschlagen, der Priester erschossen.
  • In Bibliotheken treffen sich insgeheim Wenige, die sich wie Sol Roth der  Wahrheit verpflichtet fühlen. Sie sind als „Polizeibücher“ wichtige Informanten, agieren aber nicht nur im Staatsdienst. Sie bewahren historisches Wissen – Sol wird dafür immer wieder einmal von Thorn ausgelacht. Aber der Bücherwurm, gespielt von Edward G. Robinson, leitet den Freund auf die brisanteste Spur des Thrillers: zum „freiwilligen Entleiben“ von Menschen in einer automatisierten Fabrik, beschönigend „Einschläfern“ genannt. Dort werden grüne Kekse konfektioniert, nicht aus Plankton – die Meere sind abgeerntet. 

Artikel zwei GG

Menschenfleisch zu essen ist normalerweise ein Tabu. In einigen Religionen gab es gleichwohl rituellen Kannibalismus, um sich durch den Verzehr von Körperteilen eines getöteten Feindes dessen seelische und körperliche Kräfte „einzuverleiben”. Es mag bis heute mythische oder sexuelle Impulse, medizinischen Gebrauch oder lebensbedrohliche Notlagen geben, die dazu treiben – aber wer entschiede freiwillig, sich vom Leib eines Artgenossen zu ernähren? Thorns verzweifelter Schrei: „Soylent Green is people!” wirkt bis heute.

Aber ist nicht ebenso schockierend, dass eine große Zahl von Leuten im Film freiwillig den Weg zum menschenfressenden Kekskombinat geht? Artikel zwei des deutschen Grundgesetzes schützt ausdrücklich Leben und körperliche Unversehrtheit, wenn er auch dem Einzelnen die Entscheidung zum Freitod vorbehält, neuerdings sogar erlaubt, sich dabei der Hilfe von Dritten zu bedienen. Wäre ein Staat vorstellbar, der sich seiner Alten, Kranken, Behinderten, Lebensmüden entledigt, indem er sie zu einem letzten Festmahl mit echten Lebensmitteln lädt, sie im Film zur Wunschmusik eine intakte Natur mit Pflanzen und Tieren erschauen lässt, ihnen verspricht, sie in ehrendem Gedenken schmerzlos einzuschläfern und damit – im Interesse der Allgemeinheit – Übervölkerung, Überalterung, Überlastung von Sozialsystemen zu vermindern? 

Es gibt durchaus Überlegungen in diese Richtung. Wenn das Geschehen um Corona uns etwas gelehrt hat, dann ist es die beklemmende Einsicht, wie leicht große Teile der Bevölkerung sich manipulieren lassen. Die Dauerpropaganda für die „Impfungen“, das „Infektionsschutzgesetz“, mit dem sich Grundrechte umgehen oder außer Kraft setzen ließen, das Agieren von Staat und Medien gegen Proteste mit dem Ziel zu spalten, die Hetze gegen kritische Meinungsäußerungen, Drohungen mit beruflichen Nachteilen bis zum Rauswurf oder Firmenboykott, mit Sonderbelastungen durch die gesetzlichen Krankenversicherer … Nichts erinnert stärker an die allumfassende wechselseitige Interaktion von Regierung und Mega-Konzern in der düsteren Vision aus dem Jahr 1973.

Die Aussicht auf eine neue „industrielle Revolution” durch die Indienstnahme des menschlichen Körpers selbst zur Produktion etwa von Antikörpern mittels Triggerreaktionen, wie sie die Spike-Proteine der modRNA-Medikation auslösen sollten, sind alles andere als erheiternd. Was bislang über Risiken und Nebenwirkungen bekannt ist, deutet eher auf ein neues, mehr oder weniger globales Menschenexperiment hin. Was bewerten Politik und Wirtschaft höher? Das Recht auf Unversehrtheit des Leibes oder die „freiwillige” Entscheidung fürs Risiko, sich selbst zu entleiben?

Körper geimpft – Seele kollektiviert?

Im Laufe der vergangenen 50 Jahre sind die Informationskriege heftiger geworden, Methoden der Überwachung und Manipulation – nicht nur in China – immer rigider. Konformität breitet sich in Bildung und Wissenschaft ebenso aus wie in Justiz und Medien. Die Digitalisierung verschärft gefährliche Tendenzen. Aber – das ist das Erfreuliche gegenüber „Soylent Green” – Zweifel und Kritik an „Wissenschaft im Konsens”, an Menschen-Experimenten, an bevormundenden Medien und selbstgefälligen Politikern lassen sich nicht abschaffen. 

Noch hat einer die Wahl zwischen Lebensmittel und Surrogat à la „Fleischersatz”, zwischen Waldspaziergang und Glotze, zwischen Qualität und Quote, zwischen selbstbestimmtem Leben und Funktionieren im Kollektiv. „Ungeimpft” – aus guten, wissenschaftlich haltbaren Gründen – und nicht zu indoktrinieren mit kollektivistischen Heilslehren, genieße ich, was Mangelwirtschaft im Sozialismus mir vorenthielt. Ob ich trotzdem irgendwann zu grünen Keksen verarbeitet werde, kümmert mich nicht. Womöglich schmecken diese Kekse den Leuten so wenig, wie meine Texte grünen, gelben, roten Parteigängern. 

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3 Kommentare. Leave new

  • Man schaue sich einfach nur die aktuelle Entwicklung der Sterbehilfe in Kanada an: https://ifamnews.com/de/kanada-ein-drittel-mehr-euthanasie-als-im-vorjahr

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  • Angesichts der Fehlprognosen des Club of Rome und auch solcher Filme bleibt die Frage, ob die düsteren Entwicklungen nicht eingetreten sind, weil die Prognosen zum Politikwandel führten. Oder ob sie einfach nur falsch waren. Oder ob deren Sinn darin bestand, ausufernde Projektnetzwerke zu etablieren, in denen Sozialwissenschaftler Beschäftigung fanden.

    Daß die Arbeiten des CoR ab 1968 interessante Modellrechnungen enthielten, ist schon richtig. Aber wie heute glaubten viele nicht an der Innovationsfähigkeit von Wissenschaft und Ingenieurwesen in einem markwirtschaftlichen Umfeld. Fakt ist, daß sehr viel mehr Menschen als früher sehr viel besser versorgt werden als vor 50 und 100 und 200 Jahren.

    Auch die Modellannahmen des IPCC könnten sich als falsch erweisen. Dies nehmen aber diejenigen nicht zur Kenntnis, die mit der Angst vor Apokalypse und Untergang ihre Machtspielchen treiben. Wer junge Klimakleber heute darauf aufmerksam macht, daß ihre Angst auf wenig gesicherten Modellen beruht und keineswegs auf Fakten, wollen sie das nicht hören.

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  • Peter stuckenberger
    12. März 2023 17:46

    James Cagney spielt hier nicht mit sondern Joseph Cotten…..Citizen Cane etc

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