Baader-Treffen: Wie entfliehen wir der Politik?

Das diesjährige Roland-Baader-Treffen am 14. Juni 2025 in Kirrlach bei Heidelberg hatte sich den bis dato wärmsten Tag des Jahres auserkoren. Schweißgebadet und in guter Laune war dieses Treffen in Erinnerung an Roland Baader ein warmes Beisammensein bis in die tiefsten Abendstunden. Thematisch unterdessen war dieser Samstag beschienen von einer Perspektive auf mehr Dezentralität, von der Vision einer Evolution und von der Voraussicht des Unpolitischen.

Das Parasitäre des Politischen

Können Sie sich eine Welt vorstellen, in der sich Alltagsgespräche vorrangig um real existierende Themen der jeweils konkreten Lebenswirklichkeit drehen? In der sich der Einzelne vordergründig Gedanken um sein spezifisches, unmittelbar-reales Umfeld macht? In der sich Menschen unbefangen über die lokale Vereinsarbeit, das Vorankommen in wirtschaftlichen Unternehmungen, über intellektuelle Leidenschaften, über erlebte Begegnungen mit fremden Menschen und Kulturen sowie über das Gedeihen der eigenen Familie – kurzum: über die tatsächlich echte Welt – unterhalten?

Können Sie sich eine Welt vorstellen ohne Politik, dieses ewige Leid des Zernichtens und Zermalmens allen freundlichen und friedlichen Handelns? Können Sie eine Welt erahnen, in der die Gedanken der Menschen frei sind vom feindlichen Agieren der Politiker, die sich der wirklichen Welt – dem friedvollen und gestalterischen Kooperieren sowie Konkurrieren freiwillig agierender souveräner Individuen – aufdrängen und aufzwingen wie ein Parasit seinem Wirt, infolgedessen dieser – die von der Politik befallene Gesellschaft – im verdorbenen Zwielicht des Täuschens, des Zwanges und der Gewalt versinkt?

Es gibt einen parasitären Saugwurm namens Leucochloridium paradoxum, der über Vogelkot in seinen angestrebten Zwischenwirt gelangt, die Gemeine Bernsteinschnecke, Succinea putris. In der Schnecke angelangt, befällt der ungewöhnliche Parasit schließlich auch das Gehirn der Wirtsschnecke und ändert gezielt deren Verhalten. Die nun fremdgesteuerte Bernsteinschnecke flieht nicht mehr vor dem Licht, sondern sucht jetzt gut beleuchtete und damit sichtbare Blätter auf. Auf dem gut sichtbaren Blatt werden der Schnecke die ausgebildeten Sporozysten des Parasiten zum Verhängnis, die bei Besiedelung der Fühler diese enorm vergrößern, mit bunten Ringen markant zieren und zudem pulsierende Bewegungen initiieren. Die von Leucochloridium paradoxum befallene Bernsteinschnecke sitzt also mit pulsierenden bunten sowie nicht mehr einziehbaren Fühlern auf einem gut beleuchteten Blatt, um letztendlich von einem Vogel gefressen zu werden, der alsbald neue Parasitenlarven ausscheidet.

Die Politik hat ihr Ziel erreicht, wenn sie ihren Wirt, die friedvoll lebende und nachhaltig wirtschaftende Gesellschaft, bis auf die letzte freiwillige Kooperation ausgehöhlt, sie mit ihren parasitären Auswüchsen unterwandert hat. Die von der Politik zombifizierte Gesellschaft wird sodann dem Endwirt – der EU – zum Fraß vorgeworfen … Verzeihung, natürlich die Schnecke dem Vogel.

Der politische Zyklus

Der politische Zyklus, beginnend mit dem Wunsch des Einzelnen, den eigenen Lebensstandard zu erhöhen – im praxeologischen Sinne also das finale Handlungsziel des Verminderns der eigenen Unzufriedenheit –, endet stets im Chaos der Revolution, so Titus Gebel. Wie bereits der Einschub verdeutlicht, ist der Übeltäter mithin nicht das Ziel des Einzelnen, sondern vielmehr das Instrument des Staates und seiner Mittel, deren sich im hiesigen politischen System eine demokratische Mehrheit bedienen kann.

Zwischen Anfangs- und Endpunkt des politischen Zyklus liegen die Machenschaften des Staates. Um den eigenen Lebensstandard mit möglichst geringem Aufwand zu erhöhen, wählt der Einzelne schlechthin die Partei, die ihm persönlich am meisten Almosen verspricht. Die Partei mit dem umfangsreichsten Staatsprogramm kommt also an die Macht und beginnt, mit den Mitteln des Staates in der freien Kooperation der Marktteilnehmer herumzulaborieren. Dadurch verdrängt das Staatstreiben die reale Wirtschaft und über kurz oder lang kommt es zum Systemkollaps. Es folgt die Revolution, an deren Ende die Menschen ein neues politisches System einsetzen, wiederum mit dem Ziel, den eigenen Lebensstandard mit möglichst geringem Aufwand erhöhen zu können.

Der politische Zyklus ist ein geschlossenes System des ewigen Versagens. Seine Spiralen sind gekennzeichnet von Elend, Verarmung, Niedergang und Tod. Aus sich heraus bleibt dem politischen Zyklus kein Entkommen – das politische System ist autopoietisch, es erschafft und erhält sich selbst.

Evolution statt Revolution

In meinem ersten Beitrag beim Sandwirt habe ich für politisches Engagement der Libertären argumentiert. Die hiesigen Ausführungen stehen dazu nicht im Gegensatz, sondern ergänzen das Wirken innerhalb um das Wirken außerhalb des Politischen – beides hat seine Berechtigung und erscheint gemeinsam notwendig.

Titus Gebel ersinnt mit seinem Konzept der Freien Privatstädte ein Ausbrechen aus dem politischen Zyklus. Die Dienstleistung der Gestaltung des Ordnungsrahmens des Zusammenlebens, mit der der private Stadtbetreiber potentielle Vertragsbürger ansprechen möchte, ist frei von den ewig zirkulierenden Verteilungskämpfen, die den politischen Systemen inhärent anhaften. Das Modell der Freien Privatstadt ist Evolution statt Revolution.

Aus der maximalen Mitbestimmung eines jeden – also dem Einmischen Unbeteiligter in das freie Agieren und Handeln Dritter (Vertrag zu Lasten Dritter) –, die die politischen Systeme zu verursachen wissen, wird durch die Entpolitisierung des Zusammenlebens die maximale Selbstbestimmung jedes Individuums. Diese Entpolitisierung gelingt indes durch die Entstaatlichung, also das Schaffen privater Angebote auf dem Markt des Zusammenlebens.

Diese evolutionäre Entwicklung vermag Unvorstellbares zu bewirken. Erstmals könnten Gesellschaften befreit werden vom Parasiten namens Politik. Verschiedene Ordnungen des Zusammenlebens könnten sich im Marktprozess des friedlichen Konkurrierens sowie Kooperierens herausbilden und beweisen. Für den Einzelnen könnte diese Evolution die Entpolitisierung aller Lebensbereiche bedeuten, also das wirtschaftliche sowie private Aufatmen in Freiheit.

Die patriotische Pflicht zum Desertieren

In seiner Laudatio auf den diesjährigen Preisträger der Roland-Baader-Auszeichnung zitierte Rahim Taghizadegan den ebenfalls anwesenden Gerd Habermann mit der patriotischen Pflicht zum Desertieren – ein antinomischer, konflikteröffnender Ausdruck, der substanzreich sowie vehement und nicht frei von Ironie Wirkung zu entfalten versteht. So dürfte das patriotische Desertieren oxymoronischen Charakter für sich beanspruchen – ein Patriot desertiert nachgerade nicht.

Doch so zeichnet dieser Ausdruck eine bildstarke Analogie zur aktuellen Absurdität des Politischen. Selbst derjenige, der rest-etatistisch vereinnahmt ist, kann diesen Gang der Politik in die angestrebten Irrealitäten nicht mehr mitgehen. Der vom Glauben des Etatismus befreite Mensch geht ohnehin gar keinen Gang der Politik freiwillig mit. Jedenfalls obliegt es jedem Einzelnen, ob Patriot oder nicht, diesen Weg nicht mit herabzuschreiten, sondern dem politischen Treiben zu entsagen, zu desertieren.

Eine Pflicht dazu ergibt sich allemal aus vernünftiger Betrachtung, sodass aus dem etatistischen, dem blinden Patriotismus ein vernünftiger und souveräner Drang wird, den man im Falle rest-etatistischen Denkens auch Verfassungspatriotismus, im Falle konsequent-libertärer Haltung Antietatismus nennen kann.

Beharrlichkeit

Doch nun zum diesjährigen Preisträger der Roland-Baader-Auszeichnung, die am 14.06.2025 in Kirrlach-Waghäusel – unweit seiner Heimat – an Titus Gebel verliehen wurde: Herzlichen Glückwunsch Titus!

Seit einigen Jahren leistet Titus Gebel Pionier-Arbeit und ebnet uns allen die Chance auf ein Erreichen des libertären Leitsterns der Privatrechtsgesellschaft. Dieses Streben musste bereits Rückschläge einstecken und scheint nach wie vor mit einem langen Atem zu ringen. Doch davon sollte sich niemand das Vertrauen auf Erfolgsaussichten nehmen lassen. Beharrlichkeit ist die am meisten unterschätzte Tugend, so Titus in seiner Rede in Kirrlach.

In Würdigung der Bemühungen von Titus Gebel und in Gedenken an Roland Baader soll jener hier abschließend und thematisch passend mit einem Ausblick auf die anzunehmende langfristige Entwicklung in Sachen Staat zu Wort kommen:

„Als Licht am Ende des Tunnels erscheint die Tatsache, dass es sich beim Staat um eine logische Utopie handelt. Die zwei Pfeiler, auf denen die Anscheins-Legitimation des Staates als Inhaber des Gewaltmonopols ruht, sind: Erstens die Behauptung, er könne am besten und sichersten die Eigentumsrechte – Eigentum einer jeden Person an ihrem Körper, ihrem Leben und ihren rechtmäßig erworbenen materiellen Mitteln – vor ungerechten Verletzungen und Aggressionsakten schützen. Und zweitens, es gäbe „geborene öffentliche“ Güter, das heißt: Güter, die nur der Staat bereitstellen könne oder die der Staat besser als der Markt bereitstellen könne. Beide Argumente sind falsch. 

Zum ersten: Zur Ausübung der eigentumsrechtlichen Schutzfunktion muss der Staat genau diese Rechte gewaltsam verletzen, indem er sich die benötigten finanziellen Mittel gewaltsam beschafft. Was sich beim Staat als Besteuerung und Geldentwertung darstellt, wird im privaten Leben der Menschen als Raub, Diebstahl und Falschmünzerei bezeichnet und strafrechtlich geahndet. Der vorgebliche Schützer namens Staat ist also in Wahrheit der eigentliche Aggressor. 

Zum zweiten: Spätestens seit den um die Mitte des 20. Jahrhunderts erschienenen Werken des Nobelpreisträgers Ronald Coase gehört es zum Standardwissen der Ökonomen, dass es zu staatlichen Leistungen immer eine marktwirtschaftliche Alternative gibt, und dass der Markt die betreffenden öffentlichen Güter besser, effizienter und billiger bereitstellen könnte. Somit sind die Legitimationsargumente für die Existenz des Staates vom Tisch. Es sind Mogelpackungen – und der Staat ist nach den Regeln der Logik eine Utopie.

Es steht die Frage im Raum, wer letztlich siegen wird: die faktische Utopie namens Freiheit oder die logische Utopie namens Staat? Ich tippe auf sehr lange Sicht auf die Freiheit. Denn Fakten können sich ändern, die Logik nicht.“

(Roland Baader in eigentümlich frei, Nr. 73 – Juli 2007 – S. 52-54)

Nachtrag: Alle Beiträge der in Kirrlach am Mikrofon zu Wort Gekommenen sind sehr hörenswert – sowohl die Laudatio von Rahim Taghizadegan als auch die Rede von Titus Gebel als auch der unschlagbare Comedy-Beitrag von Michael Werner. Sobald die entsprechenden Videos online kommen, unbedingt ansehen und im nächsten Jahr ohnehin gerne persönlich in Kirrlach vorbeischauen!

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